Essen. Nwarin Gad wird für seine komischen Solos geliebt. Nach 14 Jahren im Aalto-Ballett nimmt er Abschied. Jetzt will er mit Behinderten tanzen.

Seine Augen blitzen auf und ein feines Lächeln umspielt seinen Mund. Nwarin Gad hat in den 23 Jahren seiner Tanzlaufbahn schon Prinzen, Charaktere oder Clowns verkörpert. Gerade die witzigen Rollen sind seine Stärke. „Die Bösen durfte ich leider nicht spielen“, bedauert er zum Ende seiner Karriere, denn er liebt die Vielfalt.

Als Dornröschens Koch, als Hausfrau in „Tanzhommage an Queen“ oder als Max in „Max und Moritz“ zog er stets mit Ausdrucks- und Sprungkraft die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. In dem Abend „The Show Must Go On“ ist er noch einmal zu sehen.

Woher nimmt dieser Mann nur die Leichtigkeit, mit der er über die Bühne fliegt? Das Leben hat es ihm nicht immer leicht gemacht. Der gebürtige Ägypter ist als eines von sieben Kindern in Kairo aufgewachsen. Die Verhältnisse waren arm, aber seine Mutter war reich an Durchsetzungsvermögen. Sie brachte ihn zum Ballettunterricht. „Zuerst hat mir Ballett nicht besonders gefallen. Ich war gut im Tischtennis. Aber ich habe alles gemacht, was von mir erwartet wurde. Nach zwei Jahren war klar: „Wenn du hart arbeitest, kannst du an die Spitze kommen“, erzählt er von seinen Anfängen. Er studierte Tanz an der Akademie der Künste, schloss ein Choreographie-Studium ab und bekam zudem mit 16 seinen ersten Vertrag am Opernhaus in Kairo.

2002 bekam er die Vorbehalte gegen Araber zu spüren

Er war Solist in seiner Heimat. Dennoch reizte ihn Europa. „Das war mein Traum, weil Ägypten sehr verschlossen ist, was Stücke und Choreographen angeht. Hier gibt es so viele Theater. Hier gibt es jedes Jahr zwei Premieren“, sagt Nwarin Gad. „In Kairo wird immer noch derselbe ,Schwanensee’ getanzt.“ Doch ohne Einladung war das Einreisen nicht möglich. „Man hatte große Vorbehalte gegen Araber.“ 2002 erhielt er seine Chance. Ballettdirektor Xin Peng Wang, heute in Dortmund, nahm ihn in Meiningen auf. Gera folgte.

2006 wechselte er zu Martin Puttke nach Essen. Der Blaue Vogel in „Dornröschen“ war seine erste Rolle. Im Laufe der Jahre trat er in „La Sylphide“ und „Romeo und Julia“ auf, übernahm solistische Parts in „La vie en rose“, „Irish Soul“, „Schwanensee“ sowie in allen 116 Vorstellungen von „Tanzhommage an Queen“. Sein humorvoller Einsatz als Hausfrau war einfach nicht zu ersetzen.

Bei „Queeny“ entdeckte er sein pädagogisches Talent

Dass er auch ein pädagogisches Talent hat, entdeckte er bei der tänzerischen Einstudierung der 136 Schülerinnen und Schüler für das Projekt „Queeny“. „Es machte viel Spaß, mit den Kindern zu arbeiten“, berichtet er von der Erfahrung, die ihn und die Kinder glücklich machte. „Wir werden Dich nicht vergessen“, schrieben sie dem Vater von zwei Mädchen, die ebenfalls zum Ballettunterricht gehen.

Wie es für Nwarin Gad mit gerade mal 38 Jahren weitergeht, deutet sich an. Die Essener Gesellschaft für soziale Dienstleistungen (GSE) will ihn beschäftigen, wenn es Corona zulässt. Er könnte mit Behinderten aus Werkstätten arbeiten und ihnen das Tanzen beibringen. „Es fördert das Selbstbewusstsein, man lernt, Gefühle zu zeigen und es bringt Spaß - ob behindert oder nicht“, so Nwarin Gad. Sein neuer Traum: „Ich möchte mit Behinderten eine Aufführung auf die Beine stellen.“ Leicht wird das nicht. Das weiß er.