Essen. Sport ist im Verein am schönsten? Die Mehrheit der Essener treibt Sport lieber individuell. Wo und wie, zeigt eine repräsentative Befragung.
Corona trifft auch den Sport. Das Vereinsleben steht still. Wer sich fit halten will, dreht einsam am Baldeneysee seine Runden oder schwingt sich aufs Fahrrad. So halten es viele Essener im Lockdown. Was bleibt einem anderes übrig?
Bereits vor der Coronakrise wollte die Stadt Essen wissen, wie es ihre Bürger mit dem Sport halten. Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage liegen nun vor und sind äußerst aufschlussreich. Dreiviertel der Essener treiben demnach Sport, fast die Hälfte (45 %) sogar regelmäßig, also mindestens einmal pro Woche. Nur ein Viertel der Essener hält es mit dem ehemaligen britischen Premierminister Winston Churchill. Dessen Motto für ein langes Leben lautete: No Sports!
Die große Mehrheit der Essener sieht das anders. 90 Prozent derjenigen, die Sport treiben, tun es der Gesundheit zuliebe. 67 Prozent suchen durch Sport Ausgleich und Entspannung, 52 Prozent möchten einfach nur fit bleiben. Um Leistung nach dem Motto „höher, schneller, weiter“ geht es nur 14 Prozent der sportlich Aktiven. Dazu passt, dass nur jeder Dritte sportlich aktive Essener (31 %) Mitglied in einem Sportverein ist.
Vor allem Ältere suchen Geselligkeit in einem Sportverein
Der Anteil der 18- bis 24-Jährigen ist mit 35 Prozent etwas höher und wird nur von dem der Senioren ab 75 Jahren mit 42 Prozent übertroffen. Mit zunehmenden Alter werde Geselligkeit wichtiger, und die suchen und finden gerade Ältere in einem Sportverein.
Auch das fällt auf: Die beliebtesten Sportarten lassen sich allesamt individuell ausüben. Sportlich aktive Männer fahren besonders gerne Rad oder joggen. Frauen bevorzugen Gymnastik und Bewegungssport oder gehen lieber schwimmen.
Wo treiben die Essener Sport? Mehr als die Hälfte (57 %) nutzt dafür den öffentlichen Raum, joggt zum Beispiel im Stadtwald, radelt auf alten Bahntrassen oder am Rhein-Herne-Kanals entlang. Jeder Dritte (33 %) geht ins Fitnessstudio. Nicht ganz so viele (30 %) stürzen sich im Hallenbad in die Fluten, das Freibad nutzen 18 Prozent. Nur etwa jeder Zehnte (11 %) treibt Sport auf einem Sportplatz.
Die Unzufriedenheit mit den städtischen Schwimmbädern ist unter den Essenern groß
Der Anteil der regelmäßigen Schwimmer könnte womöglich höher sein. Denn die Unzufriedenheit mit den städtischen Bädern ist augenscheinlich groß. 29 Prozent sind „nicht zufrieden“, 17 Prozent „eher nicht“. Nur jeder Fünfte ist mit den Schwimmbädern in Essen zufrieden.
Danach gefragt, in welche Sportstätten die Stadt denn investieren sollte, steht die Sanierung der Bäder mit 68 Prozent ganz oben auf der Wunschliste – noch vor den Sporthallen mit 60 Prozent. Wobei sich Jüngere in der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen mehr Sportmöglichkeiten im Freien wünschen würden.
Auch das bestätigt die Umfrage: Sport ist ein Wirtschaftsfaktor. Wer regelmäßig sportlich aktiv ist, gibt dafür im Jahr im Durchschnitt im Jahr 500 Euro aus. Wer nur gelegentlich Sport treibt, lässt sich das durchschnittlich immer noch 293 Euro pro Jahr kosten. Das entspricht einem Gesamtvolumen von 155 Millionen Euro, die in Essen für Sportkleidung, Eintrittsgelder oder Mitgliedsbeiträge ausgegeben werden.
Wer treibt regelmäßig Sport? Einkommen, Bildungsstand und Wohnort spielen eine Rolle
Die Höhe des Einkommens spielt eine Rolle, ob Essener Sport treiben oder nicht, auch der Bildungsstand und der Wohnort. Wobei das eine häufig mit dem anderen zusammenhängt. Im Essener Süden (Stadtbezirk II, VIII und IX) treibt statistisch mehr als jeder Zweite regelmäßig Sport, nur jeder Fünfte tut es gar nicht. Im Stadtbezirk V (Altenessen, Karnap, Vogelheim) treibt hingegen nur jeder Dritte regelmäßig Sport, inaktiv sind dort 37 Prozent.
„Leben in Essen“
In der Reihe „Leben in Essen“ wurden Ende 2019 von der Stadtverwaltung 12.706 Essener Bürger ab 18 Jahren angeschrieben. Ausgewählt wurden sie per Zufallsstichprobe aus dem Melderegister. 34,9 Prozent beteiligten sich und füllten einen Fragebogen aus.
Fragen zum Thema Sport bildeten einen Schwerpunkt der Umfrage. Die komplette Umfrage ist auf der Internetseite der Stadt Essen veröffentlicht: media.essen.de
Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus der Befragung ziehen? Der Wunsch nach Gesundheit und Bewegung treibe die Menschen an. Darauf müssten sich die Sportvereine einstellen, wollen sie ihre Mitglieder halten oder neue hinzugewinnen, sagt Thorsten Flügel, Geschäftsführer des Essener Sportbundes (Espo). Viele Vereine hätten dies bereits getan, in dem sie beispielsweise Gesundheitskurse anbieten. Andere organisieren Lauftreffs. Der Espo selbst plant in Zusammenarbeit mit Sportvereinen Angebote für Jedermann auf Zollverein und im Schlosspark Borbeck.
„Wir stellen uns auch die Frage, wie wir Migranten besser erreichen können“, sagt Flügel. Denn laut Umfrage gaben Menschen mit Zuwanderungshintergrund deutlich seltener an, dass sie regelmäßig Sport treiben. Es sind nur etwas mehr als ein Drittel (35 %). Nur jeder Fünfte ist Mitglied in einem Sportverein.
Und noch etwas macht den Espo nachträglich: Viele wünschen sich mehr Informationen über Sportangebote in der Stadt. Infos finden sie hier: www.essener-sportbund.de.