Essen. Der ambulante Hospizdienst Essen-Nord begleitet Menschen in der letzten Lebensphase. Die Ehrenamtlichen helfen ihnen, zu Hause sterben zu können.
Es ist ein Abschied, der Barbara Djaja schmerzt: „Dass das Marienhospital geschlossen ist und das Vincenz- Krankenhaus folgen wird, ist für uns ein Hammer.“ Die 58-Jährige kennt sich mit Abschieden aus: Sie ist Koordinatorin des ambulanten Hospizdienst Essen-Nord, begleitet mit 26 Ehrenamtlichen Menschen in ihrer letzten Lebensphase: zu Hause, in Seniorenheimen – oder im Krankenhaus.
Djaja und ihr Team werden auch in Zukunft da sein für die Menschen, die zwischen Kray-Süd und Karnap leben und sterben. Doch die enge Zusammenarbeit mit den beiden Krankenhäusern sei nicht einfach zu ersetzen. „Wir sind dadurch mit den Menschen in Kontakt gekommen, haben sie dort besucht und begleitet oder mit ihnen besprochen, wo sie die letzte Zeit ihres Lebens verbringen möchten.“
Letzte Wünsche erfüllen, wichtige Dinge regeln
Die meisten wünschten sich, zu Hause zu sterben. Da ist es gut zu wissen, dass es im Stadtteil einen Hospizdienst gibt, der hilft, dies möglich zu machen. „Viele denken, wir kommen erst, wenn nur noch wenig Zeit bleibt. Dabei ist es besser, wenn wir früher da sind, wenn noch nicht alle Wunden so groß sind.“
Dann könne man vielleicht noch etwas unternehmen, sich unterhalten, letzte Wünsche erfüllen, wichtige Dinge regeln. Wer erfahre, dass er eine unheilbare Krankheit habe, denke zwangsläufig an den Tod, Barbara Djaja denkt an das Leben, das dann noch zu gestalten ist. Meist folgten ja erst Therapien, bleibe Zeit.
Viele quält die Angst – doch die Freude ist auch da
Fast immer quäle die Betroffenen die Angst, aber sie erlebe auch viel Freude: „Ein Mann wollte mit mir lieber einen Kurzen trinken als übers Hospiz zu sprechen.“ Djaja bevorzugte einen Espresso, respektierte aber, dass er das schwere Thema erst ausklammerte. Sie sei ein Gast, der in die Privatsphäre eingelassen werde. Da erfahre man viel Persönliches und müsse lernen, „den Menschen auch Geheimnisse zu lassen“.
Neben dem körperlichen Leiden quälten die sich mit spirituellen Fragen, mit Einsamkeit, Angst und seelischem Kummer. Am Ende des Lebens gebe es einen umfassenden Schmerz, der sich nicht allein mit Schmerzmitteln lindern lasse. „Die Ehrenamtlichen gehen darauf mit Empathie und Wertschätzung ein.“
Sie hören zu, sitzen nachts am Bett, sind einfach da. Sie entlasten auch die Angehörigen, etwa indem sie sich um die Kinder kümmern, Anträge ausfüllen, Termine vereinbaren oder bei der Anmeldung im Hospiz helfen. Pflege- und Hausarbeit übernehmen sie nicht.
Für die Zurückbleibenden bricht eine Welt zusammen
Mitunter denke der Sterbende, er könne seiner Frau nicht sagen, wie schlecht es ihm gehe, und die Frau denke: „Ich tue ihm weh, wenn ich ihm sage, wie schlimm es um ihn steht.“ Da helfe es schon, dass beide diese Gedanken dem Ehrenamtlichen vom Hospizdienst anvertrauen können. Barbara Djaja sagt aber auch: „Manchmal wird nicht alles gut.“ Und am Tag des Todes breche für den Zurückbleibenden eine Welt zusammen.
Sie selbst hat erlebt, wie allein man in dieser Situation sein kann: Als ihr Bruder in den 1990er Jahren relativ jung starb, habe es weder eine ambulante Begleitung noch einen Hospiz-Platz gegeben. „Durch die Trauer um meinen Bruder kam ich zur ehrenamtlichen Hospizarbeit.“ Seit 13 Jahren ist sie nun hauptberuflich dabei, 2018 wechselte sie vom Hospiz in Steele zum Hospizdienst. Ihre Botschaft sei, dass der Wunsch zu Hause zu sterben, oft erfüllt werden könne. Dafür seien sie da.
„Die Ehrenamtlichen sind ein Goldschatz“
Ohne die Ehrenamtlichen, die intensiv geschult und begleitet werden, ginge das nicht. „Die sind ein Goldschatz.“ Zweimal im Monat treffen sie sich, teilen ihre Erlebnisse und ihre Trauer: Etwa 50 Menschen betreuen sie in einem Jahr, 33 sind in diesem Jahr verstorben. In Zeiten coronabedingter Besuchsverbote sei das oft ein einsamer Tod; wie bei dem jungen Mann, „der nur vom Pflegedienst und von mir besucht wurde; das hat mich sehr berührt“.