Altenessen. Aus den allermeisten Nichtschwimmern werden am Essener Leibniz-Gymnasium Schwimmer. Das Konzept ist personalaufwendig.
Mehrere Kleingruppen die von Lehrern und Studenten betreut werden. Hier wird Wassergewöhnung gemacht, dort Bahnen geschwommen und an den Blöcken der Kopfsprung geübt. So sieht der Schwimm-Unterricht der Schwimm-AG am Leibniz-Gymnasium aus.
Nichtschwimmer gibt es auch auf der weiterführenden Schule
Rund 60 von 145 Fünftklässlern, die zu dieser Schule kommen, sind keine sicheren Schwimmer, das bedeutet, sie besitzen noch nicht das Schwimmabzeichen in Bronze und haben somit einen Förderbedarf im Bereich schwimmen. „Das ist ganz traurig, die würden einfach untergehen“, erklärt Sportlehrer Eric Bardenberg. Er weiß, dass das kein punktuelles, sondern ein Problem der modernen Zeit ist. Schwimmbäder schließen, beide Eltern sind oft berufstätig, mit G8 hätten die Kinder zuletzt schulisch viel Stress gehabt und Medienzeit werde immer wichtiger. Er habe das Gefühl, Sport habe in den Familien nicht mehr einen so hohen Stellenwert. „Manche Siebtklässler, die eine halbe Runde um den Sportplatz gelaufen sind, sind völlig erschöpft, vor allem nach dem Lockdown“, weiß Bardenberg.
Beim Schwimmen sei es ähnlich. Er ist froh, dass seine Kollegin Maike Voshege seit zehn Jahren viel Herzblut in die Schwimmausbildung an dem Altenesser Gymnasium steckt. Das wurde jetzt mit dem DLRG-Schulsiegel für besonders hohes Engagement bei der Schwimmausbildung belohnt.
Viele Schüler machten in Essen damals sogar Abitur, ohne sichere Schwimmer zu sein. Dieser Zustand war für die Sportlehrerin nicht hinzunehmen und so entstand das Konzept der Schule, welches anfangs versuchte trotz, wenig vorhandener finanzieller Mittel, eine intensive Förderung der Schüler zu ermöglichen und schlussendlich allen einen Zugang zum Wassersport zu bieten.
„Wir sind saustolz“, sagt Bardenberg und erläutert das Konzept seines Teams, zu dem auch die derzeitige Leiterin der Schwimm-AG, Tabea Tölke und Schwimmlehrer Steffen Berkau gehören: Die Fünftklässler haben alle eine Doppelstunde pro Woche Schwimmunterricht. Mindestens zwei Lehrer und zum Teil noch ein Student mit Trainerlizenz sind dabei, um auf die Schüler individuell einzugehen.
Schon das ist eine Ausnahme: An den meisten Schulen gehen ein oder zwei Lehrer mit der ganzen Klasse - oft knapp 30 Kinder - schwimmen. Bardenberg: „Im Schnitt sind pro Klasse fünf bis sieben Nichtschwimmer dabei. Diesen dann tatsächlich Schwimmen beizubringen ist unter den Bedingungen fast unmöglich.“
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Zusätzlich zum Unterricht gehen alle, die noch kein Bronze-Abzeichen haben, wöchentlich zur 60-Minuten-Schwimm-AG, nicht ganz freiwillig, aber laut Bardenberg ohne zu murren. Auch hier werden Kleingruppen von fünf bis acht Kindern gebildet und individuell an den einzelnen Problemen gearbeitet. Möglich ist das nur durch über ein hohes soziales Engagement von schwimmstarken Schülern, die in der Schwimm-AG als Helfer, nach dem Prinzip Schüler helfen Schülern, aktiv sind.
„Die Angst nehmen, ist erstmal das wichtigste“, erklärt Bardenberg. Das wird spielerisch gelöst, indem die Kinder beispielsweise einen Tischtennisball über das Wasser pusten oder sich unter Wasser Zahlen zeigen und diese erraten. So lernen sie, unter Wasser die Augen zu öffnen. Einige haben Angst, den Beckenboden zu verlassen, da hilft eine Poolnudel oder ein Schwimmbrett. In den nächsten Schritten geht es dann um die Technik – ganze Bahnen zu schwimmen, reinzuspringen, unterzutauchen und irgendwann mit dem Schwimmabzeichen nach Hause zu gehen.
Projekttag zum Thema Wassersport in Klasse neun
Das Leibniz-Gymnasium bietet auch noch eine Rettungsschwimmen AG an. Dort können Schüler das Junior-Retter-Abzeichen ablegen und dann als Schwimmhelfer in der Schwimmlern-AG Kleingruppen betreuen.
Zum Konzept gehört außerdem, dass die Eltern für die Ziele im Schwimmunterricht sensibilisiert und informiert werden, nicht nur auf einem Elternabend in klasse fünf, sondern auch in einem Elternbrief.
Im neunten Schuljahr gibt es am Leibniz-Gymnasium einen Projekttag zum Thema Wassersport. Kanu, Rafting, Rudern, Drachenboot, Wasserski oder Surfen steht dann auf dem Programm. so soll die Schwimmfähigkeit positiv in den Vordergrund gestellt werden und den Kindern soll gezeigt werden, warum es wichtig ist, schwimmen zu können.
Das schaffen am Leibniz-Gymnasium tatsächlich fast alle Nichtschwimmer im fünften Schuljahr - wenn nicht gerade Corona ist. Im Schuljahr 2019/2020 verteilten Eric Bardenberg und seine Kollegin zudem jede Menge Bronze- Silber- und Goldabzeichen. „Sicherer Schwimmer ist erst, wer das Bronzeabzeichen hat. Erst dann darf man an Wassersportaktivitäten in Schule und Freizeit teilnehmen“, erklärt Bardenberg. Dafür müssen die Schüler unter anderem 200 Meter in 15 Minuten schwimmen, einen Kopfsprung machen und zwei Meter tief tauchen, um einen Gegenstand heraufzuholen.
Vor den Weihnachtsferien dürfen die Leibniz-Schüler einmal alle im Schlafanzug kommen. „Einerseits ist das eine Spaßstunde, andererseits können die Kinder so erfühlen was passiert, wenn sie mal mit Kleidung vom Boot oder von einem Steg ins Wasser fallen“, erklärt Bardenberg, der dafür plädiert, dass die Eltern mit ihren Kindern von Klein auf ins Schwimmbad gehen, an Babyschwimmkursen teilnehmen und im Urlaub nicht nur Sandburgen bauen, sondern tatsächlich auch ins Meer gehen. Wenn die Kinder das Element Wasser kennen, seien die Lehrer schon extrem entlastet.
Sportlehrer brauchen Geduld, bis Kinder überhaupt im Wasser sind
Denn das Konzept an der Altenessener Schule ist zwar jetzt von der DLRG preisgekrönt, doch es erfordert jede Menge Geduld, nicht nur bei Wassergewöhnung und Techniktraining, sondern schon viel eher. Eric Bardenberg gibt einen Einblick in seinen Alltag als Sportlehrer: „Erstmal müssen alle Kinder in den Bus einsteigen und dort halbwegs still sitzen, dann müssen sie sich umziehen und dann kann es überhaupt erst losgehen.“
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