Borbeck. Beratung und Begleitung von arbeitslosen Frauen bietet der Verein „Die Spinnen“ kostenlos an. Corona sorgt für zusätzliche Nachfragen

„Das Coronavirus hat viele Frauen beruflich ausgebremst“, weiß Simone Kaczinski. In der „Fachstelle Frauen und Beruf“ des Essener Vereins „Die Spinnen“ in Borbeck sieht die Diplom-Pädagogin diese Auswirkung der Pandemie täglich: „Corona hat die Problemlagen der Frauen verschärft und ihre Existenzängste gesteigert.“

So gibt es derzeit im Büro an der Marktstraße 42, wo der Verein seit Anfang 2019 sitzt, mehr denn je zu tun. Die persönliche Beratung vor Ort konnte viele Wochen nicht wie gewohnt stattfinden. Nur telefonisch war das Büro erreichbar. Erst Mitte Mai kehrte dort eine Art Normalität zurück – mit Gesprächen von Angesicht zu Angesicht, allerdings mit einer Plexiglasscheibe dazwischen.

Für Frauen jeden Alters und Herkunft suchen den Rat in Essen-Borbeck

Simone Kaczinski, Beraterin in der Erwerbslosenberatungsstelle steht vor dem Gebäude der Beratungsstelle des Vereins „Die Spinnen“ in Essen-Borbeck. Foto: Christof Köpsel / FUNKE Foto Services
Simone Kaczinski, Beraterin in der Erwerbslosenberatungsstelle steht vor dem Gebäude der Beratungsstelle des Vereins „Die Spinnen“ in Essen-Borbeck. Foto: Christof Köpsel / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Frauen jeden Alters, aus allen Ländern und mit unterschiedlichen Religionen und Bildungsabschlüssen, suchen den Rat der Expertinnen und kommen dafür wieder aus ganz Essen, Mülheim oder Oberhausen in Borbecks City. Dort helfen ihnen „Die Spinnen“ kostenlos beim beruflichen Netzspannen.

Im Schnitt finden sechs, meist einstündige Coachings pro Tag statt. Erwerbslose Frauen und solche, denen Arbeitslosigkeit droht, Berufsrückkehrende oder Alleinerziehende gehören seit Gründung des Vereins zur Klientel. Finanziert werden die Leistungen von „Die Spinnen“ vom Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt sowie durch Spenden.

Hilfe suchen beispielsweise Mütter, die lange vor Corona wegen Burnouts ihre Jobs verloren haben. Sie müssen nun länger als gehofft auf eine Reha-Maßnahme warten. „Corona hat Frauen, die ihr Leben verändern wollten und schon erste Schritte unternommen hatten, den Mut genommen. Viele fühlen sich jetzt regelrecht abgehängt und blicken voller Sorge in ihre Zukunft“, ergänzt die 52-jährige Beraterin.

Der Verein Die Spinnen

Der Essener Verein „Die Spinnen“ wurde 1984 gegründet.

Als eine von 150 Stellen in NRW bieten zwei Mitarbeiterinnen an der Marktstraße 42 kostenlos berufliche Beratung für Frauen an.

Jeden dritten Freitag von 10 bis 12 Uhr sind „Die Spinnen“ beim „Dialog draußen“ mit Bilge Colak vom Jugendmigrationsdienst auf dem Dionysiuskirchplatz vor dem „Café del Mundo“ dabei. Am Sofatisch sprechen sie mit Borbeckern über Sorgen und Probleme.

Kontakt: Die Spinnen e.V., 31 10 71.

Ein weiteres Problem: Corona und neue Lebenssituationen mit Homeoffice und Homeschooling brachten alte Rollenbilder in den Familienalltag zurück. Viele Männer erwarteten derzeit, dass Hausarbeit, Kindererziehung sowie die Betreuung von Eltern oder Schwiegereltern zum Großteil von Frauen gestemmt wird – neben deren Berufstätigkeit im Heimbüro.

Das vermehrte Zuhause-Sein berge Konfliktpotenzial. Ablenkung außerhalb der eigenen vier Wände ist rar. „Auch unsere Gruppenangebote mussten bisher leider ausfallen.“ Hier tauschen sich Frauen sonst in lockerer Atmosphäre über berufliche Pläne aus.

Ein weiteres Corona-Opfer ist zudem die „Offene Beratung“, die Simone Kaczinski und ihre Kollegin, Sozialarbeiterin Lydia Klettke, zuständig für die Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II, aufgrund der Hygieneregeln noch nicht wieder durchführen dürfen. Und auch das interkulturelle Frauenfrühstück, sonst einmal im Monat beim Jugendmigrationsdienst (JMD), wurde gestrichen.

Beratung gibt es vorerst nur mit festen Terminen. „Das läuft hier gerade ein bisschen wie in einer Arztpraxis.“

Die Sozialberatung wurde wieder aufgenommen

Wieder aufgenommen in Borbeck hat Geschäftsführerin Lydia Klettke die Sozialberatung in der Stelle. Frauen, die von staatlicher Unterstützung leben, seien oft auch krank und meist alleinerziehend. Um sie wieder in Arbeit zu bringen, brauche es dauerhafte Hilfestellung. Kaczinski: „Wir suchen gemeinsam nach sinnvollen Lösungen. Und machen, was möglich ist, mit Ideen, Ausdauer und Humor.“ Konkreter wird sie nicht. Was in den Zimmern besprochen wird, ist streng vertraulich.

Als „Die Spinnen“ vor über 30 Jahren die ersten Fäden in die Hand nahmen, durften Männer das Büro nicht einmal betreten. Diese Zeiten sind längst vorbei. Doch beraten werden nach wie vor nur Frauen. Der Name ist Programm. „Die Spinnen“ verfügen über ein großes Netz, das den Frauen Halt gibt und stetig wächst. „Und ich spinne im positiven Sinne gern herum, auf der Suche nach neuen Chancen“, fügt Kaczinski hinzu.

Ihr 30-jähriges Bestehen hatten „Die Spinnen“ noch an der Bäuminghausstraße in Altenessen gefeiert, wo sie vorher viele Jahre weitreichende Netze webten. Die Erwerbslosenberatungsstelle, gefördert vom Land NRW, läuft Ende 2020 aus. Eine Stelle fällt weg.

„Wir hoffen natürlich auf neue Projekte, um weiter für und mit Frauen spinnen zu können“, sagt Kaczinski.