Essen. Bester Pulverschnee, kaum geräumte Straßen, Freizeit wegen Lockdown: Viele Bürger Essens machen jetzt das Beste aus der ungewohnten Lage.
Essen im Schnee – perfektes Pulver und viel Freizeit wegen des Lockdowns. Große und kleine Bürger machen das Beste draus: Während einige Wagemutige ihre Langlauf-Skier aus dem Keller holen, rasen Jungen und Mädchen auf Schlitten die Hügel hinunter - überall im Stadtgebiet, das so kalt und weiß ist wie seit Jahren nicht.
Ski-Langläufer wurden seit Sonntagmorgen gesichtet in Heisingen, Bredeney und nicht zuletzt auf der Grugatrasse zwischen Rellinghausen und der Margarethenhöhe. Natürlich, eine Loipe gibt es nicht - doch die unverwüstliche Eisschicht auf dem Grund, die am Montagmittag von rund sieben Zentimetern Schnee bedeckt ist, bildet eine gute Grundlage. Fachkundiges Urteil von Langläufern: keine schlechten Bedingungen!
Ungestreute Straßen wurden in den Stadtteilen zu Rodelpisten
Weil die Entsorgungsbetriebe am Sonntag- und Montagmorgen kaum mit dem Streuen nachkamen und sich offenkundig auf die allerwichtigsten Routen konzentrierten, blieben viele Straßen ungesalzen – Konsequenz: In den Wohngebieten rodelten die Menschen auch jene steile Straßen abwärts, die sonst nie mit dem Schlitten befahrbar sind. Dabei diskutieren vor allem junge Schlittenfahrer: Was ist jetzt besser? Ein Bob aus Plastik oder der gute, alte Holzschlitten?
Prognose: Kein Neuschnee, aber weiter sehr kalt
Weil die Wetterprognose anhaltend Minustemperaturen vorhersagt, wird uns der Schnee noch bis mindestens zum Wochenende erhalten bleiben.
Die Vorhersage kündigt aber an, dass ab Dienstag kein weiterer Neuschnee mehr fällt. Wei die Temperaturen nachts bis -15 Grad absinken, ist erfahrungsgemäß damit zu rechnen, dass am Wochenende die ersten Eisschollen auf dem Baldeneysee schwimmen werden.
Haus Heisingen, ein beliebter Rodler-Treffpunkt im genannten Stadtteil, Montagmittag: „Der Schnee ist perfekt“, sagt ein Junge im Grundschulalter. Von seinem Vater hat er sich eine Ski-Brille ausgeliehen, jetzt düst er mit zwei Freunden auf Plastikscheiben den Hügel bis zur Wuppertaler Straße hinab. „Arschpfanne“ heißt das Schneegerät im Volksmund. Und, hätte er lieber einen richtigen Schlitten? „Nein, das ist schon gut so“, sagt der Junge - und setzt zur nächsten Fahrt an. Eine Seniorin zieht mit ihrer Enkelin zehn Meter weiter zur nächsten Abfahrtsstelle: „Guck mal, hier waren schon Oma und Opa rodeln, als wir noch klein waren.“
Belagert: Pistenklassiker im Norden und Süden
Nicht sonderlich überraschend: Schlitten sind so gut wie überall ausverkauft. „Wir haben noch einige Lenkschlitten aus Kunststoff, die Holz-Modelle sind alle weg“, sagt am Montagvormittag Michel Krock, der Filialleiter des „Hellweg“-Baumarktes in Frillendorf. Viele Kunden hätten schon früh am Samstagvormittag einen Schlitten bestellt. Seit Montag gehe es mit den Bestellungen aber erst richtig los. Erwartbar hoch ist auch die Nachfrage nach Streusalz und Besen, Schneeschaufeln.
Das melden auch Tankstellen im Essener Stadtgebiet - stark gefragt sind Frostschutzmittel, Türschloss-Enteiser und Anti-Eis-Spray. Pendler, die am Montagmorgen zur Arbeit mussten, hatten schließlich mit einer selten dichten, rund 0,5 Zentimeter starken Eisschicht zu kämpfen, die sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf die komplette Karosserie gelegt hatte.
Beste Rodelpisten - und viele neue Strecken direkt vor der Haustür
Unterdessen wird die Liste der besten Rodel-Pisten im Stadtgebiet immer länger: Im Internet tragen die Menschen ihre Tipps zusammen - im Netzwerk Facebook, in Stadtteil-Foren, bei WhatsApp. Ganz vorne dabei: Alle Waldwege rund um die „Heimliche Liebe“, das Ausflugslokal im Schellenberger Wald. Die steilen Pisten in Werden (Essens offiziell steilste Straße: der „Stotznocken“ unweit der Folkwang-Hochschule!), Fußwege am Holsterhauser Mühlenbachtal. Im Norden: Rund um den Stoppenberg, in Altenessen der Helenenpark, die Schurenbachhalde.
Die klassischen Pisten erfahren wie gesagt in diesen Tagen Konkurrenz: Weil die Entsorgungsbetriebe zunächst nur die wichtigsten Routen räumen konnten, gibt es ungezählte Wohnstraßen in den Siedlungen, die am Montagmittag noch weiß sind wie unbeschriebene Blätter Papier. „Ganz Essen wird zum Wintersportgebiet“, lästern viele Nutzer höhnisch im Netzwerk Facebook. Andere freut’s: Wer jetzt Zeit hat und nicht zur Arbeit muss, startet mit seinen Kindern zur Schlittentour direkt vor der Haustür.