Essen. Impfen in der Apotheke - das soll Essener AOK-Versicherten ab Herbst in einem Modellversuch ermöglicht werden. Essener Apotheker begrüßen das.
„Zwei Schachteln Aspirin und eine Grippeschutz-Impfung, bitte.“ Sätze wie dieser dürften ab Herbst in Essener Apotheken häufiger zu hören sein. Denn zusammen mit Mülheim, Duisburg und anderen Großstädten der Rheinschiene gehört Essen zu den Modellstädten, die mit der AOK Nordrhein etwas Neuartiges testen: das Impfen in der Apotheke. Ein Vorstoß, der in der Essener Apothekerschaft auf positive Resonanz zu stoßen scheint.
Stichprobe bei der Hirsch-Apotheke am Limbecker Platz: Ihre Gründung geht zurück auf das Jahr 1686, damit zählt sie zu den ältesten im Ruhrgebiet. Trotz so viel Historie ist ihr Inhaber Andreas Bessenbach dem Neuen gegenüber aufgeschlossen. „Ich bin an dem Modellversuch interessiert und habe dafür die geeigneten Räumlichkeiten“, betont der Apotheker. Überhaupt entspreche es seinem ganzheitlichen Heilungsansatz, kranke Menschen zu beraten und „sie wieder auf die Hufe zu kriegen“.
Der Essener macht kein Hehl daraus, dass das Reizthema „Impfen in der Apotheke“ die beiden Lager polarisiere: hier die Apotheker - dort die Ärzte. Letztere fürchteten, dass die Apotheker ihre Tür nun einen Spalt weit für ärztliche Aufgaben öffnen und ihnen „die Butter vom Brot“ nehmen könnten.
Im Impfkonflikt zwischen Arzt und Apotheker geht es auch um die Frage der Vergütung
Bislang hat die Berufsordnung in NRW verhindert, dass einer der rund 150 Essener Apotheker eine Spritze aufzieht, um seine Kunden eine Schutzimpfung etwa gegen Grippe zu verpassen. Doch im Modellversuch soll nun ausprobiert werden, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schon seit Längerem unter dem sperrigen Etikett „Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz“ auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Rolf-Günther Westhaus ist seit mehr als 35 Jahren Inhaber der gleichnamigen Apotheke in Überruhr und zugleich Sprecher der Essener Apothekerschaft. Auch er steht dem Impf-Modellversuch aufgeschlossen gegenüber. „Ich würde mitmachen“, sagt Westhaus, der zugleich einräumt, die teilweise erheblichen Vorbehalte in der Ärzteschaft nachvollziehen zu können.
Es geht in dem Konflikt mit der Ärzteschaft natürlich auch um die Frage, in welcher Höhe die Apotheker-Impfung vergütet wird. Andreas Bessenbach von der Hirsch-Apotheke geht davon aus, dass er an jeder Grippeschutzimpfung höchstens „ein bis zwei Euro“ verdienen werde. „Ein Ferienhaus auf Mallorca kann ich damit nicht finanzieren.“
Essener Apotheken-Sprecher rät Kollegen, sich mit Ärzten in der Nähe abzustimmen
Um eventuell aufkommende Wogen von Beginn an zu glätten, legt Verbandssprecher Westhaus seinen Kollegen eine diplomatische Vorgehensweise ans Herz. „Ich empfehle allen Apothekern in Essen, die in Zukunft impfen wollen, sich mit den Ärzten in der unmittelbaren Nähe abzustimmen.“
Apotheker Bessenbach weiß, was in puncto Impfung demnächst auf ihn zukommt. Er werde eine Schulung absolvieren und die Hygiene- und Raumvorschriften erfüllen müssen. Fest steht, dass in dem Modellversuch nur der Apotheker und nicht sein Personal die Spritze in den Oberarm seiner Kunden drücken darf. Ein Nebenraum inklusive Sichtschutz sei dafür in der Hirsch-Apotheke vorhanden.
Vorerst geht’s im Essener Modellversuch nur um die Grippeschutz-Impfung. Aber was ist mit Hepatitis? Und mit Corona? Andreas Bessenbach malt sich ein Szenario aus, das durchaus realistisch erscheint. Sobald der lang ersehnte Impfstoff gegen das Coronavirus auf dem Markt sei, würden die Menschen die Arztpraxen stürmen. „Dann könnten wir Apotheker wesentlich dazu beitragen, diese Stresssituation zu entkrampfen.“