Essen. Immer mehr Wildtiere dringen in den Lebensraum der Menschen ein, so der Essener Hegeringleiter Jürgen Welbers. Das führe zu vielen Konflikten.
Da legt die Familie tagtäglich auf der Terrasse Futter bereit und ist fest überzeugt, Minka & Co. wird es schmecken. Der eigentliche Nutznießer trägt zwar auch Fell, kommt aber nicht als Stubentiger sondern als Steinmarder daher. Solche Episoden, die Jürgen Welbers, Hegeringleiter in der der Kreisjägerschaft Essen, zu erzählen weiß, sind noch durchaus amüsant. Doch er kennt auch Geschichten vom Eindringen der Wildtiere in den Lebensraum der Menschen, die bergen reichlich Konfliktpotenzial, sagt Welbers.
Marder markieren ihr Revier und sorgen damit für große Gefahren
Und auch schon so ein Marder, das habe sich bei dem weiteren Gesprächen mit der Familie aus Steele gezeigt, kann zur echten Gefahr werden. Denn – wie so viele Artgenossen – habe er es unter der Motorhaube der Familienkutsche ganz muckelig gefunden. Wenn der Nager dort Kabel anknabbere, dann nicht um der Nahrung willen, sondern weil er sein Revier markiere.
„Fahren die Leute mit dem Wagen an einen anderen Ort, lockt der Geruch einen weiteren vierbeinigen Gesellen an“, erklärt der Vorsitzende. Man brauche nicht viel Fantasie, um sich die Folgen vorzustellen, wenn das mehrfach passiert. „Dann sind die Leitungen irgendwann durch und das kann, beispielsweise im Fall von Brems- und Benzinleitungen, zur tödlichen Falle werden“.
Wie sehr die Marder eine Stadt wie Essen bereits in Beschlag genommen hätten, zeige sich an seinen Einsätzen. Mindestens einmal pro Woche habe er einen Termin mit Leuten, bei denen der Marder im Garten, in einer Remise oder auf dem Dachboden sein Unwesen treibe. „Meldungen erhalten wir aus dem gesamten Stadtgebiet, von Kettwig bis Karnap“. Ab und an melden sich auch Anwohner, die nicht nur einmal gesehen haben, dass ein flinkes Tierchen unter ihrem geparkten Auto hervorgelaufen kam. Da die Fallzahlen nach Welbers Worten weiter steigen, habe die Kreisjägerschaft inzwischen eine eigene Mailadresse eingerichtet. Die Nachricht lande direkt auf seinem Handy.
Wenn nun der Jäger gefragt wird, wie man die Marder wieder los wird, dann laute die Lösung keinesfalls, sie abzuschießen. In Wohngebieten hätten er und auch seine Kollegen dazu auch gar keine Erlaubnis. Sie einzufangen und wegzubringen, sei ebensowenig zielführend. Der bleibende Geruch locke andere Artgenossen an.
Den Tieren genügen oftmals kleinste Schlupflöcher
Bürger haben es größtenteils selbst in der Hand, ob und welche Gebiete sich solche Wildtiere erobern. Komposter, sagt Welbers, sind natürlich sinnvoll, aber wenn Speisereste obenauf liegen, komme das fast schon einer Einladung gleich. Auf diese Weise locke man im Übrigen auch insbesondere Ratten an.
Ein Trugschluss sei auch häufig die Ansicht, ein Komposter habe solch kleine Öffnungen, da passe ein Marder niemals durch. Sie können sich nach Welbers Schilderungen wenden und drehen, passen durch noch so kleine, nur wenige Zentimeter große Löcher. Dadurch verschaffen sich sie auch Zugang zu Dachböden oder gelangen in eigentlich abgeschlossene Garagen. Unrat aller Art locke sie an, besonders Speise- und „generell Lebensmittelreste“. Hier sollten Hausbewohner besonders Obacht geben. Zudem gibt Welbers auch immer den Tipp, sich regelmäßig den Zustand von Dächern, Gauben, Gartenhütten, drei von vielen Beispielen, anzuschauen. „Besonders nach Stürmen und Regenschauern“.
Es muss aber nicht immer der Marder sein, der auf seinen Beutezügen die Haushalte der Menschen aufsucht. Der Hegeringleiter hat noch die Bilder von einer Kita in der Innenstadt auf seinem Handy gespeichert. Träger und Erzieherinnen hatten sich an ihn gewandt, weil sie nicht mehr weiter wussten. Ständig liege Kot im Sandkasten, Spielen könnten die Kinder dort schon längst nicht mehr, führten sie Klage.
„Wir haben dann eine Videokamera installiert. Die Aufnahmen aus den Abend- und Nachtstunden verwunderten Jürgen Welbers nicht mehr wirklich, hatte er es doch an den Hinterlassenschaften schon erahnt: „Gleich drei Tierarten machten sich an den Abfällen in den Mülleimern zu schaffen: Dachs, Fuchs und Marder“. Den maroden Zaun überwanden sie mühelos, wie die Bilder zeigten. Inzwischen hat die Kita einen neuen, über zwei Meter hohen Zaun setzen lassen mit Fundamenten im Erdreich. Die 20 Jahre alten Abfallbehälter wurden gegen neue Körbe mit schmalen Einwurfschlitzen ausgetauscht. Die Leerung erfolgt Tag für Tag.
Gefundenes Fressen nach der Grillparty
Von den drei Tierarten, die man auf dem Kita-Gelände beobachtete, gehört zu Dachs zu denen mit einem geringeren Aufkommen. Marder gibt es hingegen in großer Zahl „und bei den Füchsen gehen wir davon aus, dass davon rund 4000 im Stadtgebiet leben“. Sie seien äußerst gewieft, um sich vor den Menschen zu verstecken oder auf Distanz zu bleiben. Gerade zu dieser Jahreszeit haben indes die Muttertiere „richtig Stress. Sie müssen ihre Jungen versorgen, bevor sie flügge werden, und sind ständig auf der Suche nach Futter“. Wenn sie dann die Fährte zu einem Hühnerstall aufnehmen und die Besitzer den Reineke nicht bemerken, sei es um das Geflügel geschehen.
Wer Hühner halte und auf Nummer sicher gehen wolle, brauche nicht nur einen Zaun, der meterhoch in die Luft, sondern auch in den Erdboden reiche. „Die buddeln, was das Zeug hält.“ Da ein Fuchs sich ansonsten auch so ziemlich alles, was der Mensch an Nahrung mag, einverleibt, appelliert Welbers auch hier, auf die Entsorgung von Speiseresten zu achten. Wenn nach einer Grillparty das übrig gebliebene Fleisch einfach liegen bleibe, „dann kann das für Fuchs und Co. im wahrsten Wortsinn ein gefundenes Fressen sein“.
Darauf sind wiederum auch jüngst Rabenvögel auf einem Friedhof im Norden gestoßen. Mehrere Familien hatte neue Stiefmütterchen gepflanzt und dazu humusreichen Boden aus dem Gartencenter genommen. „Die Vögel haben, wie ein Gärtner beobachtete, das Wurzelwerk der Blumen ausgegraben“. Es habe ausgesehen, als hätten Unbekannte einen Teil des Friedhofs verwüstet. Den Verdacht hätte man auch nicht ausräumen können, wenn besagter Zeugen anwesend gewesen wäre.