Essen-Rüttenscheid. In Essen-Rüttenscheid hat eine Kältekammer eröffnet. Besucher halten es bei minus 85 Grad aus, weil sie auf heilende Wirkung der Kälte setzen.

An diesem Ort mitten in Rüttenscheid herrschen sibirische Temperaturen. Bis auf minus 85 Grad sinkt das Thermometer an der Kunigundastraße 22, seit dort Tekin Özdemir eine Kältekammer eröffnet hat. Mit dem „coolen“ Angebot wendet sich der Geschäftsmann und Sportler an Menschen, die unter Rheuma leiden, ihr Immunsystem stärken oder sportlich fitter werden wollen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Besucher harren drei bis vier Minuten in der Essener Kältekammer aus

Viele Leute zucken schon bei dem Gedanken zurück, es auch nur ein paar Sekunden bei Eiseskälte aushalten zu müssen. Die Besucher der Coolbox , wie Özdemir die Kammer genannt hat, harren sogar drei bis vier Minuten aus. „Allerdings nicht länger“, betont der 32-Jährige. Ansonsten könnte es statt der erhofften positiven Effekte zu gesundheitlichen Gefahren kommen. Dass die Zeit auch eingehalten wird, das zeigen dem Besucher zum einen Lichteffekte an, zum anderen hat in dem Vorraum der Kältekammer eine Mitarbeiterin von Tekin Özdemir stets die Uhr im Blick und bleibt ohnehin während des gesamten Aufenthaltes an Ort und Stelle. Dadurch habe man immer ein wachsames Auge auf den Besucher, falls er sich doch zu viel zugemutet haben sollte, so Özdemir. Bislang habe es aber solche Vorfälle noch nicht gegeben.

Tekin Özdemir
Tekin Özdemir © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Bereits nach wenigen Wochen habe sich schon ein fester Kundenstamm gebildet, erzählt Tekin Özdemir. Darunter ist Nina Birken , die dem Golfclub Hösel angehört und bei den Europameisterschaften der Midamateure den Vizetitel geholt hat. Nach einer Schulter-OP gehörten die Besuche in der Kältekammer zu den Reha-Maßnahmen, berichtet sie. Die Durchblutung werde gefördert und das steigere auch die Regeneration des Körpers. Birken will aber auch, wenn alle Therapien der Nachbehandlung abgeschlossen sind, der Coolbox die Treue halten. Denn der Aufenthalt komme der eigenen Fitness zugute.

Aus Wuppertal reist regelmäßig der Mediziner Wolfgang Laufer an. Er begleitet zum einen Rheumapatienten, die von guten Erfahrungen berichten würden, so der 60-Jährige. Rheumaschübe würden nach bisherigen Erkenntnissen deutlich seltener auftreten. Laufer sammelt derzeit noch weitere Ergebnisse und will sie nach einigen Monaten auswerten. Darüber hinaus nutzt er aber auch selbst die Kältekammer. Sicherlich gehöre immer ein wenig Überwindung dazu, doch das anschließende Wohlbefinden zeige ihm, dass sich ein Besuch lohne.

Trainerin Maisy Karwatzki schwört auf die Kältekammer. Sie sei in ihrem Beruf hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt, mit Hilfe frostiger Temperaturen lasse sich ein Ausgleich erreichen. Ohnehin gewinne sie immer wieder den Eindruck, dass sich auch Stress auf diese Weise abbauen lasse. Die frühere Leistungsschwimmerin und Handballerin möchte die Coolbox nicht mehr missen.

Besucher betreten die Kammer in Badekleidung

Zunächst in Finnland und Japan entwickelt

Finnland als auch Japan gelten als die Länder, in denen Kältekammern zunächst entwickelt wurden. In den 80er Jahren fand die Technik auch in deutschen Kliniken Eingang.

Ein einzelner Aufenthalt in der Coolbox kostet 24,90 Euro, eine 10er Karte 199 Euro.

