Essen. Hat Essen Platz für eine Veranstaltungsarena? Auf diese Frage, die noch aus Vor-Corona-Zeiten stammt, soll eine Machbarkeitsstudie Antwort geben.
Abgesagte Shows und Kongresse, Tagungen mit mehr als nur einer Armlänge Abstand, und ein absehbar wachsendes Finanzloch für die Grugahalle: Die Pandemie-Folgen laden dieser Tage nicht gerade dazu ein, über Sinn oder Unsinn einer neuen Multifunktionshalle in Essen nachzudenken. Doch die an die Stadt herangetragene Idee, sie stammt halt noch aus Vor-Corona-Zeiten, und in der Veranstaltungsbranche hat man die Hoffnung auf eine Rückkehr zum alten Leben noch nicht aufgegeben. Also wird stiekum an einer Machbarkeitsstudie gearbeitet: Multifunktionshalle – wollen wir das?
Beantworten soll diese Frage Messe-Chef Oliver P. Kuhrt, der ja streng genommen schon eine Multifunktionshalle unter seinen Fittichen hat: „Alles ist möglich“, lautet jedenfalls das Motto der Grugahalle, die seit über 60 Jahren Platz für Sport und Show, Konzerte und Kongresse, Partei- und Kirchentage bietet. Ein lohnendes Geschäft allerdings ist das nicht.
Wird das alte Geschäft durch neue Konkurrenz belebt – oder kannibalisiert?
Auf rund eine Million Euro summiert sich dem Vernehmen nach das Defizit des denkmalgeschützten Schmetterlingsbaus in Rüttenscheid, was umgehend die Frage aufwirft, ob neue Konkurrenz am Markt wirklich das alte Geschäft belebt oder nicht eher kannibalisiert. Mancher ist gar skeptisch, dass
Multifunktionshallen überhaupt ein lohnendes Unterfangen sein können. Allenfalls würden sie das Image als Veranstaltungs-Stadt polieren und dank der Folge-Effekte etwa für die Gastronomie Sinn ergeben.
Die Skepsis im Kreisen des Essener Messe-Aufsichtsrates jedenfalls ist greifbar. Man legt dort deshalb großen Wert auf die Feststellung, dass die Prüfung auf jeden Fall „ergebnisoffen“ angelegt ist.
Die Arena in Oberhausen wuchert mit dem Pfund tausender kostenloser Parkplätze
Der Blick geht dabei vor allem gen Oberhausen, wo die König-Pilsener-Arena neben dem Centro seit 1996 Maßstäbe setzt – und manche Show-Größe auf der Bühne begrüßt, die früher wohl in Essen aufgetreten wäre. Bis zu 13.000 Besucher fasst die dortige Multifunktionshalle, die vom kalifornischen Veranstaltungs-Konzern ASM Global betrieben wird.
Der hat mehr als 300 Stadien, Hallen und Theater auf fünf Kontinenten in seinem Portfolio und kann in der einst künstlich geschaffenen „Neuen Mitte“ Oberhausens mit einer hervorragend ausgebauten Infrastruktur samt Autobahn-Anschluss und dem Pfund tausender kostenloser Parkplätze in unmittelbarer Nachbarschaft wuchern.
Wer soll das Investment stemmen? Wer soll betreiben und wie lange?
Einen Standort in Essen zu finden, der hier auch nur ansatzweise mithalten kann, dürfte schwierig werden. Genannt wird gelegentlich das einst von Ikea ausgeguckte Gelände an der Bottroper Straße, das der Möbel-Riese womöglich niemals in Anspruch nehmen wird.
Rund 163.000 Besucher kamen in die Grugahalle
In der Grugahalle gingen 2018 an 172 Tagen insgesamt 70 Veranstaltungen über die Bühne: 32 Konzerte und Shows, 2 Sportveranstaltungen, 36 Tagungen, Festabende und Ausstellungen sowie Hauptversammlungen. Unterm Strich zählte man rund 163.000 Besucher.
Schon damals hieß es, für die Grugahalle ergäben sich insbesondere im Geschäftssegment der Hauptversammlungen Risiken, „da im nahen Umfeld große moderne Veranstaltungshallen entstanden sind“.
Inzwischen liegt wegen der Corona-Pandemie das Risiko eher darin, dass die realen kurzerhand durch virtuelle Hauptversammlungen ersetzt werden – so wie jüngst beim Energieriesen RWE.
Doch egal wo: Mit wem wollte man eine große Multifunktionshalle füllen? Wer sollte das Investment stemmen, wer den Betrieb sichern und für wie lange? Im Segment der Mega-Veranstaltungen sind Stadien eine Alternative, und wo die Kapazität von Lichtburg, Philharmonie oder die „Grand Hall“ auf Zollverein nicht ausreichen, bietet die variabel teilbare Grugahalle sich nach wie vor als Lösung an.
Auch für die Erstliga-Handballer von Tusem reicht die Kapazität aus
Das gelte, sagen Eingeweihte, selbst für den Fall, dass die in die 1. Bundesliga aufgestiegenen Handballer von Tusem Essen vor lauter Zuschauer-Zuspruch mit der 3000 Zuschauer fassenden Sporthalle am Hallo nicht mehr auskämen. Auch zu seinen Glanzzeiten habe der Verein früher in der Grugahalle gespielt, ein echtes Geschäft aber war das für die Stadt wohl nie.
Wie auch, sagt ein Kenner der Materie: „Es wurde ja keine Miete gezahlt“.