Essen-Südviertel. Die neuen Straßenlaternen im Essener Südviertel sind Multitalente. Die Möglichkeit, E-Autos zu betanken wird laut erster Bilanz rege genutzt.

Multitalente sind die Straßenlaternen der neuen Generation, die seit einem halben Jahr an der Huyssenallee ihren Platz haben. Sie dienen nicht nur der Beleuchtung, sondern auch zum Aufladen von E-Autos, der Parkplatzsuche und zudem können sie Luftqualität messen. Westenergie, die das Projekt gemeinsam mit der Stadt Essen und der Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV) realisiert, hat eine erste Zwischenbilanz mit überraschenden Ergebnissen vorgelegt.

Ansehnliche Durchschnittswerte für Stationen an der Huyssenallee

Spannend war vor allem die Frage, wie stark die Smart Poles, so die offizielle Bezeichnung, für das Auftanken von Elektrofahrzeugen genutzt werden. Da das Quartier durch Bürogebäude geprägt ist, lag die Vermutung nahe, das Stadtviertel werde in Zeiten von Home Office aufgrund der Corona-Pandemie viel seltener aufgesucht und damit auch Ladesäulen viel weniger in Anspruch genommen. Nach einer vorsichtigen Einschätzung kann davon aber nicht die Rede sein.

"Wir haben an fünf Ladepunkten insgesamt rund 700 Ladevorgänge in den ersten sechs Monaten verzeichnet", sagt Bernhard Lüschper, Leiter der Smart Pole Factory der Westenergie. Die Zahl könne sich durchaus sehen lassen. Zum Vergleich: An den insgesamt 277 Ladepunkten des Unternehmens stadtweit gab es rund 24500 Ladevorgänge in der Zeit von Januar bis November 2020. Das sind im Durchschnitt 88 pro Ladepunkt. An der Huyssenallee waren es allein im zweiten Halbjahr 2020 jeweils 120.

Aufladen dauerte im Mittel rund zwei Stunden

Bei den Mittelwerten für das Stadtgebiet sollte man laut Westenergie aber durchaus bedenken, dass es sich um eine große Bandbreite handele. Säulen am Rüttenscheider Stern würden sicherlich viel häufiger genutzt als solche in abgelegeneren Siedlungen.

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Trotzdem lasse sich aber festhalten, dass offenbar die Huyssenallee mit seinen zahlreichen zahlreichen Firmen und deren Mitarbeiter ein geeigneter Standort sei. Aufgrund des Datenmaterials sei ebenso zu erkennen, dass das Auftanken im Durchschnitt zwei Stunden gedauert habe. Damit sei die Mehrzahl der Autos nicht komplett neu mit Strom versorgt worden, sondern “in den meisten Fällen hätten wohl die Fahrer die Wagen nachgeladen.“

Parkplätze in Nähe de Huyssenallee trotz Lockdownzeiten stark genutzt

Darüber hinaus bieten einige der 15 smarten Straßenlaternen Parkplatzsuchenden einen besonderen Service: Auf digitalen Bildschirmen in Sichthöhe weisen blaue Pfeile den Weg zu freien Stellplätzen. Im Umfeld sind 140 Parkplätze mit Sensoren ausgestattet, die die Belegung erfassen und diese an die Datenplattform übermitteln. Wenn man auch hier glauben könnte, in Pandemiezeiten würden sie weniger genutzt, zeigen die Zahlen ein anderes Bild: Die Flächen seien recht stark in Anspruch genommen worden, so Lüschper. Auf den kostenpflichtigen Plätzen, die rund zwei Drittel ausmachen, habe man pro Monat rund 3.000 Parker verzeichnet, die im Durchschnitt etwa 20 Minuten geblieben seien. Bei den kostenfreien Plätzen liege die Zahl bei etwa 4.300 mit einer Verweildauer von 34 Minuten im Mittel. Das zeige eben, wie sehr die Plätze frequentiert seien. Die Ergebnisse hätten sicherlich noch ganz anders ausgesehen, wenn nicht die Philharmonie oder das Aalto-Theater über weite Strecken geschlossen gewesen wären.

Gute Noten für die Luftqualität

Ferner können einige Smart Poles Aufschluss über die Luftqualität geben, werden doch die Werte von Ozon, Feinstaub und Stickoxiden gemessen. Wer sich die Displays anschaut, bekommt allerdings nicht die einzelnen Daten, sondern eine Gesamtsicht nach einer mehrstufigen Skala angezeigt. "Da gab es stets positive Bewertungen", so Lüschper, "trotz der Nähe zu den Hauptverkehrsachsen". In den vergangenen Monaten hätten die Messgeräte keine Grenzwertüberschreitungen festgestellt, weder auf einzelne Tage noch Stunden bezogen. Bei den Ozonkonzentrationen habe sich die Erwartung bestätigt, wonach sie durch die stärkere Sonnenstrahlung im Sommer höher als in den Wintermonaten gewesen seien.

Darüber hinaus haben mehrere hundert Nutzer das WLAN genutzt, das ebenfalls über die Smart Poles angeboten werde. Auch in diesem Punkt sei die bisherige Bilanz sehr zufriedenstellend.

Es sei jetzt noch zu früh die Entscheidung zu treffen, ob auf Dauer noch weitere Straßenlaternen umgerüstet werden. Das Projekt sei auf einen Zeitraum von drei Jahren ausgelegt. Insgesamt erhoffe man sich, Erfahrungen und Ergebnisse, um die Digitalisierung in der Stadt weiter voranzubringen.

Daten und Fakten:

Bei den Smart Poles handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt von EVV (Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft und dem Netzbetreiber Westenergie. Während EVV die Straßenlaternen gekauft und installiert hat, kümmert sich Westenergie um den Betrieb.

Intelligente Straßenlaternen sind auch in anderen Städten in Einsatz, unter anderem in Bochum. Bei dem dortigen Versuch erkennen Sensoren - wie an der Huyssenallee - freie Parkplätze und weisen auf diese hin.

Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf eine sechsstellige Summe. Man geht aber davon aus, dass sich ein Teil der Ausgaben refinanzieren lassen, in dem Displays an den Laternen auch als Werbefläche genutzt werden können.

Bei dem Notrufsystem, das ebenfalls an den Smart Poles installiert ist, gab es lediglich zwei Fehlalarme.

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