Essen. Nach dem Versand eines anzüglichen Fotos in eine interne WhatsApp-Gruppe pokert Noch-Ruhrbahn-Chef Uwe Bonan ums Geld. Doch es gibt ein Risiko.
Das wird ein ziemlich kurzer Termin, wenn sich der Aufsichtsrat der Ruhrbahn am Dienstag im Hotel Bredeney zur außerordentlichen Sitzung trifft. Eine Stunde zur Mittagszeit ist angesetzt, um „Geschäftsführerangelegenheiten“ zu besprechen. Geschäftsführerangelegenheiten, die so pikant sind, dass allein dafür schon die Präsenz der Damen und Herren benötigt wird. Und so wenig umstritten, dass auch fünf Minuten für die Erkenntnis reichen würden: Uwe Bonan muss gehen. Sofort. Aber zu welchem Preis?
Diese Frage füttert die Neugierde aller Mitwirkenden und Zaungäste, seit die Kunde von jenem ebenso anzüglichen wie geschmacklosen Foto die Runde macht, das Bonan am Pfingstsamstag an einem privaten Empfänger senden wollte, irrtümlich aber in eine WhatsApp-Gruppe leitender Ruhrbahn-Mitarbeiter schickte. Öffentlich und vorsätzlich verbreitet hätte es sich womöglich um eine Straftat gehandelt, aber es war ein Versehen, peinlich und unanständig, doch der Kreis der Empfänger mit zwölf Personen immerhin überschaubar.
Die große Frage: Wieviel vom Noch-Gehalt findet sich im Aufhebungsvertrag wieder?
Womöglich glaubte Bonan, seit 2017 Co-Chef des Essen-Mülheimer Nahverkehrsbetriebs und zuvor Kämmerer der Nachbarstadt, seine Entgleisung vor diesem Hintergrund herunterspielen zu können: Dem Vernehmen nach pochte er zunächst auf Erfüllung seines nach zähem Ringen erst Ende April um drei weitere Jahre bis Ende 2024 verlängerten Geschäftsführer-Vertrags.
Seit 2017 Zusammenarbeit mit Tücken
Die Ruhrbahn GmbH wurde vor vier Jahren gegründet, um die beiden Nahverkehrsbetriebe in Essen (Evag) und Mülheim (MVG) zu einer schlagkräftigeren Einheit zu vereinen.
Zumindest in kleinem Maßstab sollte dadurch Schluss sein mit der Kleinstaaterei im Nahverkehr, mit Parallelstrukturen und teuren Einzellösungen. Doch in der Praxis verfolgten die Städte bei ihren Nahverkehrsplänen nicht selten einen gegensätzlichen Kurs.
Gesellschafter sind die Stadt Essen mit einem Anteil von 5,77 %, die komplett städtische Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (EVV) mit 69,23 % und die Ruhrbahn Mülheim GmbH mit 25,0 %.
Denn der ist ausgesprochen lukrativ und rangiert in der Höhe unter den Essener Beteiligungen hinter Messe, Stadtwerken und Allbau auf dem vierten Platz. In Zahlen bedeutet dies laut Beteiligungsbericht 2020 für das zuletzt gemeldete Jahr 2019 ein Fix-Gehalt von 200.000 Euro – zuzüglich einer erfolgsbezogene Tantieme von 52.200 Euro. Obendrauf gab es 16.530 Euro geldwerten Vorteil für seinen Dienstwagen und eine Unfallversicherung als „Sachleistung“ im Werte von 411,98. Außerdem gehen 167.802 Euro als Aufwand für seine Altersvorsorge in die Rechnung ein.
Und nun fragen sich von den Bus- und Bahnfahrern bis zur versammelten Politikerschar, wieviel davon sich in Bonans Aufhebungsvertrag tatsächlich wiederfindet. Die Aufsichtsräte sind am Poker nicht beteiligt, können in den kommenden beiden Tagen aber Details des finalen Vertragsentwurfs einsehen, wenn sie im Geschäftsführungs-Sekretariat der Ruhrbahn vorbeischneien. Ausgehändigt bekommen sie die Vorlage nicht, damit das Papier nicht fotografiert und herumgereicht werden kann, womöglich noch per WhatsApp.
Keine Seite hat Interesse an einem öffentlichen Verfahren beim Arbeitsgericht
Ausgehandelt wurde der Aufhebungsvertrag von der Rüttenscheider Rechtsanwaltskanzlei Kümmerlein, die von den städtischen Beteiligungsverwaltungen in Essen und Mülheim beauftragt wurde, und Bonans Rechtsbeistand. Eine grundsätzliche Einigung ist nach Informationen dieser Zeitung bereits erzielt, weil die beiden Städte kein Interesse daran haben, die anstößige Affäre vor dem Arbeitsgericht langwierig und öffentlich auszutragen – und der 57-jährige Noch-Geschäftsführer Bonan schon gleich gar nicht.
Und so kommt der Aufsichtsrat der Ruhrbahn am Dienstag mit den Gesellschafts-Vertretern der Städte Essen und Mülheim und dem verbleibenden Geschäftsführer Michael Feller als Gästen ohne weiteres Tamtam zusammen: keine Powerpoint-Präsentation, kein dickes Akten-Konvolut. Nur eine kurze Genehmigung des Aufhebungsvertrags und der Beschluss, dass Aufsichtsrats-Chef Ulrich Beul das Papier im Namen des Gremiums unterschreiben darf.
Ende einer Dienstfahrt.