Essen-Schonnebeck. Der Essener Christoph Miarka weiß fast alles über Bier: Er ist Biersommelier. Über ungewöhnliche Sorten und Probleme der deutschen Bierkultur.
Zuerst ein genauer Blick auf den Inhalt des Glases: Eindeutig ein helles Bier. Dann eine Geruchsprobe. Riecht es süß und fruchtig oder eher nach Hopfen? Ein erster großer Schluck, der die Zunge umspült. Noch ein paar Mal am Glas nippen – schon weiß Christoph Miarka, mit welchem der insgesamt 180 Bierstile er es zu tun hat: einem Exportbier.
Miarka ist Biersommelier. 2015 ließ er sich an der Akademie „Doemens“ ausbilden. Zwei Wochen lang lernte er in München und Salzburg alles, was man über Bier wissen muss. Technologien der Bierherstellung, Rohstoffkunde, Gärung- und Reifungsprozesse standen auf dem Stundenplan.
Ausbildung zum Biersommelier ist „echt anstrengend“
Der Verband der Diplom Biersommeliere zählt 1800 deutschsprachige Mitglieder. Die Ausbildung an der Akademie „Doemens“ absolvierten weltweit bisher etwa 6000 Menschen.
„Am Anfang lernt man viel Chemisches über den Brauprozess, was todlangweilig war“, erinnert sich Miarka. Spannender war der praktische Teil der Sommelier-Ausbildung. Täglich musste er „viele, viele Biere“ probieren. „Die Ausbildung hört sich lustig an, war aber echt anstrengend. Jeden Abend testet man Biere und morgens geht es dann früh weiter im Hörsaal.“
Angehende Sommeliere müssen theoretische und praktische Prüfung bestehen
Sein Wissen musste Miarka zum Abschluss der Ausbildung unter Beweis stellen, für den theoretischen Teil 100 Fragen beantworten. Dann folgte eine Blindverkostung, bei der er sechs Biere dem richtigen Bierstil zuordnen musste.
„Ich schmecke Röstmalz-Aromen heraus und eine dunkle Frucht. Datteln oder Rosinen. Und viel Karamell, ein bisschen Kastanie, etwas Koriander“: So klingt es, wenn der Experte den Geschmack eines Trappistenbieres beschreibt. Diese werden von Mönchen gebraut. Weltweit dürfen sie nur zwölf Klöster herstellen. Einen „hopfigen Geruch“ und eine „schöne bittere Note“ erkennt er beim Essener Stauder.
Miarka bietet virtuelle Bier-Verkostung an
Miarka hat sein Hobby schon lange zum Beruf gemacht. Nach vielen Jahren bei Stauder arbeitet er mittlerweile im Vertrieb des Getränkefachgroßhändlers Kampmann. 2020 gründete der Schonnebecker zusammen mit zwei Kollegen die Plattform „Probierhelden“.
„Wir haben bei einem Glas Bier zusammengesessen und uns überlegt, was wir in dieser trostlosen Zeit machen könnten“, so Miarka. Ihre Idee: virtuelle Verkostungen. Zwei Stunden lang probieren sie gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden, denen vorab ein Paket mit sechs Flaschen zugeschickt wird, die unterschiedlichen Sorten.
Überraschend gute Kombination: Bier und Schokolade
Bei den Tastings überrascht Miarka die Teilnehmer regelmäßig mit ungewöhnlichen Kombinationen. Ein dunkles Bier zusammen mit einer Vollmilchschokolade sei eines dieser besonderen Geschmackserlebnisse.
Miarka findet, Bier solle nicht nur zu Gänsebraten und beim Grillen serviert werden, sondern auch zum Nachtisch. Besonders geeignet sei Schoko-Pudding. Begeistert seien viele Teilnehmer von einem roten Fruchtbier, das nach Kirsche und Himbeere schmeckt und als Aperitif serviert werden könne.
Online-Verkostungen der „Probierhelden“
Firmen und Privatpersonen können die Online-Verkostungen der „Probierhelden“ online unter www.probierhelden.de buchen. Neben Bier werden auch Wein-, Gin- und Whisky-Tastings mit Experten angeboten. Am 2. April ist Kult-Trainer Peter Neururer als Gast bei einer Bier-Verkostung dabei. Alt-, Weizen-, Frucht-, Rauch- und Trappistenbiere sind nur fünf der insgesamt 180 unterschiedlichen Bierstile. Man erkennt sie an der Farbe, dem Geschmack und dem Geruch. Ein einfacher Tipp des Experten: Riecht ein Bier süßlich ist es ein obergärig, riecht es eher nach Hopfen ist es untergärig.
Wertigkeit von Bier wurde laut Experte vernichtet
„Meine Aufgabe ist es, den Leuten das Bier näherzubringen“, sagt Miara. Als Botschafter des Bieres müsse er allerdings auch darauf hinweisen, dass ein übermäßiger Konsum gefährlich ist und Bier abhängig machen kann.
Generell kritisiert Miarka, dass günstig verkaufte Produkte „die Wertigkeit von Bier vernichten“ würden: „Die Leute gucken ja gar nicht mehr auf die Marke, sondern nur noch auf den Preis. Für einen Wein zahlen die Gäste im Restaurant gerne 9 Euro. Aber ein handgemachtes Craft-Beer ist vielen zu teuer.“
Er hofft, dass die von kleinen Brauereien hergestellten Sorten dem Brau-Handwerk wieder zu mehr Ansehen verhelfen können. Für Miarka gibt es das eine perfekte Bier nicht, er wählt nach Situation aus: „Jedes Bier hat seinen eigenen Charakter.“
Essener Sommelier: „Bier soll Spaß machen“
„Mittlerweile trinke ich unheimlich viele Stile, an die ich mich früher nicht herangetraut hätte. Zum Beispiel finde ich ein Rauchbier jetzt sehr lecker. Das trinke ich aber nicht beim Fußball gucken, sondern nur zum Essen.“ Bei einem Besuch im Biergarten muss es ein gekühltes Weizen sein.
Er ist froh darüber, dass er Bier trotz seiner Ausbildung auch trinken kann, ohne es automatisch zu analysieren: „Bier soll Spaß machen, das ist meine wichtigste Botschaft.“