Essen. Als Risikopatientin hält sich Dagmar Kauschka seit einem Jahr fast nur zu Hause auf. Wie sich das anfühlt und was ihr größter Wunsch ist.

Luftnot ist Dagmar Kauschka nicht erst seit der Corona-Pandemie ein Begriff: Die 68-Jährige leidet seit Jahren unter einer schweren Lungenerkrankung. Als Risiko-Patientin wartet sie sehnsüchtig auf etwas mehr Normalität nach der Impfung.

„Ich möchte nicht den Rest meines Lebens in der Wohnung verbringen“, sagt Dagmar Kauschka. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist ihr Alltag noch eingeschränkter als durch ihre Krankheit ohnehin schon. „Ich gehe so wenig wie möglich raus, höchstens mal auf den Balkon“, erzählt sie. „Mein Mann erledigt die Einkäufe meist alleine.“ Zu groß sei die Sorge vor einer Infektion mit dem Coronavirus. Denn Kauschkas Lunge ist ohnehin schon stark geschwächt, seit mehreren Jahren ist sie auf ein Sauerstoffgerät angewiesen.

Schwere Lungenerkrankung zwingt ans Sauerstoffgerät

Lungenfibrose heißt die Krankheit, die ihr das Luft holen mehr und mehr erschwert. „Das Lungengewebe vernarbt durch die Erkrankung, dadurch können Patienten schlechter atmen“, erklärt die Essenerin. „Jede Lungenentzündung, jeder schwere Infekt kann für die Patienten tödlich sein.“ Sie redet von Patienten, weil sie nicht nur sich selbst im Blick hat, sondern viele andere Betroffene. Kauschka leitet eine Selbsthilfegruppe, in der sich Erkrankte aus ganz Nordrhein-Westfalen austauschen. Normalerweise.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

„In der Gruppe haben wir uns fast ein Jahr nicht mehr gesehen, dabei gibt es gerade jetzt sehr viel Gesprächsbedarf“, sagt Kauschka. Den anderen Mitgliedern gehe es wie ihr, sie schränken ihr Leben noch mehr ein, um Risiken zu vermeiden. Doch nicht jeder lebe in einer Partnerschaft oder habe Familienmitglieder in der Nähe, die Supermarktbesuche und andere Besorgungen erledigen könnten. Dabei fühlen sie sich fast alle unwohl dabei. „Wenn ich sehe, wie unvernünftig manche Menschen sind, habe ich noch mehr Sorge vor einer Ansteckung“, sagt Kauschka. Wenn sie mal rausgehe, beobachte sie Menschen, die Abstände und andere Regeln nicht einhielten.

Hoffnung auf mehr Nähe zu den Enkeln

Deshalb kann Kauschka ihre Impfung kaum erwarten. In der ersten Mai-Woche wird es so weit sein, dann bekommt sie die erste Dosis des Biontech-Impfstoffes bei ihrem Hausarzt. Danach heißt es noch warten, bis auch die zweite Dosis gesetzt ist und ihre Wirkung entfaltet. „Die Hoffnung ist, dass das Leben dann wieder etwas normaler wird.“ Die Familie ohne Abstand und Angst treffen, die beiden Enkelsöhne endlich wieder in die Arme schließen, das wünscht sie sich.

Die 6 und 8 Jahre alten Enkel sehen sie und ihr Mann aktuell viel seltener, als sie es gerne würden. Und wenn, dann nur auf Abstand. Auf Opas Schoß sitzen ist in Corona-Zeiten nicht drin. „Wenn man dann wieder wegfährt und nur von Weitem winken kann, hat man schon Pipi in den Augen“, sagt Kauschka. Doch aktuell gehe die Sicherheit eben vor. Wirklich beruhigt sei sie auch erst, wenn ihr Mann ebenfalls eine Impfung erhalten habe. Die Aufhebung der Priorisierung hält sie erst dann für angebracht, wenn die Risikogruppen versorgt seien. „Alle chronisch kranken und behinderten Menschen, die die Impfung dringend brauchen, sollten auch wirklich zuerst geimpft werden“, fordert Kauschka.

Für die Zeit des Stillstands hat sich Kauschka eine Nähmaschine angeschafft. Mal wieder selbst im Stoffladen stöbern zu können, darauf freut sie sich ebenfalls. Genauso wie auf einen Besuch im Biergarten oder ein Essen mit Bekannten, auf persönliche Treffen in der Selbsthilfegruppe.