Essen. Einer Umfrage zufolge meiden viele Essener die Innenstadt vor allem aus vier Gründen. Doch wie berechtigt ist die Kritik der Bürger wirklich?

• Nach einer nicht repräsentativen Leserumfrage unserer Redaktion gehen viele Essener nicht gerne in die Innenstadt.

• Der erste Text dieser Redaktion über die Umfrage sorgte für viele Reaktionen und auch für Kritik. Der Redaktion wurde auch eine „rassistische Berichterstattung“ vorgeworfen.

Vier Gründe sind entscheidend, warum die Essener Bürger ihre Innenstadt meiden.

Viele Essener gehen zum Einkaufen und Flanieren nicht gerne in die Innenstadt. Grund dafür sind vor allem das unattraktive Waren- und Gastronomieangebot, die hohen Parkgebühren, die mangelnde Sauberkeit und das Unbehagen, das nicht wenige angesichts migrantischer Männergruppen empfinden.

Das jedenfalls ist das Ergebnis einer nicht repräsentativen Leserumfrage unserer Redaktion, an der weit über 100 Personen teilgenommen haben. Unter der Überschrift „Darum meiden Essener ihre City: Parken, Euroshops, Migranten“ haben wir zahlreiche Lesermeinungen veröffentlicht, die die Kritik der Essener an ihrer Innenstadt authentisch dokumentieren.

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Der Bericht ist auf große Zustimmung, aber auch auf harsche Kritik gestoßen. Während sich viele Leser mit dem Artikel identifizieren und Zufriedenheit äußern, dass die Herausforderungen vor der die Stadt steht, zur Sprache kommen, ärgern sich andere über den Artikel und werfen der Redaktion eine „rassistische Berichterstattung“ vor.

Nach Bericht über die Essener Innenstadt: Rassismusvorwurf gegen die Redaktion

Wiederzugeben, dass sich zahlreiche Essener angesichts junger Männergruppen mit Migrationshintergrund in der City offenbar nicht wohlfühlen, weil sie sich zunehmend fremd in ihrer Stadt vorkommen, wird dabei als vermeintlicher Beweis für eine rassistische Motivation dieser Redaktion angeführt.

Dieser Vorwurf ist nicht nur haltlos, diffamierend und wird von der Redaktion entschieden zurückgewiesen - er spiegelt auch eine aus den Fugen geratene Diskussionskultur wieder, die in Essen zuletzt auch in unsäglichen Rassismusvorwürfen gegen die Polizei deutlich zu Tage getreten ist.

Dabei blenden die Wortführer geflissentlich aus, dass sich unsere Redaktion nicht nur unmissverständlich klar dafür ausspricht, dass sich jeder Migrant in die hiesige Gesellschaft integrieren muss, sondern selbstverständlich genauso deutlich klarstellt, dass niemand wegen seiner Herkunft oder Religion benachteiligt oder angefeindet werden darf. „So wichtig wie das Ankommen ist auch das Annehmen“, heißt es deshalb in einem Kommentar, der zusammen mit der Innenstadt-Umfrage veröffentlich wurde.

Die Innenstadt-Kritik der Essener im Fokus

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Was überdies an der Kritik der Essener an ihrer Innenstadt dran ist:

„Parken ist in der Innenstadt zu teuer. Da fahre ich lieber ins Rhein-Ruhr-Zentrum oder ins Centro, wo ich nichts fürs Parken bezahle“.

Dass die Einkaufszentren in Mülheim und Oberhausen ihren Besuchern kostenlose Parkplätze zur Verfügung stellen, ist zweifelsfrei ein Standortvorteil. Allerdings müssen Besucher der Essener City in den meisten Parkhäusern auch nicht besonders tief ins Portemonnaie greifen, um ihr Gefährt abstellen zu können.

Parken in der Essener Innenstadt: Überschaubare Gebühren

Ein Euro pro Stunde kostet es beispielsweise in den Parkhäusern „Rathaus Galerie“ und „Am Rathaus“. Für 1,20 Euro kann man auf den Parkterrassen am Gänsemarkt parken. Im Limbecker Platz kostet die erste Stunde gerade mal 80 Cent, die zweite Stunde 1 Euro und die dritte 1,50 Euro. Für die meisten anderen Parkhäuser – auch in der bequemen Tiefgarage unterm Kennedyplatz – werden 1,50 Euro pro Stunde fällig.

  • Fazit: An den relativ überschaubaren Parkgebühren sollte ein Bummel nicht scheitern.

Die Qualität des Warenangebots in der Essener Innenstadt

„Es gibt in der Innenstadt immer mehr Billigläden“.

Schlendert man vom Limbecker Platz aus über die Limbecker Straße Richtung Rathaus Galerie, so dominiert auf den ersten Blick vielleicht der Eindruck, dass es in der Essener Innenstadt neben wenigen Leerständen und Boutiquen mit augenscheinlich minderwertiger Ware, vor allem Schnellimbisse, Handy- und Ramschläden gibt. Das Angebot in der Rathaus Galerie selber ist in der Breite sicher auch kein Publikumsmagnet. Doch darüber hinaus finden sich im Mittelpreissegment sowohl im Limbecker Platz als auch an der Kettwiger Straße eine Reihe von beliebten Modeketten. Wenngleich die Schließung von Pohland, Schiesser, Desigual, Seidensticker, Benetton und des Bio-Supermarkts Basic bei vielen Essenern sicher ein Bild des siechenden Niedergangs hinterlassen haben dürften.

