Essen. Seit Sonntag gelten für Geimpfte und Genesene neue Regeln. Sehnsüchte gibt es trotzdem viele. Ein Stimmungsbild vom Essener Baldeneysee.

Wilhelm Müller sitzt entspannt auf der Tribüne am Baldeneysee und sonnt sich. Er ist bereits zum zweiten Mal geimpft und freut sich über die neue Corona-Verordnung, die am Sonntag bundesweit in Kraft getreten ist. Für Geimpfte und Genesene gilt nun unter anderem keine Ausgangssperre mehr und auch Kontakte im privaten Umfeld sind nicht mehr eingeschränkt. „Ich freue mich, meine Freunde wieder sorgenfrei treffen zu können. Das ist ein beruhigendes Gefühl. Aber ich würde gern mal wieder ins Kino“, erzählt der 80-Jährige.

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Spaziergänger Rainer Wiepenbrock fehlen die Restaurantbesuche. Aber auch er fühlt sich seit seiner ersten Impfung viel entspannter: „Ich hatte ein bemerkenswertes Aha-Erlebnis. Auf einmal habe ich mich viel entlasteter gefühlt. Ich kann zum Beispiel wieder ohne Test einkaufen und habe keine riesige Angst mehr, mich anzustecken.“ Seine Begleitung Jutta Seemann-Wolf hat es vor allem vermisst, ihre Mutter fest in den Arm zu nehmen. „Die Einsamkeit war schrecklich für mich. Ihr habt mir enorm gefehlt“, pflichtet ihr ihre 90-jährige Mutter Waltraud Willms bei.

Ob Sport, Reisen oder Gastronomie: Essener vermissen vor allem ihre sozialen Kontakte

Ob Sport, Reisen oder Gastronomie: Essener vermissen vor allem ihre sozialen Kontakte und „das Ausgelassene“. Hans-Dieter Reinsdorff fehlt die körperliche Bewegung. Am Sonntag hat er sich deshalb spontan zu einer Fahrradtour am Baldeneysee verabredet. „Nur untätig zuhause zu hocken, ist doch eine Katastrophe“, sagt der 72-Jährige, der normalerweise als Fitnesstrainer im Rehasport arbeitet. Geimpft sei er noch nicht. Sein Kollege Udo Szesny vermisst das Reisen: „Ich wäre eigentlich im letzten Monat nach Kuba geflogen. Wenn ich geimpft bin, hole ich das nach“, verrät er.

Udo Havenith freut sich auf seine zweite Impfung
Udo Havenith freut sich auf seine zweite Impfung © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Udo Havenith ist schon einmal geimpft und freut sich auf die zweite Spritze Ende Mai. Gerne würde er mit seinem Sohn einmal wieder ein Restaurant besuchen. Aber ein sonniger Tag auf der Regattatribüne am Baldeneysee, das ist ja schon mal was.

Wenige Meter entfernt sitzen Kirsten und Marie Almenräder und Brigitte Möller mit Hund Ike. Die drei vermissen die Cafés am Baldeneysee. Die haben leider geschlossen und so tut es an diesem sonnigen Sonntag die Tribüne. Ihr Frühstück haben sich die drei mitgebracht.

Klaus Wehmüller würde ebenfalls gerne wieder ins Fitnessstudio gehen. „Ich mache seit über einem Jahr gar keinen Sport mehr“, sagt der 69-Jährige, während er sich auf die Tribüne setzt. Mindestens dreimal in der Woche habe er vor Beginn der Pandemie die Hanteln gestemmt. „Erst trainieren, dann Sauna, danach Kneipe – mit meinen Kollegen“, fasst der Rentner aus Steele deshalb seinen perfekt imaginierten Tag zusammen und lacht.

Claudia Eilmers-Post sehnt sich nach ihren Freunden. Die Kinder Ben, Karla und Summer würden gerne mal wieder schwimmen gehen.
Claudia Eilmers-Post sehnt sich nach ihren Freunden. Die Kinder Ben, Karla und Summer würden gerne mal wieder schwimmen gehen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Mutter Claudia Eilmes-Post sehnt sich nach ihren Freunden. „Zusammen im Café sitzen und quatschen, gemeinsam essen gehen, feiern. Einfach mal wieder ausgelassen sein“, antwortet die 42-Jährige auf die Frage, was sie am meisten in der Corona-Zeit vermisst. Unter den Kindern kommt bei den sommerlichen Temperaturen am Sonntag besonders ein Wunsch auf: „Schwimmen gehen“, ruft die fünfjährige Tochter Karla Eilmes-Post auf ihrem Roller.

Mehr Freiheiten für Geimpfte und Genesene

Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung der Bundesregierung entfällt auch die Quarantänepflicht für Geimpfte und Genesene bei Reisen. Ausnahmen gelten für Virusvarianten-Gebiete. Bereits seit vergangenem Montag gelten in NRW neue Regeln für Menschen mit vollständigem Impfschutz oder einer Genesung.Die Testpflicht zum Beispiel beim Einkaufen oder Friseur entfällt seitdem für diejenigen, die seit 14 Tagen einen vollständigen Impfschutz haben oder durch einen mindestens 28 Tage alten positiven PCR-Test nachweisen können, dass sie bereits eine Corona-Infektion überstanden haben.

Den Wunsch hatten Vater Andreas und Sohn Neo Cziesklik nicht, sie sitzen aber trotzdem im nassen Neoprenanzug am Ufer des Baldeneysees. „Wir wollten mal wieder Stand-Up Paddeln. Aber wir sind ein paar Mal ins Wassergefallen“, verraten sie und zeigen auf die Boards, auf denen bei der Wassersportart im Stehen gepaddelt wird. Der 13-jährige Neo vermisst aber etwas Anderes: „Unsere großen Familienfeiern und tatsächlich auch die Schule“, und sein Freund Tom Kaltenegger nickt zustimmend.