Essen. Schüler aus Essens Norden könnten in der Coronakrise abgehängt werden. Das Zukunft Bildungswerk steuert gegen – mit einem neuen Nachhilfe-Angebot

Viel wird dieser Tage von den Kindern im Essener Norden gesprochen, die nach den Sommerferien mit großen Lücken in die Schulen zurückkehren werden. So berät das Lagezentrum Schule der Stadt über Förderangebote in den Ferien. Und das Zukunft Bildungswerk hat schon am Montag (8. Juni) ein neues Institut an der Altenessener Straße 400a eröffnet: „Kostenlose Nachhilfe mit dem Bildungspaket“, verspricht die gemeinnützige Initiative. Oder wie Gründer Turgay Tahtabaş formuliert: „Wir sind für viele eine Hoffnung.“

Kostenlose Nachhilfe für Kinder aus ärmeren Familien

Rund 150 Kinder könne man in der Woche in den vier Räumen unterrichten: in Kleingruppen von zwei bis drei, maximal fünf Schülern, und mit coronabedingtem Abstand. Das neue Angebot ist für Familien gedacht, die Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabe-Paket (BuT) haben und deren Kinder versetzungsgefährdet sind, Sprachprobleme, Rechtschreibschwächen oder andere Defizite haben.

Spielgruppe und Sprachkurs, Leseförderung und Musikprojekt

Das Zukunft Bildungswerk finanziert Hilfen für 800 Kinder über das Bildungs- und Teilhabepaket. Weitere 300 Kinder besuchen musikalische Projekte, 100 Frauen gehen in Deutschkurse mit Kinderbetreuung.

Daneben gibt zum Beispiel Leseförderung, Elternberatung oder Spielgruppen für Kinder, die noch keinen Kita-Platz haben. Das Bildungswerk ist als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt. Coronabedingt ruhen einige der Angebote. Info:www.zukunft-bildungswerk.de

Tahtabaş’ Team arbeitet schon länger mit 15 Essener Schulen zusammen, „doch da stehen uns die Räume nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung“. Wird ein Schulgebäude um 16 Uhr geschlossen, endet auch die Nachhilfe. Das Zukunft Bildungswerk hat daher bereits zwei eigene Standorte eröffnet, die Altenessener Straße ist Nummer drei. Hier können sie bis in die Abendstunden unterrichten. Wenn die Kinder vormittags in der Schule sind, überlassen sie die 145 qm großen Räume an der Altenessener Straße anderen Trägern für Flüchtlingsberatung, Stadtteilarbeit oder Deutschkurse.

Bildungswerk musste selbst Kurzarbeit anmelden – und hilft weiter

Kostendeckend kann das Zukunft Bildungswerk selbst mit den Mitteln aus öffentlichen Töpfen selten arbeiten, ohne Spenden und Sponsoren wäre die vielfach ausgezeichnete Initiative längst pleite. Weil man in Zeiten von Corona etliche Angebote aussetzen musste, wurde Kurzarbeit angemeldet. „Ich gucke jeden Tag auf unser Konto“, sagt Tahtabaş.

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Trotz solcher Sorgen haben sie sich in der Krise nicht weggeduckt, sondern neue coronataugliche Formate ersonnen. Über das Jobcenter haben sie 700 Familien kontaktiert, die Leistungen aus dem Bildungspaket erhalten können. Die Resonanz war groß: „Seit die Schulen geschlossen sind, geben wir 591 Kindern digitale Nachhilfe.“ Zu den 80 Studenten, die als Video-Lehrer fungieren, gehört auch Tahtabaş’ Tochter. „Sie studiert Lehramt, ist im Online-Semester und kann sich ihre Zeit relativ frei einteilen.“ Davon profitieren nun Woche für Woche etwa 20 Kinder, die sie digital unterrichtet. „Das ist eine tolle Sache, um diese schwierige Situation zu überbrücken“, lobt etwa die Mutter einer Drittklässlerin. Schüler versichern: „Es war sehr gut, und ich hatte das Gefühl, als ob ich neben Dir sitze.“

Im Hörsterfeld ist schon das nächste Bildungsangebot geplant

Turgay Tahtabaş hat einige Laptops für Schüler besorgt und hofft auf weitere Technik-Spenden. Gleichzeitig will er mit den Nachhilfe-Räumen den Kindern ein Angebot machen, die sich die direkte Begegnung mit einem Lehrer wünschen – auch in den Sommerferien. Er habe bereits 40 Zusagen von Studenten und unterstütze das Lagezentrum Schule gern: „Wir müssen den Kindern helfen, die Lücken zu schließen.“

Darum plant er schon den nächsten Standort, nun im Osten der Stadt: In der Hochhaussiedlung im Hörsterfeld gammle die einst verheißungsvolle Ladenzeile vor sich hin, zwei leerstehende Ladenlokale möchte Tahtabaş gern mieten: „Wir wollen Bildung hier her bringen – und einen verlassenen Ort zurückgewinnen.“