  • Fazit: Sicher ist die Zahl der Geschäfte mit qualitativ minderwertiger Ware nicht gering. Wer auf der Suche nach exklusiven Produkten ist und sich nach inhabergeführten Cafés mit einem eigenen Charme sehnt, der ist hier Fehl am Platze. Verödet ist die City deshalb aber noch nicht.

Essener Innenstadt: Die mangelnde Sauberkeit

„Was am meisten stört, sind Abfälle, schmutzige Ecken und übervolle Mülleimer“.

Bettina Hellenkamp, Sprecherin der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE), bestätigt, dass das Müllaufkommen in der Innenstadt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist. Ausschlaggebend dafür sei vor allem der deutlich angewachsene „Unterwegsmüll“, wie Hellenkamp erklärt. „Also die Kaffeebecher, Bäckerei- und Imbissverpackungen“.

Seit 2017 tausche die EBE deshalb nach und nach die Papierkörbe in der City aus. Statt der 60 Liter fassenden, hängenden Behälter, werden Metallkörbe mit 100 Litern Fassungsvermögen aufgestellt. Darüber hinaus seien Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe mehrfach täglich in der Fußgängerzone unterwegs und reinigten die Straßen, so Hellenkamp.

  • Fazit: Die Essener Innenstadt ist nicht weniger dreckig als vergleichbare Fußgängerzonen in der Region, aber eben auch nicht mehr.

Unbehagen in der Essener Innenstadt angesichts vieler migrantischer Männergruppen

„Der hohe Ausländeranteil führt dazu, dass man sich nicht mehr wie in einer deutschen Stadt fühlt.“

Ausschlaggebend für mitunter hitzige Debatten ist das Unwohlsein, das viele Leser geäußert haben, wenn sie in der Innenstadt jungen Migranten in Gruppenstärke begegnen. Auch auf Seiten der Stadtverwaltung weiß man um die Sorgen, die viele Essener gerade seit dem Zuzug Tausender Flüchtlinge in die Stadt haben. Das Stadtbild habe sich geändert und Veränderungen würden zunächst einmal zu Unsicherheiten führen – auch wenn es nachweisbar keinen Anstieg in der Kriminalstatistik gibt. Diesem subjektiven Unsicherheits- und Unwohlgefühl entgegenzuwirken, sei eine Aufgabe, derer sich die Stadt Essen dennoch stelle, heißt es.

Können die Vorbehalte gegen Migranten in der Essener Innenstadt nicht nachvollziehen: v.l.: Robby, Oguz Cenk, Ray, Ali A..
Können die Vorbehalte gegen Migranten in der Essener Innenstadt nicht nachvollziehen: v.l.: Robby, Oguz Cenk, Ray, Ali A.. © Funke | Sinan Sat

So international die Essener Bevölkerung ist, so ist auch das Bild in der City. Gegenüber unserer Redaktion erklären die Freunde Robby, Oguz Cenk, Ray und Ali A., die zum Shoppen in der Innenstadt sind, dass sie kaum Verständnis für die Vorbehalte gegenüber Migranten haben.

„Migranten gibt es doch schon seit je her im Ruhrgebiet. Sich an ihrer bloßen Anwesenheit zu stören, ist für mich nicht nachvollziehbar“, sagt Oguz Cenk.

Der Essener ahnt, dass „gerade manche arabische Jungs vielleicht deshalb störend auffallen, weil viele Araber einfach grundsätzlich lauter reden“. Wenn diese Personen dann obendrein nicht deutsch sprächen, weil sie es schlicht noch nicht könnten oder sich mit ihren Freunden in ihrer Muttersprache unterhalten wollten, dann gehe das doch niemanden etwas an, pflichtet Ali A. bei. „Zumindest solange sie niemandem etwas tun“, so Cenk. „Einige von denen haben - auch hier in der City - schon eigene Geschäfte eröffnet und leisten ihren Teil für die Gesellschaft indem sie Steuern zahlen“, betont Robby.

  • Fazit: Für ein harmonisches Zusammenleben verschiedener Kulturen bedarf es mehr als das sich alle an die Regeln halten. Ohne Selbstreflektion und gegenseitiges Verständnis dafür, was den anderen stört, bleibt das Unbehagen - auf beiden Seiten. Und: Der Aufenthalt in der Innenstadt in Gruppen - so demonstrativ es dabei zugehen mag - ist weder verboten noch kriminell. Dass Veränderungen Unsicherheiten schaffen, ist indes ebenso wahr und verständlich. Zu hoffen bleibt, dass Stadt und Gesellschaft einen Weg finden, wie sich alle Essener wieder in ihrer Innenstadt wohlfühlen.