Essen-Altenessen/Essen-Werden. Welcher Stadtteil trägt mehr zum Klimawandel bei? Das wird in Altenessen und Werden erforscht. Welche Rolle der Lebensstil spielt.
In Essen entsteht eine Emissionsbörse: Sie soll zum Klimaschutz in den Stadtteilen beitragen und vor allem das Bewusstsein für den Klimawandel erhöhen. In Altenessen und Werden soll ab 2022 oder 2023 daran gehandelt werden. Als Grundlage dafür soll jetzt der ökologische Fußabdruck der beiden Stadtteile berechnet werden. Die Frage: In welchem Stadtteil tragen die Menschen mit ihrem Lebensstil mehr zum Klimawandel bei?
Das Ganze ist Teil des Forschungsprojektes „Transcity“. Die Forschenden der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden und des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie gehen davon aus, dass die Menschen in Altenessen im Durchschnitt für weniger CO2-Ausstoß verantwortlich sind und auch weniger Ressourcen verbrauchen als die Menschen in Werden.
Zwar mag das ökologische Bewusstsein in Werden höher sein und die Menschen dort zum Beispiel mehr Wert auf Lebensmittel in Bio-Qualität legen. Weil die Haushalte im Essener Norden im Durchschnitt aber ein geringeres Einkommen zur Verfügung haben, wohnen die Menschen auf kleinerem Raum, reisen nicht so weit, verbrauchen weniger Kraftstoff und Strom – so die Theorie. Sie soll in den kommenden Monaten mit Hilfe der Essenerinnen und Essener überprüft werden.
Fragen zu Wohnen, Mobilität und Ernährung
Nach dem Zufallsprinzip werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den kommenden Wochen eine bestimmte Anzahl an Haushalten anschreiben und um die Beantwortung von Fragen bitten – entweder digital oder auch in Papierform, um niemanden auszuschließen. Zudem wird es auch fremdsprachige Versionen des Fragebogens geben. Er basiert auf der Susla App und beinhaltet 30 Fragen zu den Bereichen Wohnen, Mobilität, Ernährung, Freizeit und Konsum.
So spielt es zum Beispiel eine Rolle, ob Personen in einem Ein- oder Mehrfamilienhaus leben, aus welchen Quellen und wie viel Strom sie beziehen, welche Verkehrsmittel sie nutzen, ob und wie sie reisen, wie sie sich ernähren und wie viel Abfall im Haushalt anfällt. Aber auch wie viele Elektrogeräte es in einem Haushalt gibt, wie intensiv geshoppt wird und ob Kleidung und Möbel neu oder aus zweiter Hand gekauft werden, wird eingerechnet. Heraus kommt ein ökologischer Fußabdruck in Kilogramm CO2-Ausstoß und Materialverbrauch. Er lässt sich sofort mit dem bundesweiten Durchschnitt vergleichen, die Ergebnisse für die beiden Essener Stadtteile sollen bis zum Jahresende 2021 fest stehen.
Erlöse fließen in nachhaltige Projekte
„Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommen“, sagt Linda Weber von der Hochschule Rhein-Main, die das Projekt koordiniert. „Wir wollen auf Akzeptanz stoßen und hoffen, dass sich viele beteiligen.“ Die Berechnung erfolgt im ersten Schritt auf der Haushaltsebene, dann werden auch andere Faktoren eingerechnet, etwa Wirtschaftsstandorte und Grünflächen. Unterm Strich kommt der ökologische Fußabdruck des jeweiligen Stadtteils heraus.
„Unsere Projektidee basiert auf folgender Annahme: Die ökonomisch schlechter gestellten Quartiere einer Großstadt gehören häufig auch zu den Quartieren mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck – und umgekehrt. Zugleich haben Bewohner in diesen Quartieren in der Regel kaum Möglichkeiten, aus eigenen Mitteln Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen“, schreiben die Professoren Andreas Thiesen und Manfred Fischedick. Das Ziel ist der Aufbau einer Emissionsbörse innerhalb der Stadt. Auf Basis der erhobenen Daten werden Klimaschutzzertifikate ausgestellt, die dann an der Emissionsbörse gehandelt werden. Die Erlöse fließen in nachhaltige, soziale und ökologische Projekte in den Quartieren, die noch ausgewählt werden.
Beteiligung der Essenerinnen und Essener ist entscheidend
„Die zentrale Frage ist dabei: Was kann ich in meinem Umfeld, vor meiner eigenen Haustür verändern“, sagt Kristina Wendland, Geschäftsführerin des Kulturzentrums KD 11/13 in Altenessen. Sie will die Menschen in Altenessen für das Forschungsprojekt gewinnen, in Werden engagiert sich der Heimatverein. Die Stadt Essen ist davon überzeugt, dass in beiden Stadtteilen ausreichend Menschen einbezogen werden können und auch im Norden die Bereitschaft besteht.
„Das Potenzial zur Bürgerbeteiligung ist auch bei bisher unterrepräsentierten Haushalten groß und nicht zu unterschätzen: Alleinerziehende, Jugendliche und Senioren haben trotz eventueller wirtschaftlicher Herausforderungen den Wunsch und das Potenzial, Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft in ihrem Umfeld zu übernehmen“, so Jacqueline Schröder, Pressereferentin der Stadt Essen. Die Herausforderung liege eher darin, diese Gruppen trotz sozialer Belastungen dabei zu unterstützen, gesellschaftlich wirksam zu sein und ihnen eine Teilhabe zu ermöglichen.