Essen. Schwerer Vandalismus auf dem Altenessener Nordfriedhof: 100 Gräber wurden verwüstet, eine Bergmann-Skulptur gestohlen. Kriminalpolizei ermittelt.
Auf dem Nordfriedhof in Altenessen ist es am Wochenende zu schwerem Vandalismus gekommen. Über 100 Gräber wurden zerstört und eine Skulptur, die an Verstorbene eines Bergbauunglücks erinnert, gestohlen.
Fast jeden Tag kommt Helmut Wierschalka zum Nordfriedhof in Altenessen und besucht die Gräber seiner Familie. So auch am Montag, 19. April. Als der 74-Jährige an diesem Mittag vor dem Grab seiner Eltern steht, geht ihm immer wieder dieselbe Frage durch den Kopf: „Wie kann man so etwas nur machen?“
Der Engel und ein Herz aus Stein liegen umgekippt neben dem Grabstein. Eine Lampe wurde umgestoßen, ihr Glas ist zersprungen: Das Grab seiner Eltern ist eines von über 100, das laut Friedhofsleiter am Wochenende zerstört wurde. „So etwas hat es hier noch nie gegeben“, sagt Jan Schwermann über den schweren Vandalismus. Doch nicht nur die Anzahl der betroffenen Gräber schockiert ihn: Die Kupfer-Skulptur des trauernden Bergmanns wurde gestohlen.
Statue des trauernden Bergmanns gestohlen
Die 2,5 Meter hohe Statue erinnert an die Opfer des Grubenunglücks am 26. Juni 1942 auf der Zeche Fritz-Heinrich. 45 Bergarbeiter kamen dabei ums Leben. Wie auf vielen anderen Friedhöfen gedenkt die Skulptur des Bergmanns, der die Grubenlampe löscht, Bergarbeitern, die ein Bergwerksunglück nicht überlebten, so Christoph Wilmer.
Der Ortshistoriker war am Sonntag auf dem Nordfriedhof, um Fotos der Gräberfelder zu machen. Dabei bemerkte er das Fehlen der Statue. Er sei jedoch nicht davon ausgegangen, dass es sich um einen Diebstahl handle, so Wilmer, der sich per Mail bei der Friedhofsleitung nach der Statue erkundigt.
„Die Täter müssen sie mit Werkzeug abmontiert haben und haben sie dann in die Büsche daneben fallen lassen“, vermutet Friedhofsleiter Schwermann. Wie die schätzungsweise rund 300 Kilo schwere Statue abtransportiert werden konnte, bleibt für ihn ein Rätsel. Er vermutet, dass die Täter eine Sackkarre benutzt haben.
Lampen, Skulpturen und Grabsteine zerstört
Bei ihrer morgendlichen Kontrollrunde um 7 Uhr über den Friedhof sei seinen Mitarbeitern sofort klar gewesen, dass etwas nicht stimmte: In der Nähe des Feldes 39, auf dem Frühchen gegraben sind, wurden Gullys abmontiert und auf dem Gehweg verteilt. Daneben fanden sie zerstörte Schalen, die bepflanzt werden sollten, und jede Menge Müll.
Schnell stand fest: „Die waren fast überall auf dem Friedhof“, so Schwermann. Es komme zwar immer mal wieder zu Vandalismus-Vorfällen, „aber nicht in dieser Masse, das sticht absolut hervor.“ Lampen, Skulpturen und Grabsteine wurden umgetreten, Blumen auf den Wegen verteilt.
„Ein betroffenes Grab wird nur mit LEDs beleuchtet. Der Grabstein war aber voll mit Kerzenwachs. Die Täter müssen also extra die Kerze eines anderen Grabes genommen haben, um es zu beschädigen“, berichtet der Friedhofsleiter.
Zeugen gesucht
Die Kriminalpolizei sucht Zeugen, die am Wochenende auf dem Nordfriedhof oder in der näheren Umgebung verdächtige Beobachtungen gemacht haben.
Sie bittet um Hinweise unter der Telefonnummer 0201 8290. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass es sich um mindestens zwei Täter handelt.
Kriminalhauptkommissar: „Mir fehlen die Worte.“
Während die Friedhof-Mitarbeiter sich einen Überblick verschafften, informierte eine Betroffene bereits die Essener Polizei, die sich am Morgen vor Ort war. „Mir fehlen wirklich die Wort. Es ist fassungslos, in welcher Art und Weise die Ruhestätten ohne Rücksicht auf Hinterbliebene verwüstet wurden“, sagt Polizeihauptkommissar und Pressesprecher Marco Ueberbach.
Die Ermittlungen laufen noch, weder zum genauen Tathergang noch zum Tatzeitpunkt kann die Polizei Näheres sagen. Unklar ist außerdem, ob ein Zusammenhang zwischen den verwüsteten Gräbern und dem Diebstahl der Skulptur besteht, so Ueberbach. Die Motive sind unklar. Täter, die Skulpturen klauen, hätten es oft auf Metall abgesehen.
Sachschaden: Mehrere Hunderttausend Euro
Friedhofsleiter Schwermann ist erstaunt darüber, dass anders als bei vorherigen Vandalismus-Fällen keine wertvollen Gegenstände an den Gräbern selbst, wie beispielsweise Buchstaben aus Marmor, geklaut wurden. Er rechnet mit mehreren Hundert Euro Schaden pro Grab, den Wert der Skulptur kann er nur schätzen. Insgesamt liege der Sachschaden bei mehreren Hunderttausend Euro. „Die Statuen haben einen hohen emotionalen Wert im Ruhrgebiet“, betont Ortshistoriker Wilmer.
Friedhofsleiter Schwermann rechnet mit einer „Flut an Beschwerden“. Er habe bereits Anzeige wegen Vandalismus und Sachbeschädigung erstattet, der Diebstahl der Bergmann-Statue meldete er der Polizei separat.