Essen. Der Frust sitzt tief bei den Essener Gastronomen. Die Corona-Beschlüsse bieten für sie keine Perspektiven. „Ein Papier des Schreckens“, heißt es.

Kneipen, Cafés und Restaurants sind seit über vier Monaten geschlossen. Ob entlang der Gastromeile in Rüttenscheid oder auch andernorts bestimmt Tristesse das Bild. Nun sollen die Betriebe ab dem 22. März wieder öffnen können, allerdings nur ihre Außengastronomie und auch das wiederum nur, wenn die Inzidenzwerte seit 14 Tagen unter 50 liegen.

Wirte kritisieren die Abhängigkeit von den Inzidenzwerten

Küchenchef und Gastronom Fabian Stöckmann vom Stöckmann’s Restaurant in Frintrop spricht von einem „Papier des Schreckens“, die Regelungen seien ein „Schlag ins Gesicht aller Gastronomen“. Er kritisiert, dass es weiterhin keine Perspektive und kein Konzept für die Innengastronomie gibt.

Auch die Regelungen für die Außengastronomie seien lediglich „Tropfen auf dem heißen Stein“, so Stöckmann. Steigt der Inzidenzwert über 50, ist eine Bewirtung nur mit Terminbuchung und der Vorlage eines tagesaktuellen negativen Schnelltests möglich. „Die Reservierungs-Klausel ist total unproduktiv. In der Praxis ist das nicht machbar. Wenn man in den Biergarten geht, macht man das meistens spontan. Man ist ja auch total wetterabhängig“, bemängelt Stöckmann.

Die Abhängigkeit von den Inzidenzwerten wiederum regt Shayan Faghfouri vom Restaurant Bliss mächtig auf. „Wie soll das denn für uns funktionieren?“. Denn liege die Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100, würden alle erfolgten Lockerungen gestrichen. Dadurch werde doch jedwede Planbarkeit behindert.

Gastronomen sehen noch viele ungeklärte Fragen

Nach Ansicht des Rüttenscheider Wirts Patrick Ampütte „hilft der Beschluss uns als Gastronomen überhaupt nicht weiter“. Er führe sogar zu einer Ungleichbehandlung, Ampütte hat vor allem auch die Kollegen im Blick, die keine Plätze unter freiem Himmel anbieten können.

Stefan Malich vom Hotel und Restaurant „Haus Gimken“ sieht eine Reihe von Fragen ungeklärt, die da lauten: „Wo kann ich Schnelltests, für meine Gäste und meine Mitarbeiter, kaufen? Wie schulen wir unser Personal, um die Schnelltests vor Ort bei Gästen durchführen zu können? Wo führen wir die Schnelltests durch, wenn ein Gast keinen Test vorweisen kann? Wie dokumentieren wir?“.

Wenn er beispielsweise Biervorräte bestelle und nach kurzer Zeit wieder schließen müsse, bleibe er nicht nur auf dem Gerstensaft sitzen, sondern müsse ihn wahrscheinlich sogar irgendwann wegschütten. Bier sei schließlich nur eine gewisse Zeit haltbar.

Starke Zweifel am 22. März als Öffnungstermin für die Außengastronomie

Probleme sieht Faghfouri auch bei der Rekrutierung von Personal. Es dürfte schwierig werden, Leute zu finden, denen man überhaupt keine längerfristige Garantie bieten könne. Zudem bezweifelt der Gastronom, „dass die Leute die Biergärten stürmen“. Ende März oder Anfang April sei für Außengastro noch viel zu früh.

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Gastronom Christian Krause: „Die Menschen wollen endlich wieder raus“.
Gastronom Christian Krause: „Die Menschen wollen endlich wieder raus“. © Kerstin Kokoska

Da hat Christian Krause („Früher oder Später“) in den vergangenen Wochen allerdings andere Erfahrungen gewonnen. Sein Außer-Haus-Verkauf boomt. „Die Menschen wollen raus an die frische Luft“. Auch an den kühleren Tagen holen sie sich bei ihm das Bier und suchen sich in angemessener Entfernung einen Platz, „um es zu genießen“.

Diesen Eindruck teilt auch Stefan Romberg vom „Wirtshaus zur Heimlichen Liebe“ in Bredeney. Der Andrang auf das To-go-Geschäft sei groß. „Was ist daran gefährlicher, wenn ich mit einem vernünftigen Hygiene-Konzept öffne, anstatt dass die Leute sich unkontrolliert auf dem Parkplatz, am See oder im Park nebeneinandersetzen?“, kritisiert Romberg.

