Essen-Rüttenscheid. An der Rüttenscheider Brücke sollen Wohn- und Geschäftshäuser entstehen. Bei Bürgerversammlungen gab es Kritik unter anderem am Ausmaß der Pläne.

Heftige Kritik am Bauvorhaben Rüttenscheider Brücke äußerten viele der rund 250 Besucher, die der Einladung zu den beiden Bürgerversammlungen am Dienstag Abend in der Messe Essen gefolgt waren. Im Herzen des Stadtteils sollen rund 120 bis 140 Wohnungen entstehen plus einige Büros und Gewerbeeinheiten.

Jurist verweist auf Baurecht des Investors in Essen-Rüttenscheid

Im Saal Europa der Grugahallen kamen die Bürger zusammen.
Im Saal Europa der Grugahallen kamen die Bürger zusammen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Starken Beifall gab es vor allem für eine Forderung: den Bau zu verhindern. Rüttenscheid habe ohnehin schon mehr als ausreichend neue Baugebiete, argumentierte eine Besucherin. Fakt ist allerdings, dass die Nachfrage in Rüttenscheid unverändert hoch ist und gerade Neubauwohnungen sehr rasch Käufer oder Mieter finden. Leerstände sind praktisch unbekannt. Friedhelm Stärk, Mitarbeiter der städtischen Bauleitplanung erklärte, Essen brauche bis 2030 rund 16.500 neue Woh­nungen.

Der Essener Baujurist Gerd-­Ulrich Kapteina sieht keine Chance einer grundsätzlichen Verhinderung. Das Baurecht des Investors stehe auf solidem juristischen Fundament. Nach dem geltenden Gesetz könne die Hopf-Gruppe die Bauten schon jetzt errichten, wenn sie sich an grundsätzliche Vorschriften halte. Der Experte empfahl den Bürgern, den zur Rede stehenden Bebauungsplan zur Mitsprache zu nutzen, um bei Details mit dem Investor ins Gespräch zu kommen.

Rüttenscheider Bürgerforum legt lange Liste an Bedenken vor

Bis zu sieben Geschossen sieht die derzeitigen Pläne für das Bauprojekt vor.
Bis zu sieben Geschossen sieht die derzeitigen Pläne für das Bauprojekt vor. © OH

Das Rüttenscheider Bürgerforum präsentierte dann auch eine umfangreiche Liste an Bedenken und Kritikpunkten, die in dem Vorstoß mündeten, die Geschosszahl auf vier zu begrenzen – die Hopf-Gruppe plant derzeit mit sieben Geschossen und orientiert sich dabei an die Höhe der Häuser in der Umgebung, etwa des Girardet-Gebäudes.

Ulrike Prager und Gabriele Knudsen vom Bürgerforum äußerten die Sorge, dass der Stadtteil nicht noch mehr Autoverkehr vertrage, der durch neue Büros und Gastronomien entstehe, die neben den Wohnungen ebenfalls in dem Komplex Platz finden sollen. Beachten müsse man auch, dass derzeit weitere neue Quartiere entstünden, unter anderem auf dem Gelände der ehemaligen Spedition Paas südlich des Krupp-Krankenhauses, deren Folgen für die Verkehrsbelastung man noch gar nicht kenne. Darüber hinaus werde sich auch der Parkdruck massiv erhöhen, auch wenn für die Bewohner der Neubauten Tiefgaragen vorgesehen seien.

Kontroverse Aussagen zu den Auswirkungen auf das Stadtklima

Solchen Argumenten stellte das Dorstener Unternehmen Lehmkühler, ein Spezialist für Klimagutachten, ihre Untersuchungsergebnisse entgegen. Auf die Frischluftzufuhr würden sich die Baukörper nicht nachteilig auswirken, auch laut der Klimakarten des Regionalverbands Ruhr ist das Gelände für die Stadtbelüftung ohne Belang. Die Wissenschaftlerin Ani Melkonyan-Gottschlick empfahl dennoch, in solchen Fragen den Blick auf den gesamten Stadtteil oder das Stadtgebiet zu richten.

