Das Ziel, weniger Stau und weniger Abgase auf der B224, lässt sich laut Gutachter auch durch eine Änderung der Ampelschaltung erreichen.
Die Stadt Essen kann endgültig Abstand von Tempo 30 auf der Alfredstraße nehmen. Denn der gewünschte Effekt – weniger Stau und weniger Abgase – ließe sich auch durch eine andere Ampelschaltung erreichen. Zu diesem Ergebnis kommt das von der Stadt beauftragte Planungsbüro TSC.
An der Friedrichstraße sollenLinksabbieger zuerst fahren dürfen
Ursprünglich hatte die Stadt auf Empfehlung des Gutachters erwogen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem rund 400 Meter langen Abschnitt der Alfredstraße zwischen Bertold- und Folkwangstraße im August von 50 km/h auf 30 km/h herabzusenken. Dadurch würde die Belastung durch Stickstoffdioxid um ein Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sinken. Dies hatten Tests ergeben. Auf Antrag von SPD und CDU suchte der Gutachter dann aber nach möglichen Alternativen. Mit Erfolg – durch eine augenscheinlich simple Änderung des Verkehrsflusses in Fahrtrichtung Süden.
Und zwar indem an der Kreuzung Friedrichstraße/Bismarckstraße zuerst Verkehrsteilnehmern grün angezeigt wird, die von der Friedrichstraße nach links in Richtung Alfredstraße einbiegen wollen. Pro Ampelphase seien dies nur drei bis vier Autos. Erst danach sollen jene fahren dürfen, die aus entgegengesetzter Richtung über die Friedrichstraße aus Richtung A40 kommend nach rechts in Richtung Alfredstraße einbiegen. Derzeit ist es genau umgekehrt.
Weil das Verkehrsaufkommen aber aus Richtung Friedrichstraße/A40 deutlich höher ist, bildet sich in Richtung Alfredstraße an der nächsten Ampel in Höhe Kahrstraße regelmäßig ein Rückstau. Gutachter Christoph Doll nennt dies einen Ziehharmonikereffekt. Dieser entfalle, weil bei der beschriebenen Änderung der Ampelschaltung die Masse an Pkw die Kahrstraße etwas später erreicht. Die wenigen Fahrzeuge, die über die Friedrichstraße kommend nach links auf die Alfredstraße eingebogen sind, haben die Ampel an der Kahrstraße dann bereits hinter sich gelassen. „Wir sehen positive Effekte, vergleichbar mit Tempo 30“, sagte Christoph Doll.
In Fahrtrichtung Innenstadt sei Tempo 30 hingegen „hilfreich“. Der Gutachter zeigte sich vor dem Bau- und Verkehrsausschuss des Stadtrates jedoch überzeugt, dass sich der Verkehrsfluss auch in diese Richtung durch ein Nachsteuern der bisherigen Ampelschaltungen verbessern lässt.
„Die Prüfung bestätigt unsere Vermutung“, kommentierte Ratsherr Guntmar Kipphardt für die CDU und forderte die Verwaltung auf, die neu gewonnen Erkenntnisse umzusetzen. „Die Alfredstraße ist eine der wichtigsten Verkehrsadern unserer Stadt; sie ist wichtig für die City, aber auch für die Messe Essen. Daher muss es unser Ziel sein, eine Lösung zu finden, die Stickstoffdioxidgrenzwerte einzuhalten, ohne gleichzeitig den Verkehrsfluss unnötig einzuschränken“, betonte Kipphardt.
Die umweltsensitive Ampelschaltungwird auf der Alfredstraße eingerichtet
Die Frage der Grünen an den Verkehrsexperten, warum er nicht gleich auf die nun von ihm beschriebene Lösung gekommen sei, ließ dieser unbeantwortet. Dazu nur so viel: Die empfohlene Ampelschaltung für Linksabbieger an der Friedrichstraße sei erst kürzlich durch eine technische Änderung möglich geworden.
Die umstrittene Einführung von Tempo 30 wäre damit abgeräumt. Die sogenannte umweltsensitive Ampelschaltung wird dagegen, wie von der Politik beschlossen, eingerichtet. Ampeln sollen so geschaltet werden, dass sie den Zufluss auf die Alfredstraße verzögern. Und zwar immer dann, wenn der Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm überschritten wird. Laut Berechnung führt die Änderung der Ampelschaltungen dazu, dass die Belastung um drei Mikrogramm niedriger ausfällt.
2019 wurden im Jahresdurchschnitt 39 Mikrogramm gemessen. Für den SPD-Ratsherrn Michael Stelzer einmal mehr Anlass, die Notwendigkeit einer umweltsensitiven Ampelschaltung, in Frage zu stellen. Deren Einrichtung ist Bestandteil des gerichtlichen Vergleichs mit der Deutschen Umwelthilfe zur Vermeidung von Fahrverboten. Die Stadt steht auf dem rechtlichen Standpunkt, dass der Vergleich umgesetzt werden muss, auch wenn der Grenzwert bereits eingehalten wird. Die Verwaltung habe sich in dieser Frage bei der Bezirksregierung rückversichert, betonte Umweltdezernentin Simone Raskob. Stelzer wirft der Stadt vor, sie scheue die Auseinandersetzung mit der Umwelthilfe.
Aktuell wird der Grenzwert wieder überschritten, berichtete Christoph Doll. Obwohl das Verkehrsaufkommen auf der Alfredstraße um zehn 10 bis 15 Prozent niedriger liege als vor Corona. Der Gutachter führt die hohe Belastung auf die aktuelle Witterungslage zurück.
Tatsächlich haben meteorologische Bedingungen wie auch der Umstand, dass ältere Fahrzeuge – vor allem Diesel – nach und nach von den Straßen verschwinden, augenscheinlich einen erheblichen Einfluss auf die Luftqualität. 2018 lag der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid auf der Alfredstraße noch bei 48 Mikrogramm.