Die Öffnungszeiten; Mo-Fr: 10-12 Uhr und 16-20 Uhr, Sa: 10-16 Uhr, E-Mail:kontakt@coolbox-essen.com, 0152/226188 88

Bevor ein Besucher überhaupt Einlass bekommt, füllt er einen Fragebogen zu seinem gesundheitlichen Zustand aus. Bei Nierenproblemen etwa müsse ein Gast draußen bleiben, ebenso wenn jemand einen Herzschrittmacher habe. „Die Abfrage ist äußerst wichtig, schließlich möchten wir etwaige Komplikationen vermeiden“. Das Betreten der Kältekammer erfolge in Badekleidung. Zudem sollten die Gäste Handschuhe, Socken sowie Nasen- und Ohrenschutz anlegen. Im Vorraum liege eine Auswahl bereit.

Für Bodybuilder Philipp Jendreiek zählt der Besuch in der Eissauna zum Trainingsprogramm.
Für Bodybuilder Philipp Jendreiek zählt der Besuch in der Eissauna zum Trainingsprogramm. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Der Aufenthalt in der Coolbox sei immer nur für eine Person vorgesehen, das habe auch etwas mit der Größe zu tun, betrage die Fläche doch in etwa vier Quadratmeter. Darüber hinaus würden es die meisten Leute ohnehin bevorzugen, die Zeit in frostiger Kälte allein zu verbringen. Während des Aufenthaltes kühle die Hautoberfläche empfindlich ab, allerdings bleibe die Kerntemperatur des Körpers fast normal, so Özdemir.

Wer die Box wieder verlässt, der kann sich in den Räumen an der Kunigundastraße noch eine Weile aufhalten, um sich aufzuwärmen. Getränke stehen bereit und Obst für den Vitaminhaushalt.

Betreiber hat mit Kältetherapien gute Erfahrungen gewonnen

Als sich Tekin Özdemir, im Hauptberuf IT-Systemkaufmann, für den Kauf der Coolbox entschied, „waren eigene Erfahrungen mit Kältetherapien ausschlaggebend“. Der Besuch von Kältekammern gehörte dazu, als er vor Jahren überflüssige Pfunde loswerden wollte. Gekoppelt mit einer passenden Diät und reichlich Sport habe er 30 Kilo abgenommen. In seiner Jugend spielte er übrigens für Rot Weiß Essen, zudem gehörte er der Taekwondo-Nationalmannschaft an. Um für den Betrieb der Kältekammer fit zu sein, hat der Essener Schulungen absolviert und sich zudem mit den Anwendungsgebieten der Therapie befasst.

Medizinerin: Mehr Sauerstoff stärkt die Muskeln

Die angehende Sportmedizinerin und Kardiologin an der Uni-Klinik Essen, Dr. Simone Mrotzek, hat in ihrer Zeit als Leichtathletin (7-Kämpferin) das Bad in einer Eistonne zur Regeneration zwischen den Wettkampftagen genutzt. Sie beschreibt die Wirkung der eisigen Kälte: „Dadurch verengen sich die kleinen Gefäße der Haut, dem größten menschlichen Organ, und die Blutmengen stehen für den Rest des Körpers zur Verfügung. Es kann mehr Blut, beispielsweise in die Muskulatur gepumpt werden. Die Muskelkraft nimmt zu. Ferner führt die Kälte zu einer intensiveren Atmung. In die Muskeln gelangt mehr Sauerstoff und sie können sich schneller erholen. So zeigen Studien zumindest eine kurzfristig erhöhte Leistungsfähigkeit auf.

Der Effekt der ,Mehrdurchblutung’ soll auch in der Behandlung von Krankheiten genutzt werden: Arthritis, Rheuma oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Ebenso sollen chronische Schmerzen wie bei Fibromyalgie oder Rücken-/Schulterschmerzen gelindert werden können und Juckreiz bei Neurodermitis/Schuppenflechte. Um die Gefahr von Erfrierungen zu vermeiden, empfiehlt die Ärztin das Tragen von dicken Socken, Handschuhen, Mütze, Nasenbedeckung. Der längerfristige Nutzen in der Behandlung von Erkrankungen seien jedoch noch unklar und sollten vor allem bei bestehenden Risiken individuell eingeschätzt werden.