Essen. Hohe Wertschätzung für Buchhändlerin Beate Scherzer: Die Essener „Proust“-Chefin entscheidet 2021 mit über die Vergabe des Deutschen Buchpreises.
Den 18. Oktober hat sich Buchhändlerin Beate Scherzer schon mal rot im Kalender angestrichen. Wenn alles gut geht und Corona es wieder zulässt, wird die Mitgründerin und Geschäftsführerin der Essener Buchhandlung Proust Wörter + Töne dann im Frankfurter Römer sitzen. Als eine von sieben Juroren, die in diesem Jahr über die Vergabe des Deutschen Buchpreises entscheiden. Die Jury-Einladung gilt schon an sich als Wertschätzung. Zumal Beate Scherzer in der siebenköpfigen Entscheider-Runde als einzige Buchhändlerin auftritt.
Es dürfte nicht nur die regelmäßige Auszeichnung mit dem Deutschen Buchhandlungspreis sein, die die Akademie Deutscher Buchpreis nach Essen blicken ließ. Schon seit mehr als drei Jahrzehnten organisiert Beate Scherzer hier literarische Veranstaltungen, hat renommierte Schriftsteller von Herta Müller über T. C. Boyle bis Bernhard Schlink und viele andere internationale Autoren ins Ruhrgebiet geholt. In Zusammenarbeit mit „Schreibheft“-Herausgeber Norbert Wehr und der „Literarischen Gesellschaft Ruhr“ wurde ihre Lesungs-Reihe zu einem dauerstrahlenden Leuchtturm der hiesigen Literaturlandschaft. Mit dem 2005 Am Handelshof eröffneten „Proust“ bieten Scherzer und ihr Kompagnon Peter Kolling zudem als eine der wenigen verbliebenen inhabergeführten Buchhandlungen in Essen Online-Riesen und Buchhandels-Ketten erfolgreich die Stirn.
Literarischer Anspruch und Leidenschaft für die Sache
Ihre besondere Fachkunde, ihr literarischer Anspruch und ihre Leidenschaft für die Sache dürften Scherzer nun auch den Weg in die Jury des Deutschen Buchpreises geebnet haben, den der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seit 2005 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse für den besten deutschsprachigen Roman des Jahres auslobt.
Um eine größtmögliche Unabhängigkeit der Auszeichnung zu gewährleisten, wird die Jury in jedem Jahr neu bestimmt. Neben Beate Scherzer sind 2021 die Literaturkritikerin Anne-Catherine Simon, FAZ-Feuilleton-Chefin Sandra Kegel, „Welt“-Korrespondent Richard Kämmerlings, die Leiterin des Literarischen Zentrums Göttingen, Anja Johannsen sowie Bettina Fischer, die das Literaturhaus Köln leitet, und Literatur-Kritiker Knut Cordsen dabei.
Die zeitaufwendige Aufgabe dürfte Vielleserin Beate Scherzer nicht schrecken. Ende März, wenn die Ausschreibung endet, wird die 68-Jährige wissen, was auf sie zukommt und wie viele Neuerscheinungen die Verlage einreichen. Die würden zunächst einmal auf alle Jury-Mitglieder verteilt, weiß Scherzer. Die Bücher, die in die engere Auswahl kommen, werden dann noch einmal von allen Juroren gelesen. Auf die Bekanntgabe der 20 Titel umfassenden Longlist (24. August) folgt am 21. September die Verkündung der Shortlist. Sechs Finalisten können sich dann die Hoffnung machen, am 18. Oktober mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet zu werden.
Mehr deutschsprachige Literatur statt internationaler Neuerscheinungen
Preisträger-Tipps habe man in den vergangenen Jahren intern immer schon abgegeben, erzählt Beate Scherzer. „Mit sieben bis acht Titeln habe ich meist richtig gelesen.“ Auch die Jury-Entscheidung, den Deutschen Buchpreis 2020 an Anne Weber zu vergeben, hat die 68-Jährige begrüßt. „Das war fantastisch und nicht das Naheliegende“, so Scherzer: „Ich hoffe, dass wir ähnlich mutig und kreativ sind“. Einziger Wermutstropfen: Bei der Vielzahl deutschsprachiger Autoren werden ihr in diesem Jahr wohl ein paar internationale Neuerscheinungen entgehen.
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