Essen. Von müde bis emsig: Wie Essens Parteien im Online-Wahlkampf vorgehen, und was sie an Facebook zahlen. Finanziell ragt eine Gruppierung heraus.
Dieser Wahlkampf ist gewiss ein ganz besonderer. Obgleich die Parteien – mit gebotenem Coronaschutz-Abstand natürlich – ihre alten Info-Stehtische aufstellen und Kugelschreiber verteilen können, so schränkt die Pandemie doch die Möglichkeiten des unmittelbaren Werbens um Stimmen spürbar ein. Ein Grund mehr also, sich im Online-Wahlkampf ins Zeug zu legen. Wir haben uns angeschaut, wie viel Geld die großen Essener Parteien und ihre Kandidaten dafür auf Facebook investieren und wie sie dabei vorgehen.
Das wichtigste soziale Netzwerk Facebook, das 60 Prozent der Deutschen nutzen, zeigt an, wie viel die Parteien für Werbeanzeigen ausgegeben haben und wie viele Nutzer diese gesehen haben. Diese Daten sind in unsere Betrachtung eingeflossen. Nicht berücksichtigt sind kleinere Seiten aus den Bezirken. So viel vorweg: Plakate und Kugelschreiber waren den meisten Parteien sicher erneut mehr wert.
Dabei sind Facebook-Anzeigen auch für Parteien interessant, weil der Weltkonzern für vergleichsweise geringe Summen eine präzise Ausspielung an spitze Zielgruppen, gezielt nach Wohnort, Alter, Geschlecht und Interessen verspricht. Problematisch für einige Parteien: Im Netzwerk hängt der Erfolg – auch der finanzierter Anzeigen – davon ab, wie man seine Auftritte zuvor jahrelang gepflegt hat.
Die Essener SPD auf Facebook und Instagram
Seit acht Jahren hat die Essener SPD eine Facebookseite. 4519 Fans zählt sie und wird eher sporadisch denn intensiv von den Sozialdemokraten genutzt (alle Stände vom 3. September 2020). Zwar wurden zuletzt immer mal wieder Videos verschiedener Ratskandidaten gepostet, dennoch finden sich auch einige Tage, an denen gar nichts veröffentlicht wurde. Positiv hervorzuheben ist, dass die Partei auf Fragen oder unflätige Kommentare transparent reagiert und entsprechend antwortet. Geld in die Hand genommen hat die SPD gleichwohl nicht viel. Zwischen März 2019 und September 2020 sind es gerade mal 969 Euro für Wahlwerbung.
Der Instagram-Kanal der SPD Essen läuft mit 578 Abonnenten und gerade einmal 34 Beiträgen bisher unter ferner liefen. Die vor allem über Bilder funktionierende Facebook-Tochter lassen die Sozialdemokraten eher links liegen.
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Die Seite des SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Oliver Kern haben 1627 Personen abonniert. Der 54-Jährige nutzt diesen Kanal aber nur sehr selten. Etwa ein bis zwei Posts in der Woche stehen auf seiner Pinnwand. Ausgegeben hat Kern zur Bewerbung dieser Beiträge übersichtliche rund 200 Euro.
Weitaus umtriebiger ist der Awo-Geschäftsführer über sein persönliches Facebook-Profil, dem immerhin schon 3600 Personen folgen. Kern teilt darüber hauptsächlich Youtube-Links zu Kandidaten-Videos und Impressionen von seinem Wahlkampf bzw. seinen Wahlplakaten nachempfundene Fotos mit Kurzbotschaften. Misst man den Auftritt des SPD-Kandidaten in der Facebook-Währung Reaktionen und Teilen, dann zahlen Kerns Bemühungen eher kläglich auf sein Konto ein.
Die Essener Grünen in den Sozialen Netzwerken
1287 Personen haben ihr Interesse an den Facebook-Inhalten der Essener Grünen bekundet und die Seite abonniert. Die Gesamtausgaben der Seite für Wahlwerbung summiert sich auf 302 Euro. Gefällt-Mir-Angaben und andere Reaktionen? Selten mal mehr als 40 pro Post. Der Instagram-Kanal der Sonnenblumen-Partei versetzt mit 335 Abonnenten und bisher 52 Beiträgen auch keine Berge.
Mehrdad Mostofizadeh will der erste Grüne Oberbürgermeister in Essen werden. 5000 Fans – und damit die Maximalkapazität, die ein privater Account haben kann – folgen Mostofizadeh. Darüber hinaus haben 786 Personen seine Nachrichten abonniert. Mit Bewegtbild hat es der Grüne nicht so, mit Fotos hingegen schon. Die Bilder und die Botschaften („Mehrdad macht mobil für bessere Bildung, Mehrdad macht mobil für ein Leben ohne Barrieren“...) werden in der Regel besser goutiert als die seines Mitherausforderers Oliver Kern, aber von gelegentlichen knapp dreistelligen Reaktionen abgesehen, begeistert auch Mostofizadeh auf Facebook wahrlich keine Massen.
