Essen/Oberhausen/Mülheim. Beschäftigte aus Oberhausen, Essen und Mülheim waren aufgerufen, an der besonderen Mai-Kundgebung des DGB teilzunehmen – im Autokinoformat.
Normalerweise begehen die Gewerkschaften den Maifeiertag mitten in der Oberhausener, Essener oder Mülheimer Innenstadt – getrennt voneinander auf dezentralen Kundgebungen. Doch coronabedingt musste der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Essen-Mülheim-Oberhausen eine gemeinsame Veranstaltung in der Region weit vor die Tore der beteiligten drei Städte verlegen: auf den Messeparkplatz P 10 nahe dem Flughafen Essen/Mülheim.
Trotzdem war DGB-Regionalgeschäftsführer Dieter Hillebrand gut aufgelegt: „Ich bin mit der Resonanz sehr zufrieden, wir haben gut 300 Autos gezählt.“ Deren Insassen ließen immer wieder mal ihre kräftigen Autohupen tönen, wenn ihnen eine Forderung der zahlreichen Redner auf der kleinen Bühne an die Politik im Bundestagswahljahr besonders gut gefiel.
Kundgebung im Autokino-Format: Gezählt werden 500 Teilnehmer
„Solidarität ist Zukunft“ lautet in diesem Jahr das 1. Mai-Motto der Gewerkschaften. Wobei die DGB-Jugend mit Lucas Rose und der Aktion „Press Start!“ den Älteren mächtig einheizte und nicht länger warten will, bis die Zukunft endlich kommt: „Es geht um unser Jetzt! Fachkräfte ausbilden oder Profite abdrücken! Faire Verteilung statt fette Boni! Klimakrise heißt Gerechtigkeitskrise! Weniger Work, mehr Life! BAföG hoch und Mieten runter!“
Hauptrednerin war die langjährige DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer, die das Ruhrgebiet übrigens sehr gut kennt. „Mein Großvater und mein Onkel waren Kruppianer, Essen und Mülheim waren für mich in meiner Jugend eine zweite Heimat“, sagte die Gewerkschafterin. Auf der Bühne prangerte sie den Sozialabbau in Deutschland an. „Die Corona-Pandemie zeigt es wie in einem Brennglas: Der Abbau sozialstaatlicher Leistungen in den vergangenen Jahren verschärft die soziale Spaltung. An der guten wirtschaftlichen Entwicklung seit der Finanzkrise 2008/2009 konnten die sozial Schwächeren am wenigsten teilhaben.“ Der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohn-Sektor oder ohne Arbeitsplatz bleibe seit Jahren bei 20 Prozent.
Ursula Engelen-Kefer fordert 100-Euro-Zuschlag monatlich für Hartz-IV-Empfänger
Engelen-Kefer hält deshalb den Mindestlohn trotz aller jüngsten Erhöhungen auf 10,45 Euro ab dem Jahr 2022 für viel zu niedrig. „Erforderlich, um Armut bei Arbeit zu verhindern, ist ein Mindestlohn von jetzt 12 bis 13 Euro, der jährlich steigen muss.“ In der Corona-Krise sei zudem ein Mindest-Kurzarbeitergeld nötig.
Die 77-jährige Gewerkschafterin fordert die Aufhebung der Schuldenbremse für die staatlichen Haushalte, außerdem plädiert sie für eine „gerechtere Steuerpolitik“ einschließlich der Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Von den Reichen verlangt sie eine einmalige Vermögensabgabe zur Finanzierung der Kosten, die die Corona-Pandemie dem Staat aufgebürdet hat.
Gleichzeitig müsse die Lage von Hartz IV-Empfängern deutlich verbessert werden. „Die im Mai erfolgende einmalige Zahlung von 150 Euro ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Für die steigenden Ausgaben in Corona-Zeiten ist ein Zuschlag von 100 Euro im Monat erforderlich.“ Engelen-Kefer erhielt von den Kundgebungs-Teilnehmern ein besonders lautes Hupkonzert, an dem sich die Radler mit ihren Fahrradklingeln beteiligten.
DGB-MEO-Regionalgeschäftsführer Dieter Hillebrand dringt in der Region auf Investitionen der Kommunen, sobald sich die Corona-Lage spätestens im Herbst normalisiert habe. „Die Städte dürfen nicht kürzen, wir kämpfen dafür, dass sie die Infrastruktur verbessern.“
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler, kritisierte die seiner Ansicht nach miserablen Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in der Fleischindustrie wie etwa bei Tönnies.
Kundgebung im Autokino-Format bedeutete an diesem Maifeiertag: Die Teilnehmer hörten die Reden im Autoradio über die Frequenz Ultrakurzwelle 106. Laute Hupkonzerte ersetzten den Beifall von Hand. Insgesamt zählte der DGB 500 Teilnehmer, einige waren mit dem Fahrrad gekommen.