Essen. Uni Duisburg-Essen und Ehrenamt-Agentur beraten ausländische Studenten, wie sie sich engagieren können. Der Einsatz fördert auch ihre Integration

Sie haben es an die Uni geschafft, sind aber in der Stadtgesellschaft noch nicht angekommen: Internationale Studenten bleiben oft in ihren Communitys. Nun soll das Projekt „Studium hoch E – Integration durch Ehrenamt“ von Uni Duisburg Essen (UDE) und Ehrenamt-Agentur Essen helfen, Kultur- und Sprachbarrieren zu überwinden.

Die meisten Studenten pendeln - das macht es schwer, an der Uni Kontakte zu knüpfen

Man könnte meinen, dass das an einem Lernort wie der Universität nebenbei geschieht, doch Hochschulen im Revier haben einen Nachteil: „70 Prozent unserer Studierenden pendeln, die sitzen abends nicht in der Kneipe in der Nähe des Campus’“, sagt Prof. Barbara Buchenau, die das Prorektorat für Gesellschaftliche Verantwortung Diversität und Internationalität an der UDE leitet.

„70 Prozent unserer Studierenden pendeln, die sitzen abends nicht in der Kneipe in der Nähe des Campus’“, sagt Prof. Barbara Buchenau, die das Prorektorat für Gesellschaftliche Verantwortung Diversität und Internationalität an der UDE leitet.
„70 Prozent unserer Studierenden pendeln, die sitzen abends nicht in der Kneipe in der Nähe des Campus’“, sagt Prof. Barbara Buchenau, die das Prorektorat für Gesellschaftliche Verantwortung Diversität und Internationalität an der UDE leitet. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Sprich: Auch die Kinder des Ruhrgebiets bleiben in ihren Communitys. Das mache es zugezogenen und ausländischen Studenten schwer, in ihrer Freizeit Kontakte zu Kommilitonen zu knüpfen. Dabei ist fast ein Fünftel der 42.000-köpfigen Studentenschaft international. Viele kommen aus Asien und Südosteuropa; inzwischen studieren aber auch Flüchtlinge, die vor einigen Jahren aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan nach Essen gekommen sind.

Junger Syrer engagierte sich schon ehrenamtlich, als er noch im Zeltdorf lebte

Sie sollen nun ermuntert werden, sich ehrenamtlich zu engagieren und so einen „Zugang zur lokalen Zivilgesellschaft bekommen“, wie Jörg Miller erklärt, Leiter von Uniaktiv, der universitären Kontaktstelle für das Ehrenamt. „So können sie außerdem ihre Sprachkenntnisse verbessern und besser durchs Studium kommen.“ Und während der Weg zur praktischen Anwendung im akademischen Bereich langwierig sein könne, sehe man im Ehrenamt unmittelbare Erfolge, sagt Barbara Buchenau: „Ob man in der Kita hilft oder eine Grünfläche neu gestaltet.“

E für Ehrenamt: Student Adham Abdou aus Syrien hat über sein vielfältiges Engagement zahlreiche Deutsche kennengelernt.
E für Ehrenamt: Student Adham Abdou aus Syrien hat über sein vielfältiges Engagement zahlreiche Deutsche kennengelernt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Wie diese Selbstwirksamkeit funktioniert, hat Adham Abdou vielfach erlebt. Der 28-Jährige, der in Damaskus geboren wurde, lebt heute in Essen und studiert an der UDE Energiewissenschaften. Vor fünf Jahren kam er aus Syrien und wohnte nur einen Steinwurf vom Unigelände entfernt im Zeltdorf am Altenbergshof. Bevor sein Sprachkurs startete, brachte er sich selbst Deutsch bei. Er lernte einen Ehrenamtlichen aus der Kleiderkammer kennen und merkte, „dass ich mich selbst engagieren wollte“.

„Wenn es meinem Nachbarn gut geht, geht es auch mir gut“

Bald half er Obdachlosen in der Initiative „Essen packt an“, machte bei der Essener Tafel mit. Natürlich war Abdou auch dabei, als die Ehrenamt-Agentur in der Coronazeit Nachbarschaftshilfen organisierte, die zum Beispiel Einkäufe erledigten. „Wir haben ein Sprichwort: Wenn es meinem Nachbarn gut geht, geht es auch mir gut.“

Tu Gutes und profitiere davon: Studenten im Ehrenamt

„Studium hoch E – Integration durch Ehrenamt“ heißt das Projekt von Uni Duisburg-Essen (UDE) und Ehrenamt-Agentur Essen e.V. Dabei erforscht und entwickelt die Uni einfache Zugänge zum ehrenamtlichen Engagement für internationale Student/inn/en. Das Projekt wird durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gefördert.

Akteure sind Uniaktiv, die universitäre Kontaktstelle für das Ehrenamt, und das Prorektorat für Gesellschaftliche Verantwortung, Diversität und Internationalität an der UDE.

Die Ehrenamt-Agentur Essen bringt mit vielfältigen Projekten engagierte Bürger und Menschen, die Unterstützung benötigen, zusammen. Infos: 0201 / 839 149-0 oder https://www.ehrenamtessen.de/

Menschen wie Adham Abdou erreiche die Ehrenamts-Agentur noch viel zu selten, sagt deren Geschäftsführerin Janina Krüger. „Dabei sollte das Ehrenamt eigentlich widerspiegeln, wie unsere Gesellschaft aussieht.“ Doch die rund 30 Prozent Essener mit Zuwanderungsgeschichte seien in den Projekten noch unterrepräsentiert.

„Das Ehrenamt sollte eigentlich widerspiegeln, wie unsere Gesellschaft aussieht“, findet Janina Krüger, Geschäftsführerin Ehrenamt Agentur Essen e.V.
„Das Ehrenamt sollte eigentlich widerspiegeln, wie unsere Gesellschaft aussieht“, findet Janina Krüger, Geschäftsführerin Ehrenamt Agentur Essen e.V. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Das liege nicht allein an den Zuwandern, sondern teils auch an Vereinen, Wohlfahrtsverbänden oder Kirchengemeinden, die Helfer bevorzugt aus der deutschen Mittelschicht rekrutierten – und es anderen nicht immer leicht machten. Leider habe sich mit der Flüchtlingskrise die Abschottung mancherorts verschärft. „Anfang der 2000er Jahre war es für ein Mädchen mit Kopftuch leichter als heute, ein Praktikum im sozialen Bereich zu bekommen.“

Der junge Kolumbianer und die Senioren teilen die Leidenschaft für den Tanz

Die Ehrenamt-Agentur will nun Wege ebnen und berät daher ab sofort auf dem Campus der UDE auf Deutsch, Englisch oder Türkisch, wie sich auch ausländische Studenten ehrenamtlich engagieren können. Die ersten haben sich schon in den Sommerschulen für Kinder beteiligt, ein junger Kolumbianer besucht eine Seniorin, mit der er das Interesse am Tanz teilt.

Adham Abdou kennt durch seine Aktivitäten längst viel mehr Deutsche als Syrer. Und er ist neuerdings auch Pendler: Sein Studienfach ist am Campus Duisburg angesiedelt, doch er möchte nicht in die Nachbarstadt umziehen. „Ich fühle mich in Essen beheimatet.“