Essen. Der soziale Arbeitsmarkt bietet Langzeitarbeitslosen die Chance, wieder in einen Job zu kommen. Ein Beispiel dafür ist Thomas Mekelburg aus Essen.
Thomas Mekelburg ist ein geduldiger Tüftler. Sein jüngster Problemfall: ein selbstspielendes Klavier, das mit einer Unterdruckmechanik funktioniert. Der 54-Jährige steht mit der Faust in der Hüfte vor dem kaputten alten Schätzchen und erklärt wortreich, wie die Technik funktioniert. Für Außenstehende wird schnell klar: Das hier ist Mekelburgs Element. Wenn jemand diesem Klavier wieder Töne entlocken kann, dann Herr Mekelburg, sagt auch sein Chef Peter Thies. „Er ist unser Problemlöser.“
Thomas Mekelburg arbeitet seit einem Jahr in der Klavierwerkstatt von Peter Thies am Waldthausenpark in der Innenstadt. Seine berufliche Vita ist lang: gelernter Einzelhandelskaufmann, EDV-Kaufmann, Umschulung zum Zahntechniker, selbstständig als Hersteller von Modelleisenbahnen, Werkstoffprüfer.
Zuletzt war er jedoch mehrere Jahre arbeitslos, schlug sich unter anderem mit einem Ein-Euro-Job bei der Diakonie durch. Trotzdem galt Thomas Mekelburg als langzeitarbeitslos und war auf Hartz IV angewiesen.
Teilhabe-Chancengesetz bietet Arbeitgebern hohe Förderung
Bei Peter Thies hat er nun eine neue berufliche Chance bekommen. Der Geschäftsführer der all-about-music GmbH suchte im vergangenen Jahr über das Jobcenter einen Helfer für Klavierbau. Als Thomas Mekelburg die Stellenanzeige am schwarzen Brett im Jobcenter entdeckte, war für den Hobbymusiker klar: „Das könnte etwas für mich sein.“
Seine Stelle in der Klavierwerkstatt wird drei Jahre über das so genannte Teilhabe-Chancengesetz gefördert. Dieses Programm gibt es seit zwei Jahren. Es soll Langzeitarbeitslosen, die sechs Jahre und länger keinen Job mehr haben, helfen, wieder ins reguläre Arbeitsleben zurückzufinden.
Thomas Mekelburg ist während der Zeit voll sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Arbeitgeber wie Peter Thies bekommen die ersten beiden Jahre die Lohnkosten zu 100 Prozent vom Staat, danach fallen die Zuschüsse schrittweise auf 90, 80 und 70 Prozent. Die Idee dahinter: Besser Arbeit zu finanzieren als Arbeitslosigkeit, in der Hoffnung, dass die Teilnehmer nach Ablauf der Förderung im Betrieb bleiben können.
Über 700 langzeitarbeitslose Essener haben wieder Arbeit
722 ehemals Langzeitarbeitslose in Essen werden derzeit über das Teilhabe-Chancengesetz beschäftigt. Der Leiter des Jobcenters, Dietmar Gutschmidt, ist zuversichtlich, dass es bis Ende des Jahres 800 Personen sein werden. „Trotz Corona laufen die Vermittlungen noch erstaunlich gut“, so Gutschmidt.
Mehr als die 800 Plätze gibt der Arbeitsmarkt in Essen aber kaum her. Denn zur Wahrheit gehört, dass gerade die Privatwirtschaft dem Jobcenter nicht die Türen einrennt. Der überwiegende Teil der Langzeitarbeitslosen ist bei Wohlfahrtsverbänden oder sozialen Einrichtungen untergekommen. Dagegen haben gerade einmal 207 Langzeitarbeitslose wie Thomas Mekelburg in Unternehmen einen Job gefunden. Es sind vor allem die kleinen, meist inhabergeführten Firmen, die offen dafür sind.
Auch wenn die Teilnehmerzahl bei über 15.000 Langzeitarbeitslosen in Essen überschaubar ist, hält Gutschmidt den sozialen Arbeitsmarkt für eine wichtige Säule, um Menschen wieder Perspektiven zu geben. Das bundesweite Programm läuft testweise über fünf Jahre. Doch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil denkt bereits darüber nach, es zu entfristen. Gutschmidt ist dafür.
Unternehmer richtet Appell an andere Inhaber
Peter Thies macht derweil keinen Hehl daraus, dass auf Unternehmer einige Arbeit zukommt, wenn sie einen Mitarbeiter einstellen, der mehrere Jahre nicht im Berufsleben war. „Man muss die Menschen begleiten. Ansonsten schaffen sie es nicht, in den Betrieb hineinzufinden“, sagt er. Von Vorteil dürfte daher sein, dass Thies von Haus aus Lehrer ist. Es mache ihm Spaß, Menschen weiter zu bringen.
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Thomas Mekelburg ist dabei nicht der erste Langzeitarbeitslose, den Peter Thies eingestellt hat. Der Unternehmer hat zuvor mehrfach erlebt, dass ihm die Menschen mit einer ganzen Reihe negativer Erfahrungen im Vorstellungsgespräch gegenüber sitzen. Deren Erwartungshaltung sei nach vielen Rückschlägen häufig desolat. Umso schöner sei es zu sehen, wie sie mit jeder Woche im Job aufrechter gehen würden. Trotz der Zeit, die Thies investieren muss, bekommt er auch eine Menge zurück: „Die Mitarbeiter sind dankbar und loyal.“ Sein Appell an andere Unternehmer lautet daher: „Gebt den Menschen eine Chance.“
Thomas Mekelburg ist zwar glücklich über seinen neuen Job. Dennoch schwingt bei ihm auch die Sorge mit, was nach den drei Jahren wird, wenn für ihn die Förderung ausläuft. Dann ist er 56 Jahre alt. Peter Thies jedoch beruhigt: „Wir wären ja verrückt, wenn wir ihn dann nicht übernehmen würden. Es gibt viel zu wenige Fachkräfte. Er bleibt hier!“