Essen-Gerschede. Die Gemeindemitglieder müssen sich von der Kirche St. Paulus in Essen-Gerschede verabschieden. Das Gotteshaus wird künftig ganz anders genutzt.

Es werden wohl auch einige Tränen fließen in Gerschede: Die Gemeinde St. Paulus nimmt Abschied von ihrem Gotteshaus. In einem Gottesdienst mit Bischof Franz-Josef Overbeck wird die Kirche St. Paulus nach 66 Jahren außer Dienst gestellt. Für viele Gemeindemitglieder ist es ein harter Schritt.

„Es ist ein schwerer Abschied“, sagt Elke Muhlack. „Als ich in der Vorbereitung die Fürbitten gelesen habe, musste ich schon schlucken.“ Die Essenerin hat in der Kirche St. Paulus ihre Erstkommunion empfangen, sie hat darin geheiratet und engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich, auch im Pfarrgemeinderat. Dementsprechend nimmt sie auch der jetzige Umbruch mit, der in vielen anderen Pfarreien ebenfalls ansteht, weil die Zahl der Gläubigen sinkt, ebenso die der Hauptamtlichen. In der Pfarrei St. Josef, zu der die Kirche St. Paulus gehört, hat sich die Zahl der Kirchen seit 2008 halbiert, von einst sechs Gotteshäusern bleiben nun noch drei. Der Kampf um St. Antonius Abbas hatte zuletzt für viele Auseinandersetzungen gesorgt.

Kirchenbänke in Gärten und Wohnzimmern

Eigentlich hätte St. Paulus schon zu Ostern außer Dienst gestellt werden sollen – genau am Jahrestag des ersten Spatenstichs, doch wegen des Lockdowns kam es zu Verzögerungen. „Wir haben den Termin verschoben, damit wir nicht vor leeren Bänken stehen müssen“, sagt Gemeindeleiterin Sabine Lethen. Nun können Gemeindemitglieder dabei sein, wer keinen Platz ergattern konnte, kann den Gottesdienst online im Livestream verfolgen.

Von außen wird die Kirche St. Paulus in Essen-Gerschede in Zukunft noch sehr ähnlich aussehen, im Inneren hingegen stehen große Veränderungen an.
Von außen wird die Kirche St. Paulus in Essen-Gerschede in Zukunft noch sehr ähnlich aussehen, im Inneren hingegen stehen große Veränderungen an. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Andenken an St. Paulus haben teilweise schon den Weg in die Haushalte gefunden: Gegen eine Spende konnten und können die Gemeindemitglieder zum Beispiel Kirchenbänke kaufen. „Bei uns kommt eine Bank in den Garten, woanders steht schon eine Bank im Wohnzimmer“, sagt Muhlack. Auch Huthaken und andere Gegenstände aus der Kirche werden abgegeben. Auch für die Zukunft von Orgel und Glocken gibt es bereits eine Idee: Eine neue gegründete Kirchengemeinde in Minsk ist daran interessiert.

Barrierefreies Wohnen und Tagespflege ziehen ein

Das Grundstück, auf dem die Kirche steht, hat die Caritas-SkF-Essen gGmbH (cse) gekauft. Sie plant einen Umbau im Bestand, die äußere Hülle der Kirche bleibt also erhalten. Für die Gestaltung läuft ein Architektenwettbewerb, am 8. Juli soll entschieden werden, welcher Entwurf gewinnt. Barrierefreies Servicewohnen, Tagespflege und Hospiz sollen in Zukunft an Stelle der ehemaligen Kirche zu finden sein.

Das Modell zeigt das künftige ökumenische Zentrum Paulushaus.
Das Modell zeigt das künftige ökumenische Zentrum Paulushaus. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Der ehemalige Kindergarten und das Jugendheim bleiben im Besitz der Pfarrei. Dort entsteht das Paulus-Haus, ein ökumenisches Zentrum, in dem ab voraussichtlich Ostern 2022 Gruppentreffen aller Generationen stattfinden sollen, von Messdienern, Senioren, Chören und Spielgruppen zum Beispiel.

Es entsteht ein neuer Ort für das Gemeindeleben. „Der Unterschied wird sein, dass es kein eucharistischer Ort mehr sein wird“, sagt Gerd Lübbe aus dem Kirchenvorstand. Gottesdienste feiert die Gemeinde künftig in der Kirche St. Franziskus. Dorthin führt auch eine Prozession nach dem Gottesdienst zur Außerdienststellung von St. Paulus, bei der der ehemalige Pastor Schuster vorangeht.

Abschied von Pfarrer Wolfgang Haberla

Die Pfarrei St. Josef ist auch personell im Umbruch: Nach 26 Jahren verabschieden die Gemeindemitglieder Pfarrer Wolfgang Haberla am Wochenende in den Ruhestand. Damit beginnt in der Pfarrei eine neue Ära, denn das Bistum startet dort ein neues Leitungsmodell. Vertreter des Bistums Essen haben den Gremien der Pfarrei bereits alternative Modelle vorgestellt. „Angesichts sinkender Priesterzahlen sucht das Ruhrbistum seit längerer Zeit nach neuen Leitungsformen für seine aktuell 41 Pfarreien“, teilt das Bistum mit. „Mit dem anstehenden Wechsel in den Ruhestand von Pfarrer Wolfgang Haberla soll St. Josef die zweite Pfarrei im Bistum Essen werden, in der eines der neuen Leitungsmodelle realisiert wird.“

Die Koordination von Gemeinden wird schon seit mehreren Jahren nicht mehr nur Hauptamtlichen, sondern auch ehrenamtlichen Teams übertragen. Ein solches ehrenamtliches Team ist etwa in der Gemeinde Heilige Familie auf der Margarethenhöhe bereits seit 2019 im Einsatz. Nun sucht das Bistum nach weiteren zukunftsfähigen Modellen mit nicht-geistlichen Hauptamtlichen, die auf ganze Pfarreien übertragbar sind, wenn auch dort Umstrukturierungen anstehen.

Neue Leitung ab September

„Mit einem neuen Leitungsmodell sichern wir zu, dass die Pfarrei St. Josef weiter eine Leitung vor Ort hat. Dabei kann es sich um eine hauptamtliche Seelsorgerin oder einen hauptamtlichen Seelsorger handeln – oder um ein Team“, erklärte Andrea Qualbrink, Referentin für Strategie und Entwicklung im Bistum Essen, im Gespräch mit den Pfarrei-Gremien. Begleitet werde der oder die Pfarrbeauftragte beziehungsweise das Team von einem sogenannten moderierenden Priester. Er unterstützt in allen Leitungsaufgaben und sorgt gemeinsam mit den Priestern im Pastoralteam für die Feier der Sakramente und der Eucharistie. „Es ist ein Zukunftsmodell, das sich viele Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche wünschen“, sagt Gerd Lübbe aus dem Kirchenvorstand. Die neue Pfarreileitung soll möglichst im September starten.