Holsterhausen. Der Frust sitzt tief bei Anwohnern der Holsterhauser Straße in Essen. Der Lärm der U-Bahn sei kaum zu ertragen. Es werde immer schlimmer.
Seit 50 Jahren lebt Sigrid Tempran nun schon in Holsterhausen, aber so schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen, meint die Essenerin, wenn sie über die U17 spricht. Der Lärm sei unerträglich geworden. Mit ihrem Ärger steht sie nicht allein da: Viele Nachbarn zeigen sich ebenso genervt.
„Auf der Strecke wird einfach zu schnell gefahren“, mutmaßt Andreas Müller, der in unmittelbarer Nähe zur Station Halbe Höhe lebt. Das Tempo trage wesentlich zu dem Krach bei, der sein Leben ganz erheblich einschränke. Andere Nachbarn erzählen davon, dass sie ihre Balkontür nur noch ganz selten öffnen, sonst könne man es im Wohnzimmer kaum aushalten, und selbst bei geschlossener Tür dringe noch immer reichlich Radau in die eigenen vier Wände. Besonders arg sei es sicherlich durch die jetzige Baustellenphase. Aufgrund von Arbeiten der Stadtwerke an einer Hauptwasserleitung sei die Station zu einer Art Kopfbahnhof geworden, und die Bahnen legen an der Halben Höhe eine Kehrtwende in Gegenrichtung ein, wodurch zusätzlicher Lärm entstehe. Doch auch schon vor dieser Belastung sei es unheimlich laut gewesen, berichten die Anlieger.
Das kann Margit Kulla (65) nur bestätigen. „Die Bahnen fahren alle zehn Minuten, und das von 4.30 Uhr in der Früh bis um 23.15 Uhr“, schildert sie ihren Alltag. In den vergangenen Jahren sei der Lärmpegel deutlich angestiegen. Sie rätsele wie auch andere Anwohner, worin die Gründe liegen könnten – ob es am Alter der Wagen liege oder auch daran, dass im Gegensatz zu früher die Schienen nicht mehr so oft geschliffen würden.
Bezirksvertretung hat sich schon mehrfach mit dem Thema befasst
Früher habe man regelmäßig einen entsprechenden Wagen auf der Strecke gesehen, der dafür gesorgt habe. Das sei heute nicht mehr der Fall.
Nicole Paschedag (35) ist im Schichtdienst tätig und findet häufig keinen Schlaf, „weil die Bahnen so einen Lärm machen“, sagt sie. „Bei uns vibriert bei der Vorbeifahrt das ganze Haus.“ Inzwischen lebe sie schon zehn Jahre an der Holsterhauser Straße und spüre, wie sehr sie die gesamte Situation doch belaste. Einer jungen Mutter ergeht es da nicht anders. Gerade mit kleinen Kindern wünsche man sich doch mehr Ruhe. Auf der Veranda zu sitzen, habe man sich abgeschminkt. Hinzu komme auch noch ein hohes Maß an Luftverschmutzung, die offensichtlich durch den Abrieb der Räder entstehe.
CDU-Bezirksvertreter Werner Ernst zieht einen Aktenordner mit Papieren hervor, die die U17 betreffen. Unter anderem hat die Bezirksvertretung III vor einem Jahr, im September 2019, gefordert, für die Strecke vom U-Bahntunnel bis zur Margarethenbrücke ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern einzuführen. Es war aber längst nicht das erste Mal, dass Probleme mit der Linie auf der Tagesordnung gestanden hätten, so Ernst. Auch in den Jahren zuvor habe man sich mit der Strecke befasst.
Ruhrbahn soll neuartige Radtechnik testen
Der Autoverkehr auf der viel befahrenen Holsterhauser Straße empfinden die Anwohner nicht als belastend. Der sei durchaus erträglich, gaben sie bei einem Ortstermin zu verstehen.
Bezirksvertreter Werner Ernst hat nach eigenen Angaben vorgeschlagen, dass die Ruhrbahn einen Testlauf mit einem Produkt des Radherstellers Gutehoffnungshütte aus Oberhausen unternehmen solle.
Das Unternehmen habe eine neuartige Radtechnik entwickelt, bei der mit Schallabsorbern gearbeitet werde. Die seien in der Lage, den Lärm deutlich zu mindern. Bislang sei aber sein Vorschlag noch nicht berücksichtigt worden, kritisiert Ernst.
Forderung nach Tempolimit bei der Ruhrbahn nicht bekannt
Die Ruhrbahn erklärte auf Anfrage, dass ihr die Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung nicht bekannt sei, auch nicht die Entscheidung der Bezirksvertretung. Derzeit gelte in Richtung Margarethenhöhe aber durchaus zeitlich begrenzt ein Limit. Angesichts des herabfallendem Laubs habe man zur Sicherheit Tempo 30 eingeführt. Ein Sprecher wies darauf hin, dass aber gerade dadurch zusätzlicher Lärm entstehen könne. Denn es werde der Gleit- und Schleuderschutz der Wagen in Gang gesetzt als auch eine erhöhte Sandgabe.
Grundsätzlich, so der Sprecher weiter, seien aber die Wagen in dem betreffenden Streckenabschnitt auf „Rasengleis“ unterwegs. Das sei „im Hinblick auf die Schallausbreitung lärmmildernd“. Ferner erklärt der Verkehrsbetrieb: „Wir haben uns das erneut vor Ort angeschaut, mit dem Ergebnis, dass es im angesprochenen Bereich nicht zu einer außergewöhnlichen Lärmentwicklung kommt.“ Den Vorstoß, die Geschwindigkeit noch weiter zu drosseln, hält die Ruhrbahn für problematisch.
Denn man wolle nicht nur den Anwohnern, sondern auch den Fahrgästen gerecht werden. Das bedeute, Fahrpläne einhalten und die jeweiligen Anschlüsse gewähren.
Verkehrsbetriebe räumen Kritik anden Schleifenwagen ein
Kritik der Anwohner, wonach früher die Gleise häufiger geschliffen worden seien, kann die Ruhrbahn nicht ganz von der Hand weisen. Aufgrund der Baustelle und damit der Unterbrechung auf der Linie sei in der Tat der Schleifenwagen dort derzeit nicht im Einsatz. Das werde sich aber nach Ende der Stadtwerke-Arbeiten wieder ändern. Ohnehin geht das Unternehmen davon aus, dass sich die Situation entschärfe, wenn die Strecke wieder wie vorher befahrbar sei. Dann wäre auch die jetzige Lärmentwicklung an der Weiche nicht mehr gegeben.
Der Vorwurf, der Lärm entstehe, weil veraltete Fahrzeuge unterwegs seien, ist aus Sicht der Ruhrbahn nicht haltbar. Es gebe keine Unterschiede zwischen den Fahrzeugtypen wie „Dockland“ und „B-Wagen“, beide würden „selbstverständlich fortlaufend instandgehalten“.