Essen. Die Aufstellung der Kandidaten für die Kommunalwahl verlief nicht ordnungsgemäß. Zweite Chance für Ratsherr Wolfgang Freye.

Die Aufstellung der Kandidaten der Essener Linken für die Kommunalwahl hat ein juristisches Nachspiel erfahren: Laut dem Urteil der Landesschiedskommission muss die Wahl um einen der vorderen Plätze auf der Reserveliste wiederholt werden. So kommt der langjährige Ratsherr Wolfgang Freye unverhofft zu einer zweiten Chance. Allerdings hat der Kreisvorstand Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt.

Für Außenstehende war es eine faustdicke Überraschung, als Wolfgang Freye bei der Kandidatenkür seiner Partei im März durchgefallen war. Freye, seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Kommunalpolitik aktiv, unterlag bei der Abstimmung um den aussichtsreichen Platz 4 der Reserveliste im zweiten Wahlgang und das zur eigenen Überraschung, wie er tags darauf im Gespräch mit der Redaktion einräumte. Der erfahrene Ratsherr sah sich unverhofft aufs Altenteil abgeschoben.

Sympathisanten von "Marx 21" führen die Reserveliste an

Für interne Kenner der Essener Linken war das Wahlergebnis weniger überraschend, sondern Ausdruck eines Linksrucks innerhalb des Kreisverbandes. Der ehemalige Vorsitzende, Michael Steinmann, nennt es eine Übernahme durch eine "mehr oder weniger trotzkistische Strömung" um seinen Nachfolger Daniel Kerekes, der die Reserveliste für die Kommunalwahl auf Platz 1 anführt.

Kerekes steht "Marx 21" nahe, einer Gruppierung innerhalb der Linken, die einen "Sozialismus von unten" propagiert und sich in revolutionärer Tradition sieht. Kerekes bezeichnet sich selbst als Unterstützer von Marx 21. Gleiches gelte für die stellvertretende Kreisvorsitzende Theresa Brücker, die auf Listenplatz 2 steht.

Mitglied legte Widerspruch bei der Landesschiedskommission ein

Dass sich nun die Landesschiedskommission mit der Listenwahl beschäftigen musste, zeugt von der Unruhe innerhalb des Essener Kreisverbandes. Wie Michael Kretschmer, Leiter der Landesgeschäftsstelle, auf Nachfrage bestätigte, hatte ein Mitglied des Kreisverbandes Einspruch gegen die Wahl eingelegt, da diese nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.

Tatsächlich war laut Kretschmer eines der Mitglieder, das an der Wahl teilgenommen hatte, nicht stimmberechtigt, da es weder die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt noch die eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Wiederholt werden muss allerdings nur die Abstimmung um Listenplatz 4. Nur dort wäre die eine Stimme möglicherweise ausschlaggebend gewesen. Der erste Wahlgang endete pari. Erst im zweiten Wahlgang unterlag Wolfgang Freye seinem Kontrahenten Stefan Hochstadt. Bei allen anderen Wahlgängen sei das Ergebnis eindeutig gewesen, so Kretschmer.

Ausschluss von potenziellen Neumitgliedern war nicht rechtens

Bereits im Vorfeld sorgte eine Entscheidung des Kreisvorstandes für Unruhe. Dieser hatte mehr als 20 Personen die Mitgliedschaft verweigert. Kerekes spricht von "statistischen Auffälligkeiten". In einer Rundmail an die Mitglieder war von einer Eintrittskampagne die Rede.

Laut Michael Kretschmer hatten "mehr als zehn Personen" gegen die Entscheidung des Kreisvorstandes mit Erfolg Widerspruch bei der Schiedskommission eingelegt.

Ob die neuen Mitglieder die Wahl um Listenplatz 4 beeinflussen werden, bleibt vorerst dahingestellt. Der Kreisvorstand hat Einspruch gegen das Urteil der Landesschiedskommission eingelegt. "Wir wollen Rechtssicherheit und das so schnell wie möglich", sagt Kerekes. Er persönlich teile er das Urteil der Landesschiedskommission nicht.

Den Gang vor die nächste Instanz begründet der amtierende Kreisvorsitzende jedoch formal: Man wolle vermeiden, dass es innerhalb der gesetzten Frist zu weiteren Einsprüchen komme, so dass sich die Wahl weiter verzögere. Das nennt man wohl Dialektik. Das letzte Wort in der Angelegenheit hat die Bundesschiedskommission.

DIE KANDIDATEN

Bei der Kommunalwahl strebt die Linke mindestens fünf Sitze im Rat der Stadt an. Auf den vorderen Listenplätzen stehen: 1. Daniel Kerekes, 2. Theresa Brücker, 3. Heike Kretschmer, 4. Stefan Hochstadt, 5. Devran Dursun.