Essen/Mülheim. Die Zahl der verunglückten Pedelec-Fahrer hat sich binnen eines Jahres verdoppelt. Die Polizei bietet bis zum Herbst ein Sicherheitstraining an.

Wenn die Schwerkraft mit Unsicherheit und mangelnder Übung auf zwei Rädern paktiert, ist die Gefahr eines Unfalls groß: Das weiß Doris Kirschnereit aus schmerzhafter Erfahrung nur zu gut. Zwei Mal schon ist die Essenerin mitsamt ihrem Pedelec auf die Seite gestürzt, als sie es bei Bremsmanövern nicht rechtzeitig aus dem Sattel auf die Füße schaffte und haltlos das Gleichgewicht verlor. Autsch.

„Der Sattel ist ja auch zu hoch“, lautet die erste hilfreiche Diagnose von Kriminalhauptkommissar Hans-Joachim Ruhl auf dem Gelände der Jugendverkehrsschule an der Gruga. Weitere Tipps folgen auf der Felge: Der Verkehrssicherheitsberater der Polizei Essen legt korrigierend kurz Hand an, bevor es für Kirschnereit, ihren Mann und weitere Pedalritter aus Essen und Mülheim unter behördlicher Aufsicht auf den Übungsparcours geht. Die Polizei Essen hat das Fahrtraining für E-Bikes nach einer coronabedingten Zwangspause wieder hochgefahren.

Polizei Essen registrierte binnen eines Jahres 52 Pedelec-Unfälle mit Verletzten

Nicht ohne Grund: Wie wichtig das beschützte Üben mit den deutlich schwereren und schnelleren Pedelecs insbesondere für die Generation 60plus ist - denn gerade die schwingt sich mit zunehmender Begeisterung nach oft langer Radelpause auf die Fahrzeuge mit elektrischem Hilfsmotor -, zeigt allein schon ein Blick auf die Unfallstatistik für Essen und Mülheim: Während die Zahlen der Unfälle mit Radfahrern insgesamt sanken, verunglückten im vergangenen Jahr doppelt so viele Pedelec-Piloten wie 2018. 42 davon wurden leicht, zehn schwer verletzt. 39 dieser insgesamt 52 Unfälle ereigneten sich allein auf Essener Straßen.

Man sieht’s: Frigga Ceccone aus Mülheim hat den Dreh schon ganz gut raus.
Man sieht’s: Frigga Ceccone aus Mülheim hat den Dreh schon ganz gut raus. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Dieser alarmierende Trend hat sich in der ersten Hälfte des laufenden Jahres leider fortgesetzt, sagt Polizeisprecherin Bettina Wehram: Dass die Behörde bereits 35 Pedelec-Unfälle mit Verletzten zwischen Januar und Juni registrierte, macht einen neuen Negativ-Rekord zum Ende des Jahres nicht unwahrscheinlich. Klar, dass man da möglichst gegensteuern will. Zumal nicht nur wahrnehmbar mehr der Bikes auf den Straßen unterweg sind. Hans-Joachim Ruhl, der seit zwei Jahrzehnten für mehr Verkehrssicherheit arbeitet, sieht zudem bei den Senioren ein erhöhtes Risiko: „Die älteren Leute treten drei Mal in die Pedale und sind schneller als je zuvor mit einem herkömmlichen Fahrrad.“

Manche Senioren sind mit der Geschwindigkeit überfordert

Beschleunigen und vor den roten Hütchen sauber zum Stehen kommen: Frigga Ceccone, die an diesem Montag den Weg von Mülheim nach Essen fand, hat den Dreh schon gut raus, geht rechtzeitig in die Eisen und achtet auf die Spannung in ihren Armen, damit die Tücken der Physik sie nicht Richtung Lenker befördern. Im Mai hat sich die ältere Dame aus dem Oberfränkischen ihr erstes Pedelec zugelegt und seitdem schon 900 Kilometer zurückgelegt. Sie ist eine der Teilnehmerinnen an diesem Tag, von denen Ruhl sagt: „Viele Senioren fahren sehr gut und sicher.“ Andere hingegen sind mit der Geschwindigkeit ihres Rades überfordert. Deshalb sei es eben sehr wichtig, das Fahren zu üben und die eigenen Grenzen zu kennen.

Wer sauber vor den Hütchen zum Stehen kommt und sicher absteigt, hat sein Pedelec im Griff wie Horst Unkel aus Mülheim.
Wer sauber vor den Hütchen zum Stehen kommt und sicher absteigt, hat sein Pedelec im Griff wie Horst Unkel aus Mülheim. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Für Doris Kirschnereit jedenfalls ist nach zwei Übungsstunden klar, mindestens ein zweites Mal an dem Training in der Jugendverkehrsschule teilnehmen zu wollen. Denn: „Noch fährt die Angst mit.“

Die Fahrtrainings der Polizei sind kostenlos

Die Fahrtrainings finden ab sofort immer montags (außer an Feiertagen) von 13 bis 15 Uhr bis zum Beginn der Herbstferien in der Jugendverkehrsschule an der Gruga, Am Grugapark 14, statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Jeder Teilnehmer muss ein Pedelec mitbringen. Außerdem besteht auf der Anlage im Gegensatz zu öffentlichen Straßen Helmpflicht. Anmeldungen sind möglich bei Polizeihauptkommissar Hans-Joachim Ruhl unter der Telefonnummer 0201/ 829 4137 oder per E-Mail unter vupo.essen@polizei.nrw.de