Essen. Nicht starre Tempo-Begrenzungen, sondern digital optimierter Verkehrsfluss soll die Schadstoffwerte an Essener Hauptstraßen weiter reduzieren.

Die Alfredstraße war der Anfang, jetzt will die Stadt das Thema umweltsensitive Ampelsteuerung auch an weiteren Brennpunkten des Essener Straßenverkehrs installieren. „Das Ziel ist, die Stickstoff-Emissionen an den wesentlichen Verkehrsnetz-Knotenpunkten im Stadtgebiet mittels Nutzung modernster Digitaltechnik sowie Künstlicher Intelligenz (KI) zu senken“, formulierte die Stadt jüngst in einer Mitteilung.

An der Alfredstraße konnte mit einem Fachgutachten nachgewiesen werden, dass die zunächst vorgesehene Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h nicht erforderlich sei, um eine Senkung der Schadstoffe zu erreichen. Vielmehr gelang dies auch durch eine intelligentere Verkehrsführung, die dafür sorgt, dass Rückstaus vor Ampeln nach Möglichkeit vermieden werden. So soll es nun weitergehen. Die Stadt plant nichts weniger als „die Basis für eine digitale, zukunftsorientierte Stadt- und Verkehrsentwicklung“ zu legen. Im Stadtrat gibt es dafür breite Unterstützung.

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Noch in diesem Jahr soll an der Gladbecker Straße eine Testphase beginnen

Konkret soll noch in diesem Jahr an der Gladbecker Straße einiges passieren. Im Rahmen einer „Reallabor“ genannten Testphase will man „dynamische Wegweisungstafeln“ installieren, die bei kritischen Luftbelastungswerten dem Autoverkehr Ausweichempfehlungen geben. „Zudem sollen etwaige Rückstaubildungen im Bereich Gladbecker Straße/Berthold-Beitz-Boulevard videogestützt überwacht werden, um gegebenenfalls mittels Ampel-Pförtnerung auf diese reagieren zu können“, heißt es. Bestimmte Grünphasen sollen also verlängert werden, wenn es die Verkehrslage erfordert getreu der Einsicht, dass maßvoll fließender Verkehr nicht nur für alle Beteiligten besser ist als stehender, sondern auch für die Luftwerte.

Leisten soll die Steuerung aber am Ende nicht eine mit Menschen besetzte Leitstelle, sondern eine digitale Zentrale, die sämtliche Verkehrsdaten erhält, schnell berechnet und den bestmöglichen Weg findet, um den umweltschonendsten Verkehrsfluss sicherzustellen. „Digitalisierung der Verkehrserfassung und Verkehrssteuerung im Essener Hauptverkehrsstraßennetz“ nennt die Stadt dieses Projekt, für das sie auf Fördergelder des Bundesverkehrsministeriums rechnen kann.

Anfang 2021 soll dann ein weiteres Reallabor auf der Ruhrallee dafür sorgen, den Verkehr auf dieser Hauptverkehrsstraße besser zu bündeln und Ausweichfahrten in die Nebenstraßen und umliegenden Wohngebiete zu vermeiden. Zu diesem Zweck seien Anpassungen bei den Ampelschaltungen vorgesehen, ferner gehe es darum, Wege zu finden, die Busse zu beschleunigen - was wegen des Querschnitts und der Belastung der Straße keine leichte Aufgabe sein dürfte.

Per Video und Sensor sollen eine Vielzahl von Verkehrsdaten erhoben werden

Die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur hat zur Voraussetzung, dass auf eine Vielzahl von Daten und Informationen zurückgegriffen werden kann, die laut Stadt „mit entsprechender Sensorik bereits problemlos erhoben werden können“. So sei per Video und per Sensor das Aufkommen unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer anonymisiert erfassbar.

Zusätzlich sollen Informationen über Veranstaltungen im Stadtgebiet, den öffentlichen Nahverkehr oder die Parkplatzsituation einfließen und selbst Daten von Baustellen und Verkehrsunfällen. Die ermittelten Verkehrs- und Umweltdaten sollen Zusammenhänge aufzeigen, Probleme leichter erkennbar machen - und nicht zuletzt qualifizierte verkehrspolitische Entscheidungen ermöglichen.

Projektvolumen beträgt 14,6 Millionen Euro

Die Stadtverwaltung ist im Jahr 2019 dem Aufruf zur Antragstellung „Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme“ des Bundesministeriums für Verkehr gefolgt, mit dem die Gestaltung nachhaltiger und emissionsarmer Mobilität gezielt gefördert wird, und hat einen entsprechenden Förderantrag gestellt.

Das Vorhaben hat eine fünfjährige Laufzeit und ein Finanzierungsvolumen von rund 14,6 Millionen Euro bei einer Förderquote von 70 Prozent. Mündlich läge die Genehmigung für einen vorzeitigen Projektbeginn bereits vor, was die Stadt als Signal für eine endgültige Bewilligung wertet.