Essen. Leerstände, Drogensüchtige, zu wenig Parkraum: Der Chef der Modekette Sinn sieht die Essener Innenstadt auf einem gefährlichen Abwärtstrend.
Massive Leerstände an Ladenlokalen, Drogenabhängige und Trinker in den Fußgängerzonen und zunehmende Einschränkungen für den Autofahrer – Friedrich Göbel, Chef der Modekette Sinn, sieht die einstmals blühende Einkaufsstadt Essen auf dem absteigenden Ast.
Längst sei die Westfalen-Metropole Dortmund die beliebteste Einkaufsstadt in Nordrhein-Westfalen. Und wenn nicht massiv gegengesteuert werde, so die düstere Prognose des Sinn-Chefs, drohe die Essener Innenstadt genauso zu veröden wie die in Oberhausen und Duisburg.
Erst vor vier Monaten, mitten in der Corona-Krise, ist das traditionsreiche Mode-Unternehmen Sinn wieder nach Essen zurückgekehrt: als Nachfolger von „Ansons’s“ im Eick-Haus am Willy-Brandt-Platz. Nur zwei Jahre wird Sinn hier bleiben, dann baut der Eigentümer das traditionsreiche Geschäftshaus gründlich um.
„In Essen hat man es versäumt, auf die Entwicklungen der letzten 20 Jahre zu reagieren“
Immerhin: Trotz erheblicher Nachteile, die der Einzelhandelsstandort Essen inzwischen aufweise, denke Sinn keineswegs daran, die Stadt zu verlassen. Seine Kritik will er vielmehr als Appell an die Verantwortlichen, insbesondere im Rathaus, verstanden wissen, endlich die Weichen für die Zukunft zu stellen.
„Die Dinge haben sich in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt, aber in Essen hat man es leider versäumt darauf zu reagieren“, so der Sinn-Chef. Die Leuchtreklame auf dem Handelshof mit dem Schriftzug „Einkaufsstadt“ mache zuletzt einen „verlotterten“ Eindruck.
Die starke – und vielfach beanstandete – Präsenz von Menschen mit Migrationshintergrund in der City erachtet Göbel übrigens keinesfalls als Problem. Im Gegenteil: „Viele unserer Beschäftigten haben Migrationshintergrund, gleiches gilt für unsere Kundschaft.“ Bedenklich hingegen seien Leute aus der Drogen- und Trinkerszene, die vom Willy-Brandt-Platz verschwunden seien und neue Treffpunkte gefunden hätten.
Göbel: „Egal ob sie selbst- oder unverschuldet in Not geraten sind, sie geben anderen Menschen das Gefühl des Unwohlseins.“ Letzten Sonntag sei er beim Bummel durch die City am Flachsmarkt auf „gut 20 Junkies“ gestoßen und auf der Straße hätten „Bierpullen“ herumgestanden. Solche Zustände, tadelt Göbel, dürfe das Ordnungsamt der Stadt nicht tolerieren.
Ein Manko: Der Leerstand an Ladenlokalen in Essen sei überdurchschnittlich hoch
Dass Essen als überregional bedeutender Wirtschaftsstandort spürbar an Bedeutung verloren habe, schlage sich auch im Einzelhandel nieder: Der Leerstand an Ladenlokalen sei in der Essener City überdurchschnittlich hoch. Göbel nennt Beispiele: das ehemalige Sportcheck, der alte Standort der Mayer’schen Buchhandlung gegenüber der Marktkirche, das demnächst leerstehende Galeria-Kaufhof-Warenhaus sowie Leerstände auf der Kettwiger- und Limbecker Straße und im Einkaufszentrum Limbecker Platz.
Trotzdem, so Göbel, müssen die Essener Innenstadt „nicht den Bach runtergehen“. Der Chef der Modekette verweist auf andere Städte, in denen mit Unterstützung der öffentlichen Hand kluge Lösungen für leerstehende Geschäftshäuser gefunden worden seien. Verwaltung und Politik seien aufgerufen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Einzelhandel nutzten.
Deshalb warnt Göbel auch davor, jene Kunden zu vergraulen, die mit dem Auto in die Innenstadt führen. „Wer den Individualverkehr benachteiligt, fördert den Einzelhandel bestimmt nicht.“ Im zunehmend beliebter gewordenen Fortbewegungsmittel Fahrrad sieht der Sinn-Manager zumindest in puncto Einkaufen keine ausreichende Alternative zum Auto. „Im platten Münster mag das funktionieren, in Essen, das sehr viel Gefälle hat, hingegen nicht.“