Essen. Etwa 30 Schalke-Fanclubs gibt es in Essen – von „Völlig blau Altenessen“ bis „Libuda seine Enkel“. Warum sie wütend und nicht traurig sind.
Schalke-Fanclubs im Essener Stadtgebiet trauern um ihren Verein, der in die Zweite Liga absteigt. Doch statt reiner Niedergeschlagenheit spüren die meisten Fans bittere Wut. „Beim letzten Abstieg 1988 war es viel dramatischer“, erinnert sich Rainer Pokorny (66), zweiter Vorsitzender des Frohnhauser Fanclubs „Jedermann Blau und Weiß“. „Damals war man trauriger, weil der Abstieg erst viel später in der Saison feststand.“ In dieser hoffnungslosen Saison hingegen „hatte man ja ein halbes Jahr Zeit, um sich auf den Abstieg vorzubereiten“.
„Jedermann Blau und Weiß Essen-Frohnhausen“ ist einer von geschätzt 30 Schalke-Fanclubs in der Stadt, „wir sind nur zehn Mann, sozusagen ein Familienbetrieb“, scherzt Pokorny. Der Verein besteht seit 2010, und seit die Kneipe vor sechs Jahren schloss, in der man sich regelmäßig traf, ist der Club ohne Domizil. „Wir treffen uns immer bei Heimspielen direkt vorm Stadion.“ Hat man denn nie versucht, ein neues Stammlokal zu finden? „Doch, aber das ist schwierig hier in Frohnhausen, hier sind die Gaststätten rot-weiß und schwarz-gelb dominiert.“
Schöne Fanclub-Namen: „Libuda seine Enkel“, „Völlig blau Altenessen“
Weitere Fanclubs der Königsblauen sind kreuz und quer im Stadtgebiet verteilt: Auf der Ruhrhalbinsel gibt es einen Club mit dem hübschen Namen „Libuda seine Enkel“, im Norden einen Verein mit dem noch schöneren Namen „Völlig blau Altenessen“. Der Name sei selbstverständlich nicht Programm, heißt es auf der Internetseite des Vereins.
Überhaupt, im Norden, nah an der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen, sind wohl die meisten S04-Fanclubs zu Hause. Klaus-Peter Scholz, CDU-Chef im Stadtbezirk VI (Schonnebeck, Katernberg, Stoppenberg) und nach eigenem Bekunden Schalke-Fan seit 1958, weiß, dass in den Katernberger Kneipen Viktoria-Klause und Beisenschänke regelmäßig blau-weiße Fantreffen stattfinden. Was seit Corona naturgemäß schwieriger sei. Doch auch ohne die Pandemie sind offenbar viele Fanclubs schon vor Jahren in Kleingärten oder in die Vereinsgastronomien heimischer Sportclubs ausgewichen: „Als unsere Kneipe zumachte, sind wir ins Jugendhaus des FC Karnap gewechselt“, berichtet Peter Schwamborn, Vorsitzender des Schalke-Fanclubs „Carnap 2001“. 27 Mitglieder zähle man derzeit, „die kommen aber von überall her“, und Schwamborn fällt nur ein Rezept ein für den sofortigen Wiederaufstieg: „Neue Spieler müssen her. Sofort.“
Fanclub-Vorsitzender über Tönnies: „Wer viel arbeitet, macht auch mal Fehler“
Pokorny in Frohnhausen hat eher den Eindruck, dass für Schalke zuletzt „viel zu viele Söldner spielten, keine echten Schalker mehr wie Fährmann“; außerdem fehle dem Club „die starke Hand, die führt. Da macht doch jeder, was er will.“ Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies, nach seinem Abgang umstrittener denn je, habe „durchaus gute Seiten“ gehabt, findet Pokorny: „Wenn der gesprochen hat, haben alle zugehört. Und er hat viel gearbeitet. Wer viel arbeitet, macht auch mal Fehler.“ Pokorny hat in den letzten Monaten seinen Malocherklub auf dem Platz kaum wiedererkannt: „Kein Kampf, kein Aufbäumen“, und dass es ernst wird in dieser Saison, stand schon letzten Herbst fest, „da hat man den Trainer Wagner viel zu spät entlassen“.