Essen. Die Essener Schulen buchen derzeit kaum Klassenfahrten. Auch deshalb, weil Eltern für Stornokosten aufkommen müssten. Das wird kritisiert.

Die Essener Schulen halten sich derzeit massiv damit zurück, Klassen- und Kursfahrten zu buchen. Das liegt nicht nur an der schwer vorhersehbaren Entwicklung der Corona-Infektionszahlen. Sondern auch dran, dass die Landesregierung jetzt vorgibt, dass Stornokosten einer Klassenfahrt, die bei einer Absage anfallen würden, von Eltern getragen werden müssen.

Das musste in den vergangenen Tagen und Wochen bei den Eltern- und Pflegschaftsabenden deutlich von den Lehrern erklärt werden. „Wir sind gehalten, den Vätern und Müttern in besonderer Weise deutlich zu machen, dass sie für Stornokosten aufkommen müssten“, berichtet Olaf Kehlert, Leiter der Geschwister-Scholl-Realschule in Borbeck und Sprecher der Essener Realschulen.

Keine Stornokosten-Übernahme für Absagen nach dem 12. Juni

Das war bis Juni, dem Ende des alten Schuljahres, noch anders: Bis dahin hatte das Land die Stornokosten übernommen für die vielen Fahrten, die wegen Corona abgesagt werden mussten. „Sofern für die Zeit nach den Herbstferien Buchungen beabsichtigt sind, ist darauf zu achten, dass jederzeit eine kostenfreie Stornierung möglich ist“, erklärt jetzt ein Sprecher der Landesregierung, „da das Land keine Stornokosten für Absagen nach dem 12. Juni 2020 übernimmt.“

Die „Linke“ in Essen wittert einen bildungspolitischen Skandal: „Welche auf Transfer-Leistungen angewiesene Familie kann es sich dann noch leisten, ihre Kinder überhaupt zu einer Fahrt anzumelden?“, fragt sich erbost Theresa Brücker, Spitzenkandidatin der Linken. „So wird die Ausgrenzung dieser Kinder vorangetrieben.“

Elternvertreter: „Situation der Familien ist dem Land egal“

Auch Hendrik Härtig, Vorsitzender des Vereins „Eltern der Essener Schulen“, findet die Lage inakzeptabel: „Durch Corona werden Familien bereits finanziell belastet – viele haben neue Laptops angeschafft oder Drucker für das Home Schooling. Gleichzeitig kam es wegen der Kurzarbeit zu Lohnkürzungen. Dass nun die Eltern auch noch das Ausfallrisiko bei Klassenfahrten tragen sollen, zeigt, dass die schwierige Situation vieler Familien der Landesregierung egal ist“, kritisiert Härtig.

Besonders im Essener Norden würden Klassenfahrten von den Schulen auch deshalb weiter abgesagt, weil Eltern das finanzielle Risiko nicht tragen könnten, vermutet Realschul-Leiter Kehlert. Sein Kollege Berthold Urch, Leiter des Alfred-Krupp-Gymnasiums und Sprecher der Essener Gymnasien, hat ebenfalls beobachtet, dass „die Essener Schulen derzeit sehr vorsichtig sind, was die Buchung von Fahrten angeht.“ Ob das an den Stornokosten liege oder an eher grundsätzlichen Abwägungen wegen der unvorhersehbaren Corona-Entwicklung, sei dahingestellt. Viele Reise-Anbieter haben mittlerweile ihre Storno-Bedingungen gelockert, um überhaupt noch Reisen anbieten und verkaufen zu können.

Martin Tenhaven, Leiter des Leibniz-Gymnasiums in Altenessen, hält es für grundsätzlich abwegig, jetzt Klassen- oder Kursfahrten zu buchen: „Wir kommen gerade aus einer Maskenpflicht, das ist kaum mit einer Fahrt vereinbar. Bis zu den Herbstferien sollten wir erst mal die Lage abwarten.“ Selbst ihr eigenes Schullandheim, das das Leibniz-Gymnasium in Rhade (Kreis Recklinghausen) betreibt, werde derzeit nicht genutzt.