Essen. Freisenbrucher Firmenhistorie: Fritz Velten erschuf mit Fett Velten eine weltweit tätige Firma. An üblen Geruch erinnern sich manche Essener.
Die väterliche Metzgerei sollte er übernehmen – und erschuf ein weltweit tätiges Unternehmen: Fritz Velten verwandelte das frühere Gelände der Zeche Eintracht-Tiefbau in eine der bedeutendsten Speisefettfabriken Europas, heißt es in Zeitungsberichten aus den 1950er Jahren. Den Namen Velten hörte man dieser Tage wieder, als es in einer der früheren Zechenhallen brannte. Einst lauteten die Schlagzeilen: „Freisenbrucher Fettstrom fließt bis zum Orient.“ An die Geruchsbelästigung im Essener Osten erinnert sich mancher bis heute.
An der Alleestraße kommt damals Rohschmalz in Fässern oder Tanklastzügen aus Amerika, Belgien, Polen, Frankreich oder Dänemark an. Als Halbpfundpakete verlässt das Produkt Freisenbruch: Mit dem Aufdruck „Velten Schmalz“ wird dieser ins gesamte Bundesgebiet verkauft. Rund 110 Mitarbeiter verarbeiten zudem Räucher- und Bauchspeck, stellen Fettsorten her, die als Rohstoffe für die Margarine-Industrie dienen. Exportiert werden Veltens Waren in fast alle europäischen Staaten, nach Nordafrika und in den vorderen Orient.
Herstellung, Handel und Vertrieb von Gefrierfleisch, Speck und Schmalz
1919 gegründet als Unternehmen, zu dem neben der Fleischerei auch Herstellung, Handel und Vertrieb von Gefrierfleisch, Speck und Schmalz gehören, wächst dieses stetig. Immer weitere Betriebszweige wie Schmalzsiederei, Feintalgschmelze, Käse-Import und Großhandel sowie die Vermietung von Kühl- und Lagerhäusern folgen.
Seine Bedeutung erlangt der Betrieb durch die fabrikmäßige Bearbeitung und Herstellung von tierischen Fetten. Und durch die Persönlichkeit Fritz Veltens. Kluger Spürsinn, einsichtige Nutzung des Fortschritts und Fleiß werden ihm ebenso nachgesagt wie Energie und Tatkraft.
Geboren in Königssteele macht der gelernte Metzger sich auf, reist durch die Welt und bringt vor allem eines aus Süd- und Nordamerika mit nach Hause: neue Methoden der Verarbeitungs- und Konservierungstechnik. Gepaart mit seinen Vorstellungen sowie produktiven Ideen und angepasst an den deutschen Markt wird das den Erfolg seiner Firma bedeuten.
Unternehmer kauft das Gelände der stillgelegten Zeche in Essen-Freisenbruch
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Das Unternehmen zieht schließlich an die Alleestraße in Freisenbruch, wo Fritz Velten das Gelände der bereits stillgelegten Zeche Eintracht-Tiefbau kauft. Die Stille auf dem weitläufigem Areal weicht rasch regem Treiben und Hochbetrieb an den späten Nachmittagen, wenn zahllose Wagen auf den Hof rollen. Es entstehen modernste Gebäude wie das sechsgeschossige Räucher- und Großkühlhaus, neuartige Belüftungsanlagen, Räucherkammern (jede fasst eine Tonne Speck), gekachelte Lagerhäuser und stilvolle Büroräume, heißt in der Presse zum 40-jährigen Bestehen. Die Rohstoffe kommen inzwischen aus der ganzen Welt nach Essen, vor allem aus Nord- und Südamerika, aus China, Australien und Afrika.
In Freisenbruch sorgen dann geräuschlose, elektrische Fahrstühle für den Transport zwischen den Arbeitsgängen, während der Fuhrpark auf dem Hof 50 Tonnen Transportkapazität bietet. An das Gelände grenzt ein eigener Bahnanschluss, die Zechenbahn ist nun die Veltenbahn, der ehemalige Koksturm dient längst der eigenen Wasserversorgung. Eigene Schlosserei, Schmiede, Schreinerei und Elektrowerkstatt gehören zu Fett Velten wie das gute Verhältnis zwischen Chef und Belegschaft.
Für notleidende und kranke Mitarbeiter gibt es die Unterstützungseinrichtung
„Freisenbruch und Fritz Velten, das hält wie Pech und Schwefel zusammen“, heißt es über einen Chef mit offenem Ohr für die Sorgen seine Mitarbeiter und Fürsorge für ihr Wohlergehen. Ab 1935 gibt es die Unterstützungseinrichtung für notleidende und kranke Mitarbeiter.
Der Firmengründer selbst gilt als weltgewandt wie heimatverbunden, wird stellvertretender Gemeindevorsteher in Steele, unterstützt den Steeler Kinderchor und den Männergesangverein Haferfeld. Doch selbst über seinen „erstaunlichen Einsatz“ für Freisenbruch (Poststelle, Verlegung der Rohre am Eibergbach, sinnvolle Bebauung, Stadtteilfeste) schweigt er am liebsten.
Ostwind trägt üblen Geruch zur neuen Wohnbausiedlung
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Laut hingegen werden viel später Klagen im Stadtteil: Es sind die 1980er Jahre, Fritz Velten junior leitet den Betrieb. Im benachbarten Bergmannsfeld ist zuvor die Wohnbausiedlung mit ihren Hochhäusern entstanden, wohin der Ostwind den üblen Geruch trägt. Warnungen zum Trotz, so heißt es, seien sie errichtet worden. Es herrscht eben Bau-Boom.
Fett Velten investiert mehr als eine halbe Million Mark, um mit technischen Mitteln Abhilfe zu schaffen. Für Gestank sorgt jedoch zudem das Fett, das mit dem Abwasser in die Kanalisation gelangt und verwest. Also mischt sich die Politik ein, die Stadt macht Auflagen. Den Betrieb auszulagern, steht nie im Raum. Heute sind die Hallen vermietet, Eigentümer des sechs Hektar großen Geländes mit den Gebäuden und Forstflächen ist Rainer Velten (62). Der Enkel des Firmengründers lebt und arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Für die Fettfabrik als mittelständisches Unternehmen habe es es keine Zukunft gegeben.
Auf dem Grundstück soll Kita entstehen, künftig vielleicht auch Wohnraum
Das Freisenbrucher Grundstück würde er gern entwickeln, konkrete Pläne gibt es bereits für eine Kita an der Bochumer Landstraße. Wohnraum lautet eine andere Idee. Altlasten in bestimmten Bereichen und die Frage danach, was geschehen muss, damit die Fläche Bauland wird, sind die Hürden, um weiter Richtung Neubausiedlung zu denken. Rainer Velten erzählt von seinen Überlegungen, als er nach dem Brand vor der abgesperrten Zechenhalle steht. Die Brandursache werde sich nicht mehr ermitteln lassen, sagt die Polizei.
Für den Enkel bleibt das Gelände verbunden mit Verantwortung wie Familiengeschichte. Es ist auch Essener Firmenhistorie des Fabrikanten Fritz Velten. Der stirbt im Februar 1961 mit 73 Jahren. Die Belegschaft nimmt von ihrem Chef Abschied mit einer Traueranzeige: „In seinem schlichten und einfachen Wesen, verbunden mit Herzensgüte und Pflichtbewusstsein war er uns stets ein leuchtendes Vorbild.“