Essen. Per Losentscheid durften wieder Zuschauer ins Stadion Essen. Nun braucht RWE Glück im Aufstiegskampf. Die Fans sind trotzdem stolz auf ihr Team.

„Endlich wieder Fußball“. Endlich wieder Fußball im Stadion. So wie Ulrich Schacht (69) und sein Sohn Daniel (44) empfinden es wohl die allermeisten, die am Mittwochabend an der Hafenstraße dabei sein dürfen – beim Spiel von Rot-Weiss Essen gegen die Spielfreunde aus Lotte.

Daniel Schacht (44) und Ulrich Schacht (69) (v.l.) sind einfach nur froh, dass sie mal wieder ein RWE-Spiel im Stadion sehen dürfen.
Daniel Schacht (44) und Ulrich Schacht (69) (v.l.) sind einfach nur froh, dass sie mal wieder ein RWE-Spiel im Stadion sehen dürfen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Erstmals seit Monaten sind wieder Fans im Stadion. Es ist das letzte Heimspiel dieser in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Saison. 500 Plätze hatte RWE unter den Besitzern einer Dauerkarte verlost. Auch wer vollständig geimpft oder von einer Infektion mit dem Coronavirus genesen ist und eine Dauerkarte hat, darf hinein. 797 Zuschauer sind es schließlich, vermeldet Stadionsprecher Walter Ruege, was sich ein bisschen so anfühle wie rot-weiße Normalität.

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Auch Ulrich Kantert (65) gehört zu den Glücklichen. Wie alle anderen muss er bei der Einlasskontrolle neben der Eintrittskarte und einem Ausweis einen negativen Corona-Test vorlegen. Seit seinem neunten Lebensjahr geht er zu RWE, seit 41 Jahren ist er Vereinsmitglied. „Ich freue mich, dass man mich ausgelost hat“, sagt Kantert.

5000 RWE-Fans haben eine Dauerkarte gekauft ohne zu sicher sein, ins Stadion zu dürfen

5000 RWE-Fans hatten vor dem Saisonstart eine Dauerkarte gekauft, ohne sicher sein zu können, auch nur ein einziges Spiel im Stadion miterleben zu können. „Man muss den Verein doch unterstützen“, findet auch Rainer Eichstädt (77), der schon Anfang Oktober beim Spiel gegen die zweite Mannschaft von Fortuna Düsseldorf dabei war, als 5000 Zuschauer zugelassen waren. Auch diesmal hat es die Losfee gut mit ihm gemeint.

Rainer Eichstädt (77) aus Langenberg besucht die Heimspiele sonst mit Freunden. Nur er hatte das Glück, ausgelost zu werden.
Rainer Eichstädt (77) aus Langenberg besucht die Heimspiele sonst mit Freunden. Nur er hatte das Glück, ausgelost zu werden. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Sein Schwiegersohn habe ihn zu RWE gebracht, erzählt der gebürtige Kölner, der in Langenberg wohnt. Gemeinsam mit Freunden besucht er die Spiele die Hafenstraße. Die meisten hat er im Livestream am Computer verfolgt. Auch nicht schlecht, aber kein Vergleich zum Live-Erlebnis. „Die sammeln Punkte wie nix“, sagt der 77-Jährige zum Saisonverlauf. „Schade, dass sie am Ende wahrscheinlich mit leeren Händen dastehen.“ Trotzdem sei er in der nächsten Spielzeit wieder dabei, „in der Schweineliga“, sagt Eichstädt und schickt den Freunden in Langenberg noch schnell per Whats-App ein paar Fotos.

Ein Transparent am Zaun schickt einen letzten Gruß an den Fußballgott

Die Fans dürfen auf der Rahn-Tribüne Platz Platz nehmen. RWE hatte sich davon etwas mehr Stadion-Atmosphäre erhofft, wie Sprecher Niclas Pieper vor dem Anpfiff erläutert. Außerdem ließen sich die Vorgaben der Corona-Schutzverordnung so einfacher erfüllen. Die Haupttribüne bleibt den Offiziellen und Pressevertretern vorbehalten.

Die Stehränge auf der Alten West sind verwaist. Ein Transparent am Zaun schickt einen letzten Gruß an den Fußballgott herüber, der RWE zum Saisonende verlässt: „Immer alles gegeben. Danke Marcel Platzek.“ Als „Opa Luscheskowski“ aus den Lautsprechern dröhnt, begleiten es die Fans mit rhythmischem Klatschen. Man ahnt, was im Stadion los wäre ohne Corona-Pandemie.

Ein Fan vergleicht RWE mit dem großen FC Liverpool

Helmut Schütte (76) und Dirk Schütte (56) (v.l.) gehen seit 40 Jahren zu RWE: „Mund abputzen und nächstes Jahr aufsteigen.“
Helmut Schütte (76) und Dirk Schütte (56) (v.l.) gehen seit 40 Jahren zu RWE: „Mund abputzen und nächstes Jahr aufsteigen.“ © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Erstaunlich: Dass RWE den ersehnten Aufstieg nicht mehr in den eigenen Händen hält, ja fast schon verspielt hat, scheint die Freude auf den Abend kaum zu trüben. „Da eine Aktiengesellschaft einfach mehr Geld investiert“, sagt Dirk Schütte (56) und meint Borussia Dortmund. Deren zweite Mannschaft hat zwei Spiele weniger ausgetragen als die Essener und im Aufstiegskampf die besseren Karten.

Dirk Schütte (56) zuckt mit den Schultern. Seit 40 Jahren geht er mit seinem Vater Helmut Schütte (76) zu RWE. So etwas härtet ab, und Kummer ist man als Rot-Weisser ja gewohnt. Schütter erinnert an den großen FC Liverpool, der in einer Saison kein einziges Spiel verlor und doch nur Zweiter wurde. RWE wäre also in guter Gesellschaft. Also: „Mund abputzen und nächstes Jahr aufsteigen“, sagt Schütte.

Die Situation im Aufstiegsrennen

Mit dem Sieg über die Sportfreunde Lotte hat Rot-Weiss Essen die Spannung im Aufstiegskampf noch einmal hoch gehalten. RWE führt die Tabelle mit einem Punkt Vorsprung an, hat aber noch ein Spiel vor sich. Verfolger Borussia Dortmund II spielt noch drei Mal. Holen die Dortmunder von neun möglichen Punkten mindestens fünf wären sie Meister der Regionalliga West.

Am Ende des Abends besiegen die Rot-Weissen die Sportfreunde Lotte mit 5:2. „Spitzenreiter, Spitzenreiter“, schallt es von den Rängen. In der Tabelle ist es eine Momentaufnahme. Die Entscheidung um den Aufstieg ist noch einmal vertagt. Die RWE-Fans singen: „Wir sind stolz auf unser Team.“ Wie auch immer die Saison ausgeht.