Essen. Die Luft wird für die Essener Gastronomen im bis Januar verlängerten Lockdown immer dünner. Die meisten warten verzweifelt auf die Novemberhilfe.

Eigentlich müssten die Restaurants und Gastwirtschaften in Essen jetzt brummen, allein schon wegen der beliebten Weihnachtsfeiern im November und Dezember. Doch der Corona-Lockdown verhagelt den Gastronomen auch dieses lukrative Geschäft. Bei vielen macht sich Resignation breit, andere ballen die Faust.

Wie Stefan Malich vom Traditionslokal Haus Gimken in Essen-Borbeck. In einem Offenen Brief an Bundesfinanzminister, Ministerpräsident und OB Kufen dringt der Gastronom auf die rasche Auszahlung der versprochenen Novemberhilfe – und fragt vorwurfsvoll: „Ist der Ofen bald ganz aus?“.

Am Donnerstagmittag (3. Dezember) flatterte dem Betriebswirt ein Schreiben des „Teams der NRW Soforthilfe“ ins Haus, das ihm glatt die Sprache verschlug. Die dringend erwartete Novemberhilfe, heißt es darin, werde wohl erst im kommenden Jahr ausgezahlt werden. Für Malich ein Schlag in die Magengrube. „Die Luft wird zusehends dünner“, sagt er und verweist auf die hohen Fixkosten: Steuern, Versicherungen, Strom und Gas, Pacht, vorfinanziertes Kurzarbeitergeld – das mache Monat für Monat 46.000 Euro.

Zwar sei die Novemberhilfe-Anzahlung über 10.000 Euro nur wenige Tage nach Antragstellung eingegangen. „Das mag für einen Einzelkämpfer oder für eine Privatperson viel Geld sein, aber für ein mittelständisches Unternehmen ist dies leider nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“

Trotz Corona: Im Frühsommer und Sommer hat Haus Gimken gutes Geld verdient

Als Corona das Haus Gimken in arge Turbulenzen stürzte, übernahm Malich mit Mehrheitsgesellschafter Horst Becker im Frühjahr mit viel Elan das familiengeführte Hotel-Restaurant auf der Schlossstraße. Der Mut zum Risiko sollte zunächst sogar belohnt werden. Während andere Lokale die Zapfhähne hochdrehten, stellte Haus Gimken neues Personal ein. Inzwischen gehören 26 Leute zum Team. „Im Frühsommer und Sommer haben wir richtig gutes Geld verdient“, sagt Malich. Doch die Belegungsquote des Hotels ist von 72 auf jetzt 13 Prozent geschrumpft.

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Dem Branchenverband Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) nehmen nicht wegen Gastwirte übel, einen Schmusekurs zu fahren. Doch inzwischen zeigt auch Thomas Kolaric, Geschäftsführer Dehoga Nordrhein, klare Kante. Nach täglich Dutzenden Telefonaten mit verzweifelten und zunehmend gereizten Gastwirten sagt er: „Die Substanz ist weg, die Nerven liegen blank.“ Die Überbrückungshilfen für November und Dezember seien vollmundig angekündigt worden. „Doch wenn die Gastronomen aufs Konto schauen, ist nichts da.“ Erst nach und nach treffe das Geld jetzt ein.

Branchenverband Dehoga mahnt bereits Januarhilfen für die Gastronomen an

Die Verlängerung des Lockdowns bis zunächst 10. Januar 2020 bringt die Branche in zusätzliche Schwierigkeiten. „Das wird am 10. Januar nicht zu Ende sein, sondern eher am 10. Februar oder am 10. März“, orakelt Stefan Malich. Während die Novemberhilfen noch auf sich warten lassen, mahnt Dehoga-Geschäftsführer Kolaric bereits Januarhilfen an.

Moritz Mintrop, Vorsitzender des Dehoga-Kreises Essen, wirft der Politik schwerwiegende Versäumnisse vor. „Sie hat keinen Plan.“ Die Lockdown-Verlängerung habe ihn nicht überrascht. „Mich überrascht gar nichts mehr, die Irrfahrt geht weiter.“

Die Inhaber der Essener Kneipe „Früher oder später“ werfen der Politik krasse Ungleichbehandlung vor. Sie verweisen auf die Massenansammlungen bei Querdenker-Demos und volle Innenstädte an Black Friday. „Aber wir Gastronomen sind mal wieder schuld und müssen uns fürs Volk opfern“, heißt es in einem aktuellen Facebook-Post. Und weiter: „Liebe Politiker, legt doch mal ‘ne neue Platte auf, wir Gastronomen würden gerne wieder für uns selbst sorgen.“

Umfrage im Gastgewerbe: 75 Prozent fürchten um Existenz

Laut einer aktuellen Dehoga-Umfrage sehen sich mittlerweile 75 Prozent der nordrhein-westfälischen Unternehmer in Gastronomie und Hotellerie aufgrund der Corona-Krise in ihrer Existenz gefährdet .

Im zehnten Monat der Corona-Pandemie ächzt das Gastgewerbe gewaltig. Im Vergleich zum Oktober des Vorjahres sind die Umsätze im Oktober 2020 – also noch vor dem zweiten Lockdown ab November – bundesweit um 47 Prozent zurückgegangen .

Nach Angaben des NRW-Landesamtes für Statistik sind die Umsätze der Gastrobranche zwischen Januar und August 2019 um 35 Prozent gesunken .

Das Gastgewerbe quält überall dieselben Fragen. Mintrop: „Wie kriegen wir den Betrieb wieder geöffnet? Wie können wir uns aus dem Sumpf herausziehen?“ Er beharrt darauf, dass Hotels und Gastronomien keine Infektionstreiber seien. Doch leider ignoriere die Politik beharrlich diese Erkenntnis.

Wichtiger als der Umsatz ist beim Außer-Haus-Verkauf ist, im Gespräch zu bleiben

Momentan trösten sich etliche Essener Gastronomen mit dem vorweihnachtlichen Außer-Haus-Geschäft. Der Renner ist die Gans, oft die „ganze Gans“. Thomas Stolle, Inhaber des Innenstadt-Lokals „Kiepenkerl zu Essen“, hat die Karte radikal zusammengestrichen auf Ente und Gans. „Der Gast stellt sich das Gericht zusammen und holt es in der Wärmebox ab, das klappt wunderbar.“

Moritz Mintrop bietet schon seit dem 1. November eine breitgefächerte To-Go-Karte mit Menüs und Schlemmerboxen an. Ob sich das betriebswirtschaftlich lohne, stehe auf einem anderen Papier. „Wir setzen alles daran, auf dem Markt weiterhin sichtbar zu bleiben, und die Kunden sind dankbar.“ Immerhin: Das Außer-Haus-Geschäft bewahre so manchen Mitarbeiter vor Kurzarbeit.

Stefan Malich von Haus Gimken verweist beim Außer-Haus-Geschäft ebenfalls auf den Aspekt Kundenbindung. „Unsere Marke darf nicht an Bekanntheit verlieren.“ Essen zum Mitnehmen gebe es nur freitags, samstags und sonntags. „Die Gans ist der Renner“. Aber Malich bleibt Realist. „In zwei Wochen ist dieses Geschäft leider schon vorbei.“