Essen. Mit Starkstrom gegen Herzrasen – das klingt massiv. Tatsächlich soll das im Essener Krupp-Krankenhaus vorgestellte Verfahren sehr schonend sein.

Rhythmusstörungen am Herzen sind weit verbreitet. „Etwa ein bis zwei Prozent der westlichen Bevölkerung leiden unter Vorhofflimmern“, erklärt Privat-Dozent Dr. Kars Neven. Am Alfried-Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid leitet er die Abteilung für Elektrophysiologie. „Wir sind sozusagen die Elektriker“, so der 46-Jährige Niederländer. Von Haus aus ist er Kardiologe, spezialisiert auf Herzrhythmusstörungen. Als „Handwerker“ behandele er Patienten, die unter Herzattacken leiden.

Plötzlich raste ihr Puls – erst selten, dann immer häufiger

Eine davon war Ruth Kimmeskamp. „Mein Puls raste von jetzt auf gleich. Das konnte immer und überall passieren“, beschreibt sie ihre Symptome. Urplötzlich, etwa bei einem Restaurantbesuch, habe sie Vorhofflimmern bekommen, am Anfang kurz und selten, dann immer öfter und länger. Zwei Jahre wurde sie mit Tabletten behandelt, doch der gewünschte Erfolg sei ausgeblieben.

Dass sie im Frühjahr an Dr. Neven überwiesen wurde, der an ihr die von ihm mitentwickelte Methode anwandte, hält die Werdenerin für einen Glücksfall. Dafür wurden über einen Venenkatheter fehlerhafte Zellen in ihrem Herzen Millisekunden lang mit 1900 Volt unter Strom gesetzt. „Die Ablation dauert etwa eine Stunde und ist keine Operation. Die Patienten werden mit einem Narkosemittel in einen angenehmen Schlafzustand versetzt, vergleichbar wie bei einer Darmspiegelung. Sie spüren nichts von der Behandlung“, so Neven.

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Als „Weltmeister im Verdrängen“ beschreibt sich Siegfried Kronenberg vor der Elektro-Ablation. Auch er sieht die Behandlung im Mai als Erfolg und fühlt sich seither „wesentlich besser.“ Vor der Familie hatte der 71-Jährige aus Heiligenhaus das Vorhofflimmern zunächst verheimlicht bzw. verharmlost. „Als mir der Kardiologe schließlich Blutverdünner verschrieb, habe ich nach einer kardiologischen Klinik gesucht, die mich gründlich durchcheckt.“ Er hatte die Wahl zwischen Düsseldorf und Essen und entschied sich für die Kardiologie am Alfried-Krupp-Krankenhaus. Die biete das ganze Spektrum invasiver und nicht-invasiver kardiologischer Diagnostik und Therapie bei akuten und chronischen Herzerkrankungen, Rhythmusstörungen, bei Erkrankungen der Herzklappen oder Kardiomyopathien sowie bei allen Formen von Herzinsuffizienz. Und seit kurzem das „Baby“: die Elektro-Ablation.

Das Herz als besonderes Organ – da spielen immer Gefühle mit

Das neue Verfahren soll viele Vorteile gegenüber herkömmlichen Ablationen bieten. Bei denen werden Rhythmusstörungen – ebenfalls über ins Herz eingeführte Katheter – durch große Hitze oder Kälte behandelt. Manchmal komme es dabei zu Komplikationen an Speiseröhre oder Nerven. Patienten gut aufzuklären, ist dem Elektrophysiologen ein wichtiges Anliegen. „Ein Herz ist kein Blinddarm“, weiß er. Da spielten Gefühle mit und Überzeugung sei gefragt.

Ruth Kimmeskamp erzählt: „Zwei bis drei Tage nach der Elektro-Ablation hatte ich ein komisches Gefühl, rein vom Kopf her, weil da etwas an meinem Herzen gemacht wurde.“ Klinische Beschwerden hatte sie nicht. Nach zwei Nächten auf der Station durfte sie nach Hause. Alle vier Monate geht sie zur Kontrolle. Ihr hoher Blutdruck habe andere Ursachen. An Herzrhythmusstörungen, die das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen, leide sie jedenfalls nicht mehr. Das freut auch Dr. Neven, der sie im Mai mit der neuen Methode behandelte.

Patienten erleben Benommenheit, Ohnmachten und Panik

Unentdecktes Vorhofflimmern ist ein Hauptrisiko für Schlaganfälle und Herzschwäche. Ein erweitertes Langzeit-EKG zeigt Unregelmäßigkeiten wie Herzrasen (Tachykardie), Herzklopfen (Palpitationen), Extraschläge (Extrasystolen) oder Aussetzer. Unruhe sowie ein hoher oder unruhiger Puls mit einem zu schnellen Herzschlag sind häufige Symptome. Müdigkeit, Benommenheit und Leistungsschwäche oder Sehstörungen oder auch Ohnmachten treten auf. Manche Patienten empfinden Panik. Das Herz koordiniert seine Pump-Tätigkeit durch elektrische Reize, die es selbst erzeugt.

Zur Ablation verwendet der Elektro-Physiologe einen speziellen Einweg-Katheter, der über die Leiste in die Lungenvene des Patienten eingeführt wird. Damit könne man punktgenau – durch 3-D-Bilder vom Monitor unterstützt – all jene Herzzellen abtöten, die falsche Impulse geben und das Herz aus dem Takt bringen. An der Spitze des Katheters sitzen Elektroden, die über einen Generator Starkstrom erhalten. Die bisherigen thermischen Ablationsverfahren, die mit großer Kälte oder Hitze arbeiten, könnten unerwünschte Nebenschäden verursachen. „Die Elektro-Ablationen veröden ausschließlich die Herzzellen und schonen die umliegenden Organe.“

Arzt sieht sich als Handwerker

Drei bis vier Wochen nach der Behandlung sei er wieder voll belastbar gewesen, so der Patient Siegfried Kronenberg. „Ich gehe ins Fitnessstudio und wandere“. Die Rhythmusstörungen sei er los. „Das Herz ist der Motor, das kann man mit einem Auto vergleichen. Mechanik und Elektronik müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein“, so Neven. Und wie in der Kfz-Werkstatt gebe es viel zu schrauben. Da brauche es Leute, die dieses Handwerk verstehen. „Da ich einer der Erfinder dieser Methode bin, sind wir das weltweit fünfte Krankenhaus, in dem sie angeboten wird.“