Weitere Bürgerversammlung vorgesehen

Für Professor Klaus Selle hatten sich die Stadt und das Bürgerforum entschieden, weil er als ausgewiesener Experte für Freiraumentwicklung und Bürgerbeteiligung gilt.

Neben den Vertretern der Stadt, die zunächst das Vorhaben erläuterten, waren auch eine Experten zu Gast, die Antwort auf Einzelfragen, wie beispielsweise Klimagutachten, geben sollten.

Die beiden Versammlungen sind Teil der frühzeitigen Bürgerbeteiligung, erläuterte Klaus Selle. Die Besucher haben Gelegenheiten zu ersten Entwürfen Stellung zu beziehen. In einem weiteren Schritt, der formellen Beteiligung, folgt eine weitere Einladung an die Bürger. Bei dieser weiteren Versammlung werden dann die konkreten Pläne erörtert.

Unterschiedliche Einschätzungen gab es ebenfalls zur künftigen Begrünung. Das Bürgerforum bemängelt, dass Bäume gefällt werden müssten. Neuanpflanzungen würden keinen gleichwertigen Ersatz bieten. Zudem seien auf dem Platz, den die Hopf-Gruppe als Erweiterung der Brücke anlegen wolle, aufgrund des Standorts nur Bäume mit geringem Wurzelwerk möglich.

Pläne sehen Verlust der direkten Anbindung an die Grugatrasse vor

Ein solches Areal inmitten des Stadtteils zu schaffen, sei dennoch vorteilhaft, unterstrich Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid. Denn an freien Plätzen herrsche Mangel. Er wie auch weitere Gäste hegen gleichzeitig Zweifel, ob der Platzcharakter wirklich zur Geltung kommen kann. Unterhalb der Baukörper führt der Radweg entlang. Um dort für ausreichend Licht zu sorgen, damit keine Angsträume entstehen, sollen auf dem Platz eine Reihe von Glaselementen eingelassen werden, die dann gegebenenfalls nicht begehbar wären.

Dass mit dem Bauvorhaben auch die direkte Anbindung an den Radweg verloren gehen würde, sahen eine Reihe von Bürgern als weiteren Kritikpunkt an. Bislang können Radfahrer die Trasse noch über eine Rampe an der Wittekindstraße erreichen, die aber nach jetzigem Planungsstand verschwinden soll.

Sorge um Verlust einer großen Freifläche mitten im Stadtteil

Viele Bürger sorgen sich, dass Rüttenscheid eine große Freifläche verliere, die auch als Veranstaltungsplatz für Flohmärkte, Gourmetfeste oder Freizeitgestaltung diene. Allerdings bleiben rund 80 Prozent des Geländes ohnehin auch nach einer möglichen Bebauung frei, da diese Flächen bei Großmessen weiter als Parkplatz genutzt werden – eine Funktion, auf die die Messe Essen nach Auskunft ihrer Geschäftsführers Oliver P. Kuhrt auch künftig auf keinen Fall verzichten könne.

Wer sich im Internet über die Planung informieren möchte, findet die entsprechenden Informationen unter der Adresse www.essen.de/Stadtplanung. Die Stadt weist darauf hin, dass den Bürgern dort auch die Möglichkeit geboten wird, Hier können ebenfalls Stellungnahmen abzugeben.

Darüber hinaus ist eine zusätzliche Planungswerkstatt vorgesehen. Der bislang dafür anberaumte Termin ist der 19. November ab 18 Uhr in der Volkshochschule (Saal im UG), Burgplatz 1. Hier besteht die Möglichkeit, einzelne Themen und Fragen vertiefend zu erörtern. Da die Zahl der Teilnehmenden auf 40 Personen begrenzt sein muss, ist eine schriftliche Anmeldung erforderlich.

Die Pläne zum Vorhaben liegen zudem noch bis Freitag, 30. Oktober, im Deutschlandhaus, R 501, an der Lindenallee 10 aus und können montags bis freitags von 8 bis 15 Uhr eingesehen werden. Weitere Infos unter 88 61354.

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