Die CDU und Thomas Kufen im Netz
Zweifelsohne hat Thomas Kufen als Amtsinhaber einen Promi-Bonus und aufgrund seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister sowohl einige Erfahrung als auch professionelle Beratung im Umgang mit den Sozialen Medien. Das ist sicher ein Baustein, aber eben nicht die ganze Erklärung für Kufens vergleichsweise hohe Präsenz, auf den Bildschirmen vieler Essener. 17.877 folgen der Seite des OB, nochmal 4920 Personen sind mit seinem persönlichem Account befreundet. 897 Euro, und damit deutlich mehr als seine Herausforderer, hat Kufen bisher für Wahlwerbung auf Facebook ausgegeben.
Kufens Beiträge, eine Mischung aus ausgewählten Einblicken in sein Wirken als OB und Wahlwerbe-Videos, ziehen in aller Regel mehrere Hundert positive Reaktionen nach sich. Kufen bedient dabei die ganze Klaviatur, postet das Fotos von sich beim Eintrag der Bundeskanzlerin ins Stahlbuch der Stadt Essen oder bei der Verkündung der Karstadt-Rettung im Limbecker Platz ebenso wie Videos und Links zu seinem eigenen Podcast, in denen er selber Essener interviewt, und auf diese Weise für eine größere Reichweite seiner Inhalte sorgt.
Kufen nutzt auch Instagram geschickt
Auch Instagram hat der OB längst als wirkungsvolle Werbeplattform für sich entdeckt, veröffentlicht dort Live-Videos und Fotos von seinen Terminen, sendet zusammen mit seinem Lebenspartner „Urlaubsgrüße“ aus Leipzig oder blickt scheinbar gedankenverloren von seinem Lieblingsort in Essen (Kreuzgang des Essener Doms) in die Ferne. 8249 Personen folgen Kufen auf Instagram, 452 Beiträge hat er dort schon veröffentlicht.
Zum Facebook-Auftritt der CDU Essen ist vergleichsweise nicht viel zu sagen: Seit Oktober 2011 aktiv, von 1372 Personen abonniert, auf der Seite werden zwar häufig Beiträge veröffentlicht, mehr als 40 Reaktionen rufen diese aber nur selten hervor. Für Wahlwerbung hat die CDU auf ihrer Facebookseite bisher gar nichts ausgegeben.
So sind die kleineren Parteien im Netz unterwegs
Der Linken folgen auf Facebook 3771 Personen, für Wahlwerbung hat die Partei dort bereits seit März 2019 1751 Euro ausgegeben, 491 Euro davon allein zwischen dem 26. August und dem 3. September. Die einzelnen Beiträge erhalten oft zwischen 50 und 80 Reaktionen. Auch der Instagram-Kanal der Linken hat beachtliche 1120 Abonnenten.
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Der 33-jährige OB-Kandidat Daniel Kerekes zählt 433 Abonnenten auf seinem Instagram-Kanal und 4584 „Freunde“ auf seiner Facebookseite, die er in aller Regel mehrfach täglich bespielt. Ausgaben für Wahlwerbung: 350 Euro.
Wohingegen der OB-Kandidat der AfD, Harald Parussel, weder bei Facebook noch bei Instagram ein Profil hat. Seine Partei freut sich über 5536 Abonnenten. Zumindest in der Vorwahlzeit wird die Seite täglich bespielt, oft mit knapp dreistelligen Reaktionen. Die Ausgaben für beworbene Posts belaufen sich auf 831 Euro.
Nicht gerade von übergeordnetem Interesse ist die Essener FDP auf Facebook mit gerade einmal 676 Abonnenten. Die wenigen Beiträge rufen nahezu keine Reaktionen hervor, außer vom OB-Kandidaten, Karlgeorg Krüger , selbst. Ausgaben für Werbung: keine. Instagram-Account: keins.
Der älteste Kandidat in der OB-Bewerberrunde postet zwar emsig seine Meinung zu diversen Themen, nicht selten reagieren aber gerade mal eine Hand voll Menschen darauf.
Ebenfalls mit einer nur sehr geringen Reichweite wartet das Sozial-Liberale-Bündnis auf: nur 20 Fans auf Instagram und 462 Abonnenten bei Facebook. Zwar postet das SLB täglich, meist bekommen die Beiträge aber weniger als 30 Reaktionen. Für Facebook-Wahlwerbung wurde kein Geld ausgegeben, einen eigenen OB-Kandidaten hat das Bündnis nicht.
Immerhin 3295 Personen haben die Facebookseite des Zusammenschlusses des Essener Bürger Bündnisses und der Freien Wähler abonniert (41 Abonnenten auf Instagram). Doch auch hier gilt: positive Reaktionen auf die Beiträge gibt es nur in sehr überschaubarem Maß, meist weniger als 30. Das ist für die kleine Partei sicher besonders bitter, hat sie seit März 2019 schon insgesamt 19.652 Euro für Facebook-Wahlwerbung ausgegeben, 509 Euro allein in der letzten Augustwoche.