Essen. Medizinisches Personal fühlt sich bei der Vergabe der Impftermine übergangen. Jetzt kündigt Essens Gesundheitsdezernent eine neue Reihenfolge an.

Der holprige Start bei der Vergabe der Impftermine hat viele Senioren und ihre Angehörigen verunsichert und verärgert. Jetzt melden sich vermehrt Betroffene zu Wort, die zu einer Risiko(berufs)gruppe gehören und sich bang fragen, wann sie mit einer Impfung rechnen können. Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel verspricht, die Stadt bereite in den nächsten Tagen Impfangebote für Beschäftigte bestimmter Berufsgruppen vor. „Sie werden dann geimpft, wenn der Impfstoff geliefert wird.“

Renzel setzt dabei auf den Hersteller AstraZeneca: Das Land NRW erwarte von ihm zu Wochenbeginn größere Lieferungen von Impfdosen, am Dienstag (9. Februar) solle das Vakzin auch in Essen zur Verfügung stehen. „So können wir die Mitarbeiter aus der Ambulanten Pflege schneller impfen, als bisher gedacht.“ Sie hatten sich zuletzt ungeduldig zu Wort gemeldet, weil ihre Kollegen in Pflegeheimen in der Regel längst geimpft sind: In den stationären Einrichtungen waren seit Ende Dezember 2020 mobile Impfteams im Einsatz.

„Ungeimpfte Pflegekräfte auf Covid-Stationen haben Angst“

Sorgen machen sich aber auch Pflegekräfte, die zeitweise etwa über Leiharbeitsfirmen in Krankenhäusern oder Pflegeheimen eingesetzt werden. „Wir vermitteln Fachkräfte, die wie ihre festangestellten Kollegen auf Covid-Stationen eingesetzt werden. Sie werden in den Impfzentren der Krankenhäuser aber nicht mitgeimpft“, berichtet ein Personaldienstleister. An der Hotline zur Vergabe von Impfterminen weise man sie wiederum als zu jung zurück, sie seien noch nicht an der Reihe. „Die haben Angst.“

In diesen Fällen sei die Stadt nicht zuständig, erklärt Renzel. „In Krankenhäusern eingesetztes Personal wird derzeit durch die Krankenhäuser selbst geimpft.“ Bei der Reihenfolge der Impfung müssten sich die Kliniken an die Vorgaben des NRW-Gesundheitsministeriums halten. Der Dezernent macht hier aber Hoffnung auf eine Entspannung: Das Land erwarte in der kommenden Woche eine weitere Lieferung des Impfstoffs AstraZeneca: „Ab der darauf folgenden Woche kann dann in Krankenhäusern eine Verimpfung bei Beschäftigten mit unmittelbar regelmäßigem Patientenkontakt erfolgen.“ Diesen Kontakt haben natürlich auch Pflegekräfte, die als Zeitarbeiter eingesetzt werden.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Essen, Detlef Köhn, beobachtet in jüngster Zeit eine wachsende Ungeduld, bei medizinischem Personal, das seit nunmehr fast einem Jahr in engem Kontakt mit Corona-Patienten arbeite. Auch niedergelassene Ärzte und ihre Teams hofften nun auf eine zeitnahe Impfung: „Wir wollen keine Sonderrolle“, sagt Köhn, der selbst eine Praxis hat. „Aber im Pflegebereich sterben Beschäftigte einfach, weil sie ihre Arbeit machen.“

Das treibt zum Beispiel Karolin Herion-Gürtler um, Fachärztin für Nephrologie und Innere Medizin, und stellvertretende Leiterin des KFH Nierenzentrums. Sie habe das Gefühl, dass die ambulante Versorgung bei der Vergabe der Impftermine als nachrangig behandelt würde. „In unserem Dialysezentrum und der angeschlossenen Praxis meines Kollegen behandeln wir Patienten, die ein hohes Risiko haben, bei einer Covid-Infektion schwer zu erkranken oder zu versterben.“

Damit diese Menschen weiter gut versorgt werden könnten und nicht gefährdet seien, sei es wichtig, dass sie und ihr Team gesund bleiben. Wiederholt habe sie die zuständigen Stellen von der Stadt bis zur KV darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Team und ihre Patienten vorrangig geimpft werden sollten. Vergeblich. Inzwischen seien bereits Mitarbeiter erkrankt und fielen nun aus. „Ich bin in Sorge um meine Patienten und Mitarbeiter.“ Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein in Düsseldorf teilt dazu mit, dass die Ärztin selbst durchaus zur ersten Priorisierungs-Gruppe zähle – ihre Patienten allerdings nicht. Aber über die Priorisierung werde ja nun „neu nachgedacht“.

Offen ist weiter, ob genügend Impfstoff geliefert wird

Wichtig sei dabei, dass es klar objektivierbare und einheitliche Richtlinien gebe, hatte Detlef Köhn von der Essener KV schon in der vergangenen Woche gemahnt. Die Entscheidung dürfe nicht an die örtlichen Praxen und Impfzentren ausgelagert werden. Am Samstag (6. Februar) erhielt Dezernent Peter Renzel dann den aktuellen Erlass zur Impfung aus dem NRW-Gesundheitsministerium, nun werde man die Pläne für einige weitere Berufsgruppen „teilweise umorganisieren“. Auf der Liste (siehe Kasten), die Renzel veröffentlicht hat, rangieren die Mitarbeiter Ambulanter Pflegedienste auf Platz 1, das Personal von Dialysezentren wie es Karolin Herion-Gürtler betreibt, liegt auf Platz 7. Wann ihre Patienten einen Impftermin erhalten, ist noch unbeantwortet.

Die genannten Gruppen wolle man bis Ende März impfen, sagt Renzel. „Sofern uns jede Woche genügend Impfstoff geliefert wird.“

Weitere Nachrichten aus Essen lesen Sie hier.