Essen. Beim Frauenhaus meldeten sich zuletzt deutlich mehr Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Doch Plätze sind rar, genauso wie Wohnraum
Hat die häusliche Gewalt während des Corona-Lockdowns in Essen zugenommen? Die Polizei konnte diese Befürchtungen anhand der Anzeigen nicht bestätigen, als sie Mitte Juli ihre Kriminalstatistik vorlegte. Doch beim Frauenhaus in Essen hat man mittlerweile einen anderen Eindruck gewonnen. „Die Anfragen an unser Haus haben dafür nach dem Lockdown, im Juni und Juli, deutlich zugenommen“, sagt Mitarbeiterin Magdalena Thiebo.
Die Anrufe verzweifelter Frauen hat das Frauenhaus nicht gezählt. Magdalena Thiebo spricht von einem subjektiven Gefühl. Wenn im Frauenhaus ein Platz frei wird, dann registrieren die Mitarbeiter momentan fünf bis zehn Anrufe innerhalb weniger Stunden. Oft sei der freie Platz schon nach wenigen Minuten neu vergeben.
Dass die Plätze in Frauenhäusern rar sind, ist kein Corona-Phänomen. In Essen können in der Einrichtung nur zwölf Frauen und elf Kinder Schutz finden. Doch nun, nach der Krise, habe sich die Lage für die Frauen, die häusliche Gewalt erfahren haben, noch verschlechtert. Magdalena Thiebo verweist auf die Internetseite www.frauen-info-netz.de. Dort sei seit Juli wöchentlich meist nur ein freier Platz in ganz NRW zu finden gewesen. Nur langsam normalisiere sich die Situation.
Während des Lockdowns zählte das Frauenhaus Essen weniger Anfragen
Dabei hatte das Frauenhaus während des Lockdowns zunächst einen umgekehrten Trend registriert. Die Anfragen ans Frauenhaus nahmen plötzlich ab. Magdalena Thiebo kann nur vermuten: „Die betroffenen Frauen waren viel mehr unter Kontrolle, wenn der Partner wegen Kurzarbeit die ganze Zeit zu Hause war.“ Telefonate beispielsweise konnten die Frauen so kaum unbeobachtet führen.
Außerdem hätten sich viele Frauen davor gescheut, ins Frauenhaus zu gehen aus Angst vor Ansteckung. „Wir sind schließlich eine Gemeinschaftsunterkunft.“ Magdalena Thiebo berichtet auch von Frauen, die wegen der Corona-Pandemie das Haus wieder verlassen hatten und zu ihren Partnern zurückgekehrt sind. „Für uns ist das natürlich der schlimmste Fall. Es ist fraglich, ob sich die Frauen das nochmal trauen.“
Ziel des Frauenhauses ist es, die Schutz suchenden Frauen mit ihren Kindern möglichst schnell in eine eigene Wohnung zu vermitteln. Das ist angesichts der aktuell vielen Anfragen besonders wichtig, um wieder freie Plätze im Frauenhaus anbieten zu können.
Frauen leiden unter der angespannten Lage am Essener Wohnungsmarkt
Doch am Essener Wohnungsmarkt ist dies bereits seit Jahren ein sehr schweres Unterfangen, wie Magdalena Thiebo berichtet. Die betroffenen Frauen suchten oft monatelang nach einer neuen Bleibe. Weil sie in aller Regel vom Jobcenter leben, sind sie auf preiswerten Wohnraum angewiesen. Doch den gebe es in Essen kaum. An den Problemen werde sich grundlegend nichts ändern, auch wenn die Stadt ab September die Mietobergrenzen für Hartz-IV-Empfänger deutlich erhöhen wird.
Zudem sind die Frauen aus den Frauenhäusern bei der Wohnungssuche meist benachteiligt. Viele haben einen Migrationshintergrund und können sich kaum auf Deutsch verständigen. Auch, wie man in Deutschland nach Wohnungen sucht, sei einigen fremd. Hinzu kämen immer wieder Vorbehalte von Vermietern. Deshalb hat das Essener Frauenhaus 2017 das Projekt „2nd Stage“ gestartet. Seither werden die Bewohnerinnen bei der Wohnungssuche besonders unterstützt.
Magdalena Thiebo appelliert an private Vermieter in der Stadt, sich offen zu zeigen und den Frauen aus dem Frauenhaus eine Wohnung zu vermieten. „Sie können sich gerne bei uns melden, wenn sie die Frauen und ihre Kinder unterstützen wollen.“
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