Essen. Nach Schummel-Vorwürfen gegen „MediCan“ macht die Baumarktkette Hellweg kurzen Prozess. Derweil warnt der OB vor einem „Schwarze-Peter-Spiel“.
Abzocke oder nicht? Noch gibt es keinen letztgültigen Beweis dafür, dass die Bochumer Firma „MediCan“ die Zahl ihrer Corona-Schnelltests in Essen und anderswo frisiert hat, um groß abzukassieren. Doch während man sich im hiesigen Rathaus schwer damit tut, die vermeintlichen Test-Schummler kaltzustellen, nimmt eine Baumarkt-Kette der Stadt die „Drecksarbeit“ ab: Hellweg hat „MediCan“ aufgefordert, seine 23 Test-Zelte auf markteigenen Parkplätzen sofort abzubrechen – das Aus für fünf der sechs Essener Standorte.
Übrig bliebe damit bis auf weiteres allein das Test-Zelt vor den Toren des Möbelriesen Ikea. Ob man auch dort auf eine Räumung drängt, war am Montag nicht in Erfahrung zu bringen.
„Erstmal prüfen“ heißt die Devise im Essener Rathaus
Die rigorose Linie von Hellweg, wo man an den Tests übrigens nicht mitverdiente, kommt der Stadt wie gerufen, weil sie ihr aus einer misslichen Klemme hilft: Hin und hergerissen zwischen der Unschuldsvermutung für die Verantwortlichen bei „MediCan“, öffentlichem Druck und der Suche nach dem „Schwarzen Peter“ wegen bislang fehlender Kontrollen bei den Corona-Schnelltests, hatte die Stadt die Devise „erstmal prüfen“ ausgegeben. Man sei dazu im Austausch mit der Kassenärztlichen Vereinigung, dem NRW-Gesundheitsministerium und der Stadt Münster, hieß es.
Fünf von 384 Teststellen müssen weichen
Stadtweit gibt es in Essen 384 Orte, an denen sich die Bürger einem Corona-Schnelltest unterziehen können.
Etwa die Hälfte davon werden bei Ärzten und Apothekern angeboten, 193 weitere werden in Restaurants, vor Baumärkten oder an mobilen Stellen angeboten.
„MediCan“ betrieb bislang sechs der 193 Test-Standorte und sieht sich in Medienberichten dem Vorwurf ausgesetzt, die Zahl der erfolgten Tests massiv geschönt zu haben.
Das klang ein bisschen nach „Zeit gewinnen“, während die Stadt im Westfälischen schon am Freitag der vergangenen Woche kurzen Prozess gemacht hatte. Denn kaum war der Vorwurf der Test-Schummelei gegen „MediCan“ in der Welt, kassierte Münster kurzerhand deren Test-Genehmigung ein: „Aufgrund mangelnder Kooperation sowie mehrfach inkorrekter Meldungen der Testzahlen“ habe man „eine mangelnde Zuverlässigkeit der Teststelle festgestellt“, hieß es da. Folge: „Da der ordnungsgemäße Betrieb der Teststelle nicht gewährleistet werden kann, hat das Gesundheitsamt der Stadt die Beauftragung mit sofortiger Wirkung entzogen.“
Oberbürgermeister Kufen: „Kein Interesse, in ein ,Schwarzer-Peter-Spiel’ einzusteigen“
Die Kündigung sei einseitig erfolgt, heißt es auf Nachfrage in Münster: Angedrohte Schadensersatzklagen gebe es nicht.
Unterdessen macht Oberbürgermeister Thomas Kufen deutlich, dass er „kein Interesse“ daran hat, angesichts der Frage, wer denn da nun wen zu kontrollieren habe, „in ein ,Schwarzer-Peter-Spiel’ einzusteigen“. Das aber ist längst im Gange: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sieht eine Kontrollpflicht bei den städtischen Gesundheitsämtern und den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Die Stadt wiederum betont, dass sie zwar für die Hygiene in den Teststellen verantwortlich zeichnet, aber „nie in die Abrechnung der Schnelltests und den Zahlungsverkehr eingebunden“ war, so der OB.
Und Sven Ludwig, Pressesprecher der KV Nordrhein wiederum, betont, diese könne in der Flut der Aufgaben nur formale Aspekte prüfen: Bei der Kontrolle der Testzahlen „sind wir nicht in der Verantwortung“.
Montgomery: Eine „schlampige“ Verordnung, die „zu Betrug auffordert“
Schützenhilfe bekommen Städte wie Kassenärztliche Vereinigungen vom Chef des Weltärzteverbands, Frank Ulrich Montgomery: Dieser beklagt eine „schlampige“ Verordnung zur Regelung der Corona-Testzentren, die geradezu „zu Betrug auffordert“. Es sei „unverschämt“ von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Kontrolle auf Gesundheitsämter und Kassen abschieben zu wollen, so Montgomery. Während dieser für einen „Bürokratiemarathon beim Impfen“ gesorgt habe, falle ihm jetzt seine „Wurstigkeit beim Testen“ auf die Füße.