Essen. Die Corona-App wirft arbeitsrechtliche Fragen auf. Was darf der Chef? Was müssen Mitarbeiter beachten? Das sagt der Essener Unternehmensverband.
Die neue Corona-Warn-App soll zwar freiwillig sein und dennoch wirft sie auch arbeitsrechtliche Fragen auf. So wollen offenbar zum Schutz der Belegschaft einige Arbeitgeber ihre Mitarbeiter dazu verpflichten, die neue Corona-Warn-App zu nutzen. Was also darf der Chef? Fragen an den Arbeitsrechtler und Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes, Ulrich Kanders.
Herr Kanders, halten Sie den Einsatz der Corona-Warn-App am Arbeitsplatz für sinnvoll?
Ulrich Kanders: Grundsätzlich gilt natürlich, dass der Arbeitgeber seine Belegschaft nur wirksam schützen kann, wenn er von einer Corona-Erkrankung eines Arbeitnehmers weiß. Er hat ein berechtigtes Interesse daran, dass keine infizierten Mitarbeiter sein Betriebsgelände betreten und Beschäftigte und Dritte der Gefahr einer Infektion aussetzen.
Darf der Chef aber anordnen, dass seine Mitarbeiter die Corona-Warn-App nutzen?
Kanders: Nein. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht verpflichten, die App auf dessen privatem Smartphone zu installieren. Grundsätzlich besteht das Weisungsrecht des Arbeitgebers nur innerhalb des Arbeitsverhältnisses und betrifft nicht das Privatleben und die Freizeitgestaltung.
Was ist mit dem Diensthandy?
Kanders: Bei dienstlichen Smartphones kann der Arbeitgeber anordnen, die App zu installieren – allerdings nicht, sie auch zu nutzen. Die unternehmensinterne IT dürfte die App also prinzipiell in Absprache mit dem Betriebsrat automatisch auf alle dienstlichen Handys installieren. Allerdings gibt es derzeit auch datenschutzrechtliche Bedenken. Denn bei rein dienstlich genutzten Geräten ist der Arbeitgeber Verantwortlicher der Datenverarbeitung.
Wenn ich über die App gewarnt werde, dass sich mit einer infizierten Person Kontakt hatte: Muss ich das meinem Chef melden?
Kanders: Derzeit sind Angestellte verpflichtet, ihre Arbeitgeber über eine Corona-Erkrankung zu informieren, wenn sie in den letzten zwei Wochen persönlichen Kontakt mit anderen Kollegen hatten. Eine Warnmeldung der App kann zwar nicht mit der diagnostizierten Infektion bzw. Symptomen einer Corona-Infektion gleichgesetzt werden. Dennoch ergibt sich eine Mitteilungspflicht, damit der Arbeitgeber im Einzelfall entscheiden kann, ob und inwieweit er weitere Maßnahmen wie zum Beispiel Freistellung oder Testung durch den Betriebsarzt ergreift.
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Wenn mich die App gewarnt hat, kann ich mich dann krankmelden?
Kanders: Die Warnung ist aber noch kein Grund für eine Krankschreibung und befreit den Arbeitnehmer nicht von seiner Arbeitspflicht. Um die übrige Belegschaft zu schützen, kann der Chef den „App-gewarnten“ Arbeitnehmer aber beispielsweise für zwei Wochen ins Homeoffice schicken.
Gab es in Ihrer Rechtsberatung schon Fälle, dass Arbeitgeber die App tatsächlich zur Pflicht machen wollten?
Kanders: Nein. Nach unserem Wissen informieren die Unternehmen ihre Mitarbeiter darüber, manche empfehlen die Warn-App auch. Aber von einer verpflichtenden Nutzung ist uns nichts bekannt.