Autobahnen werden immer öfter vollgesperrt, um Bauzeiten zu verkürzen. Die Ingenieurkammer-Bau NRW sieht auch Potenzial bei der Vergabepraxis.
Warum dauert Bauen so lange in Deutschland? Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, hat dazu gleich einige Verbesserungsvorschläge.
Dauern viele innerstädtische Baustellen zu lange?
Heinrich Bökamp: Die eigentliche Bauzeit dauert nicht zu lange. Wenn tausend Pflastersteine zu verlegen sind, können Sie nicht viel dran drehen. Es ist eher das Gesamtpaket aus Planung, Genehmigungen und Vergaben, bis endlich gebaut wird. Das Vergaberecht ist auch gerade bei den Kommunen immer komplizierter geworden. Die Fixierung auf den günstigsten Preis ist ein Trugschluss. Wir haben auch dadurch heute kaum noch Baufirmen, die alles machen können. Die suchen sich Subunternehmer dazu, die wiederum Subunternehmer holen. Diese Verschachtelung führt öfter dazu, dass mal einer doch nicht liefert. Dann hängt die ganze Baustelle.
Was sind die häufigsten Fehler im Baustellenmanagement?
Es fängt damit an, dass manche mit dem Bauen beginnen, ohne zu wissen, was sie erwartet. Dieses baubegleitende Planen ist gefährlich. Das zweite ist, dass für Planung, Genehmigungen und Vergaben immer mehr Zeit benötigt wird, die nichts mit dem Bauen zu tun hat. Wir schenken in Deutschland den DIN-Normen und Eurocodes sehr viel Glauben und wollen sie zu 100 Prozent umsetzen. Damit geht aber immer mehr Spielraum verloren, den die Frau oder der Mann vor Ort für eigenständiges Denken brauchen. Gerade bei Baustellen im Bestand entdeckt man ja oft Unerwartetes. Wenn man dann jedes Mal drei Genehmigungen braucht, geht viel Zeit verloren. Und das kostet viel Geld.
Im Autobahnbau ist es zu einem Umdenken gekommen. Hier wird nun öfter vollgesperrt, um die Bauzeit stark zu verkürzen.
Das ist ein richtiger Gedanke, auch für Städte. Das Bauen dauert deutlich länger, wenn Sie die Baustelle in Abschnitten planen, immer wieder verschieben und Umleitungen asphaltieren müssen. Lieber konzentriert bauen ohne Störungen durch Verkehr. Das gibt es im Moment nur bei den Autobahnen. In den Städten haben die Ämter die Sorge, dass die Bevölkerung aufschreit, weil sie Umwege fahren muss. Man müsste mutiger sein und vermitteln: Ihr seid eigentlich viel besser dran, wenn ihr drei Monate eine Vollsperrung vor der Tür habt statt eine Dauerbaustelle für ein ganzes Jahr.
Könnte man nicht auch die Arbeitszeiten ausdehnen?
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Samstagsarbeit und Mehrschichtbetrieb werden schon stärker genutzt. Was aber helfen würde: Wenn man in der Ausschreibung nicht nach dem billigsten Preis vergibt. Man könnte Anreize schaffen und ein paar Euro mehr ausgeben, wenn die Firma zum Beispiel verspricht, ein Drittel schneller zu sein. Unter dem Strich könnte das ein viel attraktiveres Angebot für die Stadt sein. Zumal Sie immer das Pech haben können, dass ihnen durch den niedrigen Preis die Firma baden geht während der Maßnahme.
Dürfen Städte Ausschreibungen so gestalten?
Ja, es wird nur etwas mehr Überzeugungsarbeit gegenüber dem Rat benötigen , wenn die Verwaltung das Unternehmen wählt, das von der Bauzeit und damit vom Gesamterfolg her günstiger ist. Das machen viele Verwaltungsmitarbeiter nicht gerne, weil sie wissen: Die Politik ist sich nie ganz einig. Dann haut die eine Partei drauf, dann die andere. Es ist bequemer, es rein nach dem Preis zu machen. Man müsste dafür werben und ein Bewusstsein schaffen, dass andere Kriterien einfach zählen dürfen. Ich glaube, wenn Firmen wüssten, dass sie mit Schnelligkeit punkten können, gäbe es viele Möglichkeiten.
Gibt es Verbesserungspotenzial in der Abstimmung?
Das glaube ich schon. Man könnte die Digitalisierung nutzen, um Planungen und Genehmigungen stärker parallel zu gestalten. Wenn alle verantwortlichen Stellen sich den Vorgang nacheinander vornehmen, sind schon die ersten drei Jahre weg. (