Essen. Der umstrittene Rauswurf eines Awo-Referatsleiters wird nicht mehr vor Gericht ausgetragen: Der Wohlfahrtsverband sucht die verschwiegene Lösung.

Wenn es denn wirklich Finanzprobleme bei Essens Arbeiterwohlfahrt gibt – an diesem Donnerstagmorgen vor dem Arbeitsgericht an der Zweigertstraße sind sie definitiv nicht kleiner geworden. Denn den Ende September eingestielten fristlosen Rauswurf eines Awo-Referatsleiters, der intern für empörte Reaktionen und bei der Stadt wie auch anderen Partnern für einige Irritation gesorgt hatte, den schafft der Wohlfahrtsverband mit einem hübschen Sümmchen Geld aus der Welt. Im Gespräch ist eine Abfindung von rund 80.000 Euro.

Arbeitsrichter Tim Kusch musste den Parteien beim Gütetermin dabei nicht einmal gut zureden: Schon früh wurde deutlich, dass die Awo großes Interesse daran zeigt, ohne den Ex-Mitarbeiter zügig zur Tagesordnung überzugehen. Zugleich wurde die Mutmaßung bestätigt, dass der Streit um eine vermeintliche finanzielle Schieflage im Verband die Personalie ausgelöst hatte. Der Referatsleiter soll gegenüber Dritten über Finanznöte der Awo berichtet, ja, sogar von drohender Insolvenzgefahr geraunt haben.

Unternehmen Arbeiterwohlfahrt

Der AWO Kreisverband Essen e.V. ist nicht nur ein Verein, sondern – wenn man so will – auch ein Unternehmen des Sozialsektors mit Zig-Millionen-Umsätzen und 1500 Mitarbeitern. Detaillierte Zahlen sind gleichwohl nicht öffentlich einsehbar und werden auch auf der Awo-Webseite nicht preisgegeben.

Daran wird sich angesichts der nun angestrebten gütlichen Einigung vor dem Arbeitsgericht wohl auch nichts ändern. Geschäftsführer Oliver Kern hatte eine Offenlegung mit dem Verweis abgelehnt, es handle sich beim Zahlenwerk wie bei den Personalia um Interna des Wohlfahrtsverbands.

Insolvenzgefahr? „Das konnte man so nicht durchgehen lassen“

Wer diese ominöse Dritten waren, bleibt nun aber wohl ebenso verborgen wie jene Zahlen aus der Awo-Bilanz, mit denen ihr Anwalt Thomas Grube bei einer Verhandlung nach eigenem Bekunden gerne dokumentiert hätte, „wie fernliegend, abwegig geradezu“ Pleite-Gerüchte aller Art für die örtliche Awo sind: „Das konnte man so nicht durchgehen lassen.“

Offen bleibt, was die Arbeiterwohlfahrt dabei wirklich hätte beweisen können, denn der Referatsleiter streitet den Vorwurf außerhalb interner Leitungsrunden über Finanznöte orakelt zu haben, rundheraus ab. Und offen bleibt auch, warum die Awo „nie mit meinem Mandanten darüber gesprochen“ hat, wie Anwältin Laura Ducrée beklagte, sondern diesen trotz 20 Jahren „unbeanstandeter Tätigkeit“ filmreif aus dem Haus eskortierte. Einen „Mangel an Respekt“ nannten geschockte Mitarbeiter das damals.

Gut zureden war kaum nötig: Arbeitsrichter Tim Kusch sah eine hohe Bereitschaft von Kläger und Awo, sich außergerichtlich zu einigen.
Gut zureden war kaum nötig: Arbeitsrichter Tim Kusch sah eine hohe Bereitschaft von Kläger und Awo, sich außergerichtlich zu einigen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Eine unwirsche Antwort des Vorstands auf den Mitarbeiter-Brief

Die Awo hingegen beharrt darauf, den Mann „nicht wie einen Kriminellen“, sondern „den Umständen entsprechend positiv behandelt“ zu haben, so ihr Anwalt Grube. In einem Antwortbrief an die Belegschaft hatte zuvor schon der Awo-Vorstand das Vorgehen verteidigt und sich angesichts der Vorwürfe eher unwirsch gezeigt: Es sei „nicht zielführend und wenig wertschätzend, Mitarbeiter*innen über Gerüchte zu verunsichern und ,unausgegorene’ und ,angebliche’ Maßnahmen in die Awo-Welt zu tragen“.

Wie die Einigung am Ende im Detail ausfällt, bleibt voraussichtlich nichtöffentlich. Der Referatsleiter? Wird sich mit einem zur fristgerechten Kündigung gewandelten Abschied samt Abfindung einen neuen Job suchen. Und wie verunsichert die Awo-Mitarbeiter sind, wissen wohl nur sie selbst. Mit Medien spricht keiner mehr, die mit drohendem Unterton verbreiteten Mahnungen, Stillschweigen zu bewahren, fruchten offenbar. Und der Hinweis auf einen Termin am Donnerstagabend war dann wohl doch eher scherzhaft gemeint: Da lud die Awo Katernberg zum „gruseligen Erzählcafé“.

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