Christian Krause wie auch Martin Hennig vom „Restaurant Hülsmannshof“ mögen aber nicht so recht daran glauben, dass es ab dem 22. März wirklich wieder losgeht. Die aktuellen Zahlen, die derzeit um den 55er Wert schwankt, lassen es kaum vermuten. Falls aber doch, seien sie natürlich dabei, auch wenn man wirtschaftlich gesehen Fragezeichen setzen könne. Präsenz wollen sie aber schon zeigen.

So geht es auch Thomas Stolle, der in der Innenstadt das Restaurant Kiepenkerl betreibt. Er werde, wenn möglich, seine Gäste im Außenbereich zwar bewirten, „eine Art seine Kosten zu decken, ist das aber nicht“, so Stolle.

Die Hoffnungen ruhen auf den Impfungen

Diego Palermo, Inhaber der Trattoria „Trüffel da Diego“, hat schon gar nicht mehr an eine Öffnungsperspektive geglaubt. So sehr er sich auch danach sehnt, wieder Gäste begrüßen zu können, wird er aber sein Restaurant noch geschlossen halten.

Er befürchtet, dass eine Öffnung ohnehin nur von kurzer Dauer sein wird. Da sei es doch besser, noch ein paar Wochen zu warten, zumal er keinen Biergarten besitzt, sondern maximal drei Tische nach draußen stellen kann. Palermos Hoffnungen ruhen auf den Impfungen, das sei nun mal das entscheidende Instrument, um die Pandemie zu bekämpfen.

„Das einzige Licht am Tunnel für uns ist die Impfung“, bestätigt Knut Hannappel vom gleichnamigen Sterne-Restaurant in Horst. Er gehöre ebenfalls zu den vielen Gastronomen, die keine Außengastronomie haben. Ihm fehlt daher weiterhin eine Perspektive. „Ich will ja gar nicht von heute auf morgen öffnen. Aber der Corona-Gipfel hat mir gezeigt, was für einen Stellenwert wir haben. Es wurde nicht annähernd an die Innengastronomie gedacht. Das finde ich schon sehr beschämend“, so Hannappel.

Geschäftsführer Afshin Sadaghiani: Die Wirte wissen immer noch nicht, woran sie sind.
Geschäftsführer Afshin Sadaghiani: Die Wirte wissen immer noch nicht, woran sie sind. © Kerstin Kokoska

Eine auf Zukunft ausgelegte Strategie vermag Afshin Sadaghiani von der Rüttenscheider Hausbrauerei in den Berliner Beschlüssen ebenfalls nicht erkennen. Für die Gastrobranche zeichne sich noch immer keine Perspektive ab, die Wirte wissen nach seinen Worten immer noch nicht, woran sie wirklich sind.

Dabei stünden ohnehin viele Wirte mit dem Rücken zur Wand. Nachdem die Hilfen für die Monate November und Dezember nur schleppend angekommen seien, würden mit der jetzigen Unterstützung längst nicht alle Fixkosten ersetzt. Trotz aller Kritik werde die Hausbrauerei öffnen, wenn sich die Gelegenheit biete. „Wir haben schließlich die Monate für einige Veränderungen genutzt“, sagt der Geschäftsführer.

Schon allein wegen „zu erwartender Neugierde der Leute“ entscheidet sich Toni Link ebenfalls für diesen Schritt. Er hat gemeinsam mit Chris Gmeinwieser das Rüttenscheider Kultlokal Plan B übernommen, das künftig unter „Miss Hops in Plan B“ firmen wird.

Miss Hops im Plan B will Öffnung nutzen, um sich im neuen Gewand zu präsentieren

Christian Gmeinwieser (l.) und Toni Link haben das Kultlokal Plan B übernommen und lassen die Kneipe umbauen.
Christian Gmeinwieser (l.) und Toni Link haben das Kultlokal Plan B übernommen und lassen die Kneipe umbauen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Mit dem Titel spielen die Betreiber auf die Auswahl an Bieren an, die durch die Zapfhähne fließen sollen. Bis zu einem Neustart sei der Umbau abgeschlossen, erklärt Link. Mit der Baugenehmigung habe es ein wenig gedauert, doch nun seien die Arbeiten im vollen Gange. Auf neues Mobiliar können die Gäste auch gespannt sein. Bei aller Vorfreude müsse aber im Blick bleiben, die Pandemie einzudämmen, sich nach wie vor an Hygieneschutz und Abstandsregeln zu halten.

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