Essen. Im aktuellen Gault & Millau tauchen nur noch zwei Essener Restaurants auf, vier werden immerhin erwähnt. Was die beiden Ausgezeichneten sagen.

Normalerweise fiebert im Spätherbst auch die Essener Spitzengastronomie dem jährlichen Erscheinen des berühmten Gastroführers Gault & Millau entgegen. Doch in diesem Jahr gingen die Auszeichnungen der besten Restaurants eher unaufgeregt, ja fast geräuschlos über die Bühne.

Ausgerechnet mitten im Lockdown, in dem die Gastronomie seit Wochen wieder steckt, erschien der Gault & Millau und adelte die besten Restaurants Deutschlands. Aber was nützt den Gastronomen derzeit auch das beste Urteil, wenn sich der Gast davon nicht an Ort und Stelle selbst überzeugen kann?

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

„Natürlich ist die Freude darüber da, aber sie verliert sich in diesen Zeiten auch ganz schnell wieder“, sagt Gourmetkoch Knut Hannappel vom gleichnamigen Restaurant. Ihm und seinem Team ist es auch in diesem Jahr wieder gelungen, sich an die Spitze der Essener Gastronomie zu setzen: 16 Punkte gab es, Hannappel darf sich somit weiterhin mit zwei Kochhauben schmücken.

Gault Millau führt Spitzenkoch Knut Hannappel mit 16 Punkten

Knut Hannappel ist nicht nur im aktuellen Gault & Millau hoch bewertet. Er erkochte sich 2020 auch seinen ersten Michelin-Stern.
Knut Hannappel ist nicht nur im aktuellen Gault & Millau hoch bewertet. Er erkochte sich 2020 auch seinen ersten Michelin-Stern. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Doch der Gastronom macht kein Hehl daraus, dass die Freude über die Auszeichnung schon einmal größer war. „Uns treiben gerade ganz andere Sorgen um, da steht so ein Restaurantführer nicht gerade im Fokus“, sagt er unumwunden. Zunächst bis 10. Januar muss er sein Restaurant noch geschlossen halten. Wahrscheinlich eher noch länger. „Es ist kein Ende in Sicht“ und das sei das Schlimme, seufzt er.

Weil der Lockdown bislang nur auf wenige Bereiche wie die Gastronomieszene beschränkt ist, fühlt sich Hannappel als „Bauernopfer“, wie er sagt. Und auch dass die zugesagten November-Hilfen des Bundes wegen eines Softwareproblems jetzt wohl erst im Januar gezahlt werden, sei „frech“. Die Branche steckt im Überlebenskampf. „Wenn ich daran denke, dann verliert sich die Freude über eine Auszeichnung wie im Gault & Millau ganz schnell.“

Hannappel versucht, trotz des Lockdown weiterhin eine Küche auf hohem kulinarischem Niveau anzubieten. So gut das im Außer-Haus-Geschäft geht. Auf der eingedampften Karte stehen diese Woche zum Beispiel Nordsee Steinbutt mit Graupenrisotto, Chorizo und Krustentier-Beurre-Blanc. Bei fast jedem Gericht ist es ein Spagat, die Spitzenqualität bis in die heimischen Küchen zu liefern, wo sie nur noch einfach aufgewärmt werden müssen.

Nelson Müller erkocht sich mit seinem Team der „Schote“ 16 Punkte

Zusammen mit dem „Hannappel“ teilt sich die „Schote“ von Nelson Müller im aktuellen Gault & Millau das Siegertreppchen der Essener Spitzengastronomie. 16 Punkte gab es auch für den „Gourmettempel“ des bekannten Fernsehkochs. Müller und sein Team heimsten damit sogar einen Punkt mehr ein als noch im letzten Führer.

Allerdings hat auch die „Schote“ wegen des Lockdown derzeit geschlossen. Müller bietet nur mit seinem Brasseriekonzept „Müllers“ derzeit einen Außer-Haus-Service an. Die jüngste Auszeichnung habe ihm dennoch ein „Lächeln ins Gesicht gezaubert“, sagt er. Ein kleiner Trost in diesen Zeiten, wie er meint.

Der Lockdown fordert auch den Spitzenkoch Müller „jeden Tag“, aber er nimmt die aktuelle Situation auch als Herausforderung an. „Dass Gastronomie anstrengend ist, ist nicht neu. Wir kämpfen seit Jahren damit.“

Nelson Müller vor seinem Restaurant am Rüttenscheider Stern. Der bekannte Fernsehkoch gehört weiterhin zu den Top-Adressen der Essener Gastroszene.
Nelson Müller vor seinem Restaurant am Rüttenscheider Stern. Der bekannte Fernsehkoch gehört weiterhin zu den Top-Adressen der Essener Gastroszene. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Umso mehr komme es nun darauf an, immer wieder neue Konzepte zu entwickeln. Dazu zähle zum Beispiel, mehr in die Digitalisierung des Geschäfts zu investieren. Müller macht aber auch kein Geheimnis daraus, dass ihm gerade in der derzeitigen Situation die Mehrgleisigkeit seines Unternehmens über die schwere Zeit hilft.

Müller ist in den Medien präsent, hat einen Online-Shop, wo er unter seinen Namen Kochbücher, Glühwein, Stollen, Schürzen etc. verkauft. Darüber vertreibt er derzeit auch seine Genussboxen bundesweit.

Mit den Restaurants „Hannappel“ und „Schote“ hat der Gault & Millau dieses Jahr nur noch zwei Essener Restaurants mit Punkten bewertet. Vier bekamen immerhin noch eine Erwähnung: Es sind das La Grappa, das Laurushaus, die Rotisserie du Sommelier und das Tablo. Damit tauchen auffallend weniger Gaststätten darin auf als noch im vergangenen Jahr, als der Gastroguide noch zehn Adressen in Essen führte. Nicht mehr dabei sind das Casino Zollverein, das Chefs and Butchers, Paul’s Brasserie und das Schiffers.

Enttäuschung über verlorene Punkte

Seit diesem Jahr stehen hinter dem Gault & Millau eine neue Redaktion und ein neuer Verlag und mithin auch eine neue Bewertung. So werden zwar weiterhin bundesweit 1000 Restaurants vorgestellt, aber nur noch 500 mit Punkten bewertet. Warum es aber nur noch sechs Essener Gourmettempel überhaupt in den Führer geschafft haben, dazu wollte sich eine Sprecherin des Burda-Verlages nicht äußern.

Eva Friedrich von der Rotisserie du Sommelier ist darüber natürlich enttäuscht, dass das Restaurant im Gault & Millau nun lediglich erwähnt wird. In der Vergangenheit durfte sich Küchenchef Thomas Friedrich über 15 Punkte und somit zwei Hauben freuen. Eine Erklärung dafür hat sie nicht. Aber Eva Friedrich sieht es in diesen Zeiten auch pragmatisch: „Mit geschlossenem Restaurant nützt es uns ohnehin nichts.“