Rüttenscheid. Die Rüttenscheider Straße in Essen wird jetzt zur Fahrradstraße. Doch die Radfahrer bleiben im Stau stecken und atmen die Abgase der Autos ein.
Die Markierungs- und Bauarbeiten sind beendet, die Rüttenscheider Straße ist nun ab kommenden Freitag offiziell eine Fahrradstraße. Doch anders als es die riesengroßen Beschriftungen auf der Fahrbahn suggerieren, können viele Radfahrer keinerlei Vorteile für sich erkennen. „Ich brauche mehr Zeit für dieselbe Strecke, stehe hinter den Autos im Stau und atme auch noch die Abgase ein“, sagt Grünen-Ratsherr Rolf Fliß, der selbst in Rüttenscheid wohnt. „Aber das war alles vorhersehbar.“
Zumindest morgens und nachmittags kann jeder sehen, dass Fliß hier eine zutreffende Beschreibung gibt und sich die Fahrradstraße nicht so auswirkt wie es sich die Stadt vielleicht theoretisch vorgestellt hat. Vor allem im südlichen Abschnitt zwischen Martinstraße und der Grenze Bredeney ist die Situation einigermaßen absurd. Bislang teilten sich die Radfahrer hier den Bürgersteig mit den Fußgängern, was sicherlich nicht optimal war und Unfallgefahren barg, aber doch zügiges Fahren ermöglichte.
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Nun aber müssen die Fahrradfahrer zwingend die zur „Fahrradstraße“ umdefinierte Fahrbahn benutzen. Dort gibt es aber – was dank der Verkehrszählungen jedem klar war – jede Menge Autos. Anwohner, die zur Arbeit fahren. Pendler, die in Rüttenscheid arbeiten, und nicht zuletzt Lkw, die die Geschäfte und Restaurants beliefern, dafür mitten auf der Straße stehen bleiben müssen und einen Fahrstreifen blockieren. Häufige Folge sind manchmal hunderte Meter lange Staus, an denen die Radfahrer bislang vorbeifahren konnten – jetzt stehen sie mitten drin und können wegen der relativ schmalen Fahrbahn auch nicht rechts vorbeziehen, um sich auf eine der neuen Aufstellerzonen vor den Ampeln zu retten. Denn dort kommen sie erst an, wenn sie vorne stehen im Stau.
Geduldsproben, auf die viele Fahrradfahrer keine Lust haben. Nicht wenige umfahren die neuralgischen Punkte verbotenerweise auf dem alten Radweg, der nun eigentlich exklusiv den Fußgängern zur Verfügung stehen soll. „Fahrt auf der Fahrradstraße!“ schallt es ihnen dann schon mal von diesen entgegen. Ein neues Konfliktfeld.
„Für die Fußgänger ist es besser, für die Radfahrer schlechter“
Auch Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft (IG) Rüttenscheid, hat diese Situation vorhergesehen. „Es war vollkommen klar, was kommen würde. Ich hätte mir die Weiterentwicklung der Rüttenscheider Straße ergebnisoffener gewünscht, aber es sollte ja unbedingt eine Fahrradstraße her“, so Krane. Fahrradstraßen kann es laut Gesetz da geben, wo Radfahrer tatsächlich die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer stellen – und zwar nicht nur an einem schönen Sommertag, sondern übers ganze Jahr.
Das aber sei eben laut Verkehrszählungen nicht der Fall, und zwar weniger wegen des Durchgangsverkehrs als vielmehr wegen der autofahrenden Anwohner. Kranes Fazit, zumindest für die verkehrsstarken Zeiten: „Für die Fußgänger ist es besser geworden, für die Radfahrer schlechter.“ Für eine Fahrradstraße ist das einigermaßen paradox.
Grünen-Ratsherr und Anwohner Rolf Fliß räumt ein, dass die Grünen für die Fahrradstraße waren, aber eben nicht in der Form, wie sie SPD und CDU beschlossen haben. „Die 25 Prozent Durchgangsverkehr hätten rausgemusst.“ Daher habe man im zentralen Teil der Rü Abbiegegebote und möglichst auch eine Einbahnstraße gewollt. „Auch dort stehen die Radfahrer jetzt mit den Autos im Stau.“ Und im südlichen Teil hätte man den Radweg bestehen lassen sollen. Rechtlich ist allerdings nur eines möglich: entweder eine Fahrradstraße oder ein kombinierter Rad/Gehweg.
Stadt will mit zusätzlichen Markierungen Klarheit schaffen
Damit die Radfahrer den bisherigen Radweg am Rand der Rü nicht mehr in Anspruch nehmen, hat die Stadt an den Einmündungsbereichen zu Nebenstraßen das rote Pflaster durch weißes ersetzt.
Dadurch solle den Radlern angezeigt werden, dass sie die Fahrbahn der Rüttenscheider Straße benutzen sollen, erklärt Rainer Wienke, Leiter des Amtes für Straßen und Verkehr. Der Radweg stehe jetzt den Fußgängern zur Verfügung. Um das zu verdeutlichen, werde man im Zweifelsfall noch zusätzliche Markierungen anbringen.