Essen. Die Schläge gegen den Kopf der Frau in Essen-Rüttenscheid waren doch kein Mordversuch. In die Psychiatrie muss der Obdachlose aber.
Richter Moritz Sendlak sprach den angeklagten Obdachlosen am Freitag mehrfach direkt an, aber der 50-Jährige zeigte kaum eine Reaktion. Dabei hatte das Essener Schwurgericht ihm eine Verurteilung wegen versuchten Mordes für die heftigen Schläge auf eine ihm unbekannte Frau in Essen-Rüttenscheid erspart. In die geschlossene Psychiatrie muss Jürgen G. aber, weil er aus Sicht der Richter für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Aktuell fehlt dem Angeklagten, der im Prozess geschwiegen hatte, jede Einsicht in seine Krankheit. Das Gericht hofft aber, dass eine Behandlung Erfolg haben wird. Sendlak hob hervor, dass die Mutter von Jürgen G. wieder Kontakt zu ihm aufgebaut habe, nachdem der Sohn diesen vor vier Jahren unterbrochen hatte. Dieser Schritt könne sich positiv auswirken.
Bis 2013 keine Auffälligkeiten im Leben
In der Vergangenheit galt Jürgen G. nicht als gefährlich. Bis 2013 führte er auch ein Leben, das bürgerlichen Vorstellungen entsprach: Schule, Ausbildung, eigene Wohnung, Auto und Urlaube. Richter Sendlak zählte die Abschnitte auf und sprach von einem "Knick" im Lebenslauf ab 2013. Danach sei Jürgen G. abgerutscht.
Er sei zwar strafrechtlich aufgefallen, nicht aber mit gefährlichen Aktionen. Sendlak: "Das was er gemacht hatte, war lästig für die Gesellschaft, mehr aber nicht. Das muss sie hinnehmen." Der Richter zählte die Delikte auf. Zeigen des Hitlergrußes, Verrichten der Notdurft in der Öffentlichkeit gehörten dazu.
Auf der Polizeiwache nackt ausgezogen
Das war der Stand am 6. Februar 2020. Was ihn dann getrieben hatte, beschrieb der psychiatrische Gutachter Frank Sandlos mit einer schizophrenen Psychose. Jürgen G. kam wieder einmal auf die Polizeiwache, weigerte sich danach aber, diese zu verlassen. Um das zu bekräftigen, zog er sich aus. Es kam, wie es kommen musste: Er landete erst einmal in der Psychiatrie.
Doch die musste er schnell wieder verlassen. Nach Beratung mit den Ärzten hatte der Betreuungsrichter des Amtsgerichtes keinen Anlass gesehen, den 50-Jährigen dort dauerhaft zu lassen. Denn Fremdgefährdung, also Attacken gegen andere Menschen, seien nicht zu erwarten.
Auf unbekannte Frau eingeschlagen
Da irrten Ärzte und Richter. Jürgen G. war noch nicht lange auf der Straße, da fiel ihm am Rüttenscheider Stern eine Frau auf, die Flaschen zum Altglascontainer bringen wollte. Unvermittelt griff er die 50-Jährige an, drückte sie zu Boden, schlug mit einer leeren Sektflasche auf ihren Kopf ein. Nur dem beherzten Einsatz eines Nachbarn, lobte Richter Sendlak dessen Sprung durchs Fenster auf den Bürgersteig, verdanke die Frau ihr Leben.
Den angeklagten Vorwurf des versuchten Mordes aus Heimtücke ersparte das Gericht dem Angeklagten, stellte lediglich eine gefährliche Körperverletzung fest. Aber auch von diesem Vorwurf wurde er wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. In die Psychiatrie muss er aber für nicht absehbare Zeit, das hatten auch Staatsanwältin Birgit Jürgens und Verteidiger Bernd Kachur beantragt.