Essen. Der Streit über den Marienhospital-Neubau und den Abriss von St. Johann Baptist hat die Altenessener Gemeinde tief gespalten. Wie geht’s weiter?

Der erbittert geführte Streit über den Abriss der Kirche St. Johann Baptist in Altenessen wegen des geplanten Marienhospital-Neubaus hat in der katholischen Gemeinde einen tiefen Riss verursacht. Da der Krankenhausbetreiber Contilia die Neubaupläne in einem spektakulären Rückzieher beerdigt hat, lautet die spannende Frage nun: Wie finden die zerstrittenen Altenessener Katholiken wieder zusammen?

Die Voraussetzungen für eine schnelle Versöhnung sind nicht die allerbesten: Denn in den vergangenen Jahren haben die Befürworter und Gegner des Kirchenabrisses in ihrer Auseinandersetzung beinahe alle Register gezogen. Dabei ging es nicht nur um juristische Konflikte und Klagen vor Gerichten bis hin zu Eingaben bei Bistum und Vatikan.

Eingeweihte berichten auch von Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie und von Rissen, die sogar ganze Familien entzweit haben sollen. Persönliche Kontakte, so heißt es, seien zerbrochen. Und so manche Empfehlung habe wie eine Ohrfeige gewirkt. Zum Beispiel die, in Zukunft doch bitteschön nicht mehr im Kirchenchor mitzusingen.

Initiative „Rettet St. Johann“: „Es gibt nur Verlierer, die Gemeinde ist tief gespalten“

Auch die Verantwortlichen im Bistum Essen wissen, dass die Gemeinde St. Johann Baptist vor einem großen Scherbenhaufen steht. In einer Presseerklärung des Bistums als Reaktion auf das endgültige Aus der Krankenhausneubau-Pläne in Altenessen ist von „intensiven Auseinandersetzungen“ und „schweren Konflikten“ die Rede. Wörtlich heißt es: „Es ist nicht zu leugnen, dass der gescheiterte Krankenhaus-Neubau Wunden geschlagen hat und viele Verlierer zurücklässt.“

Gerd Urban steht an der Spitze der Initiative „Rettet St. Johann“, ihr Banner flattert seit über zwei Jahren am Karlsplatz vor der 150 Jahre alten Backsteinkirche. Fühlt er sich nun, da das Gespenst des Abrisses endgültig verjagt zu sein scheint, als Sieger? „Nein“, erwidert er, „gewonnen hat niemand, es gibt nur Verlierer, die Gemeinde ist tief gespalten.“

„Nun ist die Chance in der Gemeinde groß, wieder ein Stück aufeinander zuzugehen“

Klaus Hagen (CDU), stellvertretender Bezirksbürgermeister, richtet den Blick nach vorn. Für ihn ist das einzig Positive, dass nach schwierigen Zeiten der Abriss der Kirche St. Johann vom Tisch sei. „Nun ist die Chance der Kirchengemeinde groß, wieder ein Stück aufeinander zuzugehen.“

Geschehen soll dies nach den Sommerferien. Der Kirchenvorstand veranstaltet eine öffentliche Versammlung, in der die aktuelle Lage auf der Tagesordnung steht. Doch Urban glaubt nicht daran, dass in nur anderthalb Stunden jener Graben zugeschüttet wird, der in der konfliktreichen Vergangenheit aufgerissen worden sei. „Wir haben leidvoll erfahren, wie solche Versammlungen verlaufen – sie erzeugen meistens mehr Frust als Annäherung.“

Der Initiativen-Sprecher: „Das Gemeindeleben ist fast zum Stillstand gekommen“

Zerstörtes Vertrauen wieder herzustellen, könne nur über viele persönliche Gespräche funktionieren. Urban: „Alle müssen aufeinander zugehen, damit das Gemeindeleben wieder in Gang kommt.“ Über den Ist-Zustand des Gemeindelebens fällt Urban ein deprimierendes Urteil: „Es ist fast zum Stillstand gekommen.“

Als Vorsitzender des Pfarrgemeinderates gehört Michael Rüsing zu denen, die in dem Gremium mit großer Mehrheit grünes Licht gegeben haben für den geplanten Neubau des Marienhospitals und den Abriss der Kirche. Sein Fazit: „Der Hauptverlierer ist der Stadtteil mit seinen Menschen und den Beschäftigten des Krankenhauses.“ Der Neubau wäre ein Leuchtturmprojekt gewesen, man hätte auf Altenessen geschaut.

Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderates: „Hauptverlierer ist der Stadtteil Altenessen“

Die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gemeinde seien teilweise ausgeartet in „Beschimpfungen und Beleidigungen“. Rückblickend habe man anderthalb Jahre verloren. Eine kostbare Zeit, die man sinnvoller für Fusionsgespräche mit der Stoppenberger Gemeinde St. Nikolaus hätte nutzen können. „Wir wollten nicht egoistisch sein und haben als Gremium alles getan, um den Neubau des Krankenhaus zu ermöglichen.“ Für das hohe Gut einer Krankenhausversorgung in Altenessen und im Essener Norden sei die Gemeinde bereit gewesen, das Kirchengrundstück zu verkaufen und den Abriss der Kirche in Kauf zu nehmen.