Essen. Andrea Schattberg leitet seit diesem Monat den Fachbereich Schule der Stadt. Sie tritt ihr Amt an in einer Zeit, die bewegter kaum sein könnte.
Wann öffnen alle Schulen wieder regulär, und was passiert nach den Ferien? Andrea Schattberg hat tritt ihren Job in einer Zeit an, die bewegter kaum sein könnte: Die 46-Jährige aus Frohnhausen ist neue Leiterin des Fachbereichs Schule der Stadt Essen, also des Schulverwaltungsamtes.
Sie hat die Nachfolge angetreten von Regine Möllenbeck, die Mitte Mai von Oberbürgermeister Thomas Kufen offiziell in den Ruhestand verabschiedet wurde. Regine Möllenbeck leitete den Fachbereich seit 2013 und war insgesamt 36 Jahre im Dienst der Stadt Essen. Sie habe "die kleinen und großen Herausforderungen des Fachbereichs souverän gemeistert", lobte Kufen zum Abschied.
Liste der Baustellen unendlich lang
Große Herausforderungen gab es schon vor Corona. Die größten Baustellen: Die Inklusion, der Ganztag, die Seiteneinsteiger, der Sanierungsbedarf, das fehlende Personal - Praktiker könnten diese Liste jetzt beliebig fortsetzen. Und jetzt: die Schließung der Schulen im März wegen der Pandemie, die schrittweise Wieder-Eröffnung, die Ungewissheit, wie es weitergeht. Und: Plötzlich reden alle über Digitalisierung.
"Ich möchte den Weg, den Frau Möllenbeck eingeschlagen hat, unbedingt fortsetzen", sagt Andrea Schattberg. Was so viel bedeutet wie: "Weg von der reinen Verwaltung, hin zu mehr Gestaltung." In den vergangenen drei Jahren leitete die verheiratete Mutter eines 14-jährigen Sohnes das Bildungsbüro der Stadt; eine Art Schnittstelle in der Schulverwaltung, in der Aufgaben zusammenkommen, die in der Zuständigkeit mehrerer Behörden und Einrichtungen liegen. Das waren unter anderem alle Projekte, die sich mit dem Übergang von Schule zum Beruf beschäftigen.
Viele Behörden sind für Schulen zuständig
Doch grundsätzlich sind es ja viele Behörden und Abteilungen, die am Schulwesen beteiligt sind: Das Land stellt die Lehrer und bestimmt die Unterrichtsinhalte, dazu die Schulaufsicht der Bezirksregierung, und die Stadt ist, streng genommen, weiterhin nur für die Gebäude und deren Ausstattung zuständig; hinzu kommt das Personal, das nicht beim Land angestellt ist: die Erzieher im Offenen Ganztag der Grundschulen, die Hausmeister, die Sekretärinnen.
"Wir brauchen angesichts steigender Schülerzahlen und komplexer Aufgaben in den nächsten Jahren neue und weitere Schulgebäude. Daran wird kein Weg vorbei führen", sagt Andrea Schattberg. "Da muss die Stadt Prioritäten setzen." Das heißt: Es sollte in Zukunft auch mal anders laufen als zuletzt bei der Frida-Levy-Gesamtschule in der Stadtmitte. Deren Gebäude sind marode, und ein benachbartes, freies Grundstück, die Brache der ehemaligen VHS, sollte gut ein Jahrzehnt lang verkauft werden an Investoren für neue Bürobauten. Was nicht gelang, und die Frida-Levy-Gesamtschule bekam es nur unter Aufbietung ihr aller zur Verfügung stehenden Kräfte hin, das Gelände für sich nutzen zu können, für einen Schulneubau. "Es wäre gut", sagt Andrea Schattberg, "wenn Schulen künftig nicht so viel Energie aufbringen müssen, um überhaupt gehört zu werden." Die Frage, die sich alle stellen lassen müssen, sei: Welchen Stellenwert hat für uns die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen?
Jetzt zählt das tägliche Kerngeschäft
Als Leiterin des Bildungsbüros hatte sie vor allem mit Projekten zu tun. Also Aufgaben, die in sich geschlossen sind, meistens einen Anfang und ein Ende haben. Jetzt, im Fachbereich Schule, geht es um das tägliche Kerngeschäft. Allein die letzte Mail des Schulministeriums, das die Grundschulen mit der Nachricht überrumpelte, am 15. Juni wieder regulär öffnen zu müssen, brachte auch der neuen Schulverwaltungsamts-Leiterin viel Arbeit: "Ich habe gefühlt in den letzten Tagen mit allen Grundschulrektorinnen und -rektoren telefoniert."
Andrea Schattberg ist als Kind und Jugendliche immer "unheimlich gern zur Schule gegangen", machte ihr Abi am damaligen Humboldt-Gymnasium - heute die Frida-Levy-Gesamtschule -, studierte in Bochum Sozialwissenschaften und arbeitete viele Jahre in einer Agentur für Politikberatung in Düsseldorf, arbeitete an Initiativen des Wirtschaftsministeriums mit. Im Jahr 2009 wechselte sie zur Stadt Essen in die Schulverwaltung. "Was man nicht in Bildung investiert, schlägt früher oder später zurück", sagt sie überzeugt. "Fehlende Investitionen in Bildung rächen sich, ganz abgesehen vom persönlichen Schicksal jedes einzelnen. Wir bezahlen sie als Sozialkosten für Menschen, die ohne Hilfebezüge nicht auskommen, und wir bezahlen sie mit den Kosten, die Kriminalität verursacht."
Die Leitung des Fachbereichs Schule zu übernehmen, habe sie sich lange und gründlich überlegt - um dann entschlossen die Sache anzugehen. "Denn trotz der Größe der Baustellen", sagt Andrea Schattberg, "geht es darum, Dinge möglich zu machen, trotz aller Zwänge." Menschen vom Wert der Bildung zu überzeugen und diesem Thema eine echte Priorität einzuräumen, wird wohl eine der größten Aufgaben für die neue Schulverwaltungs-Chefin sein.